Nachhaltige Geldanlage:Der Sinn für die Umwelt

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In Europa sind die Präferenzen für ethische und ökologische Investments je nach Region höchst unterschiedlich ausgeprägt. Der Norden ist hier deutlich weiter als der Süden. Warum ist das so?

Von Norbert Hofmann

Der Bewertungskatalog reicht vom Umwelt- und Klimaschutz über die Gleichberechtigung bis hin zum sozialen Gefälle. In einer umfassenden Analyse hat die Bertelsmann Stiftung kürzlich die nachhaltige Entwicklung der Industriestaaten untersucht. Ergebnis: Schweden, Norwegen, Dänemark und Finnland schneiden vor der Schweiz am besten ab. Noch erstaunlicher ist, dass sich die gesellschaftliche Entwicklung auch im Anlageverhalten professioneller Großanleger widerspiegelt. Diesen Schluss legt eine von der Fondsgesellschaft Union Investment in diesem Jahr vorgestellte Studie nahe. Demnach achten große institutionelle Investoren aus den vier skandinavischen Ländern verglichen mit sechs weiteren europäischen Nationen bei ihren Investments am häufigsten auf nachhaltige Kriterien. Der Anteil dieser Investments an der Gesamtanlage beträgt dort mehr als die Hälfte, während Deutschland mit nicht einmal einem Drittel gemeinsam mit Italien das Schlusslicht in diesem europäischen Ranking bildet.

An Zufall mag man da nicht so recht glauben. "In den nordischen Ländern haben ökologische sowie soziale Aspekte und der gesellschaftliche Frieden einen relativ hohen Stellenwert", nennt Florian Sommer, Leiter Nachhaltigkeitsresearch bei Union Investment einen der Gründe. Eine Erklärung liegt auch in der für skandinavische Länder typischen Idee des Wohlfahrtsstaats. Die Frauenerwerbsquote in Schweden etwa gehört zu den höchsten in der EU, während der Staat sich um Kinderbetreuung und Sozialleistungen für die Familie kümmert. Die starke Rolle des Staates führte auch dazu, dass Umwelt- und Energieziele frühzeitig formuliert wurden. Schweden hat schon vor zehn Jahren das Ziel einer ölfreien Wirtschaft angekündigt. Gleichzeitig erleichtert die geografische Lage den Bau von Wasser- und Windkraftwerken. Beispiel Norwegen: Dort wird die Stromerzeugung bereits nahezu vollständig aus erneuerbaren Energien gespeist. Gleichzeitig ist ein Anteil von 15 Prozent der Elektroautos an allen neuen Pkws der europäische Spitzenwert.

Bei den Kapitalanlagen wiederum ist der riesige staatliche Pensionsfonds ein gewichtiger Trendsetter. Er verwaltet die Erträge aus den Erdöl-und Erdgasvorkommen des Landes und soll sie ertragsbringend für eine Zeit anlegen, in der diese Quellen nicht mehr sprudeln werden. Der kurz "Ölfonds" genannte Kapitaltopf setzt deshalb bei seinen Beteiligungen auf nachhaltige Geschäftsmodelle und den Ausschluss von ethisch fragwürdigen Firmen. Die Strategie hat Sogwirkung. "Die großen Staatsfonds in Skandinavien setzen mit ihren Ausschlusskriterien Zeichen, denen sich andere Großanleger in diesen Ländern kaum entziehen können", sagt Matthias Bönning, Vorstand des Rating- und Analystenhauses Oekom Research.

Auch in Holland sorgen milliardenschwere Pensionseinrichtungen dafür, dass Großanleger mehr als die Hälfte ihrer Gesamtanlagen nachhaltig investiert haben. Im Ranking von Union Investment rangiert das Land gleich hinter Skandinavien. "Die auf der Kapitalanlage basierenden Teile des Vorsorgesystems der Niederlande konzentrieren sich sehr stark auf einige große Pensionsfonds und Vermögensverwalter, bei denen sich ganze Teams mit dem Thema Nachhaltigkeit befassen", erläutert Experte Sommer.

Wenn institutionelle Profis und die vielen privaten Kleinanleger in anderen Ländern Europas deutlich weniger Interesse an solchen Investments haben, dann liegt das auch an der Furcht vor mäßigen Renditen. Besonders stark ausgeprägt ist diese Skepsis der Studie zufolge in Deutschland, Italien, Österreich und der Schweiz. Die vielen Pleiten von Solar- und Windkraftwerken mögen dazu beigetragen haben. Doch es gibt genügend Beispiele, die gegen einen Renditeverzicht sprechen. Der weltweit agierende Sanitärtechnik-Spezialist Geberit etwa senkt seit Jahren stetig seinen Energieverbrauch, während der Aktienkurs kontinuierlich steigt. Auch der Börsenwert des Waschmittel- und Klebstoffkonzerns Henkel, der jedes neue Produkt nachhaltiger gestalten will als das alte, erklimmt seit Jahren immer neue Höhen. Fasst man alle Studien zum Vergleich der Renditen von Nachhaltigkeitsfonds mit konventionellen Fonds zusammen, so lässt sich auch daraus kein Nachteil herauslesen. "Die Gesamtheit der Studien zeigt, dass nachhaltige Anlagen mindestens genauso gut oder sogar besser sind als konventionelle Investments", sagt Ali Masarwah vom Analysehaus Morningstar.

Tendenziell gelingt es nachhaltig ausgerichteten Fonds, bei Abwärtsbewegungen relativ wenig zu verlieren. Das lässt darauf schließen, dass das Aussieben von ethisch nicht verantwortungsbewusst handelnden Firmen eben Risiken minimiert. "Nachhaltige orientierte Anlagestrategien werden heute nicht nur aus altruistischen Gründen umgesetzt, sondern weil ein solcher Investmentprozess auch Vorteile bringt", sagt Masarwah. Allerdings ist es für Kleinanleger schwierig, den zu den eigenen ethischen Vorstellungen passenden Fonds zu finden und dann noch dessen Qualität zu beurteilen. Auch deshalb stehen Privatanleger in Deutschland nur für 15 Prozent aller nachhaltigen Anlagen.

Ähnlich ist die Entwicklung in den alpenländischen Nachbarstaaten - und dennoch gibt es Unterschiede. So hat Österreich sowohl bei den Marktanteilen als auch bei den Zuwächsen gegenüber Deutschland die Nase vorn. Das dürfte zum einen daran liegen, dass in der Alpenrepublik bislang eine größere Anzahl nachhaltig ausgerichteter Fonds aufgelegt wurde. Vor allem aber existiert mit dem vom Staat vergebenen "Österreichischen Umweltzeichen" ein Gütesiegel für nachhaltige Investmentfonds, das für Vertrauen sorgt.

Impulse könnten von öffentlichen Trägern ausgehen

Qualitätslabel könnten auch in Deutschland die Glaubwürdigkeit von nachhaltigen Fondsprodukten stärken. Ansätze gibt es bereits. Über den Internetauftritt von Morningstar etwa sind Nachhaltigkeitsbewertungen auch für konventionelle Fonds frei verfügbar. Gleichzeitig spricht das relativ größere Interesse junger Sparer an ethischen Anlagen für eine Fortsetzung des Aufwärtstrends. "Der deutsche Markt für nachhaltige Anlagen ist in Bewegung, er hat aber noch immer viel Luft nach oben", sagt Sommer.

Im bisher sehr stark von kirchlichen Einrichtungen und Stiftungen geprägten institutionellen Bereich könnten nach seiner Einschätzung nun neue Impulse von öffentlichen Anlegern wie Bund, Länder und Kommunen kommen. Nicht zuletzt, weil deren öffentlicher Auftrag viel mit Nachhaltigkeit zu tun hat. Die Stadt Stuttgart beispielsweise hat sich seit September klare Regeln für ihre Geldanlage auferlegt. Alles was mit Militärwaffen, Kohle, Öl oder Atomtechnik zu tun hat, bleibt ebenso außen vor wie Firmen, die in Korruptionsfälle verwickelt sind. All das hat auch der Ethikrat des norwegischen "Ölfonds" auf seine schwarze Liste gesetzt.

© SZ vom 20.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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