Nachhaltig finanzieren:Fair und erfolgreich

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Wer ethisch und nachhaltig wirtschaftet, kann neue Kunden gewinnen und zusätzliche Finanzierungsquellen für sein Unternehmen erschließen. Staatliche Programme helfen dabei.

Von Norbert Hofmann

Für ein zentrales Anliegen beim G-20-Gipfel in Hamburg kann sich Angela Merkel auf den Segen von höchster Stelle stützen. Bei der Privataudienz Mitte Juni hatte sie mit Papst Franziskus über den dringend notwendigen Kampf gegen die Armut in Afrika gesprochen. "Er hat mich ermutigt, auf diesem Weg weiterzugehen", sagte die Bundeskanzlerin nach dem Gespräch und kündigte an, den Kontinent zu einem Schwerpunkt der G-20-Verhandlungen zu machen. Gründe dafür gibt es genug. Während in Deutschland über ein Grundeinkommen diskutiert wird, ist das Leben unter der Armutsgrenze in Asien, Südamerika und Afrika vielerorts noch Normalität. Ein Grund dafür liegt darin, dass vom Handel mit Rohstoffen und anderen Produkten aus diesen Regionen nur ein Bruchteil bei der Bevölkerung ankommt. Aber auch Wirtschaftsverbünde wie die EU, die ihre Agrarmärkte durch Subventionen schützen, tragen dazu bei.

Deutlicher gekennzeichnete Produkte wären schon ein Fortschritt

Verbraucher, die sich damit nicht abfinden wollen, finden Unterstützung bei internationalen Initiativen wie Fairtrade. Zu deren Kriterien für einen fairen Handel gehört etwa ein über dem Weltmarktpreis liegender Mindestpreis, der in Schwellenländern Spielraum für ein langfristiges Wirtschaften schafft. Die Bereitschaft der Verbraucher, diesen Preis zu zahlen, wächst. Der Absatz von Fair-Trade-Kaffee etwa ist im vergangenen Jahr in Deutschland um ein Viertel gestiegen. Bei Kakao hat er sich sogar mehr als verdoppelt. Dennoch liegt der Marktanteil solcher Produkte erst bei rund vier bis sechs Prozent. Viel mehr könnte es wohl erst werden, wenn die Politik klare Regeln vorgibt. "Es fehlen noch immer verbindliche Rahmenbedingungen zur Gestaltung nachhaltiger und fairer Wertschöpfungsketten", bemängelt Heinz Fuchs, Aufsichtsratsvorsitzender der deutschen Fair-Trade-Organisation Transfair. Wenn Verbraucher ihre ethischen Vorstellungen in die Produktauswahl einfließen lassen wollen, haben sie es allein schon wegen der mangelnden Transparenz oft schwer. Zwar ist durch eine EU-Verordnung seit 2008 sichergestellt, dass Konsumenten etwa bei frischem Obst und Gemüse über das Anbauland informiert werden. Eklatante Defizite gibt es aber immer noch bei Dosen, Tiefkühlkost und Packungen. "Bei den wenigsten verarbeiteten Lebensmitteln ist die Herkunft der Zutaten gekennzeichnet", sagt Dario Sarmadi, Sprecher von Foodwatch. Die Verbraucherorganisation fordert eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung zumindest für die Hauptzutaten. Fragezeichen stehen auch hinter dem Einsatz von Gentechnik. Zwar sind Lebensmittel aus gentechnischem Anbau gekennzeichnet. "Bei tierischen Produkten aber muss nicht angegeben werden, ob gentechnische Futtermittel verwendet wurden", kritisiert Sarmadi.

Wo Regularien fehlen, kann die Eigeninitiative helfen. Der in Tettnang ansässige Outdoor-Bekleidungsspezialist Vaude etwa lässt nur bei Nähbetrieben fertigen, die von der unabhängigen Fair Wear Foundation (FWF) auditiert sind. Rund 90 Prozent der Kollektion stehen für umweltfreundliche Produkte aus nachhaltigen Materialien, ressourcenschonender und fairer Produktion. Der Großteil der Materiallieferanten ist nach dem strengen Umweltstandard bluesign zertifiziert. Auf die Produktionsprozesse von deren Zulieferern kann Vaude bislang keinen Einfluss nehmen. Gerade die Prozesse in diesen Betrieben aber - Färbereien, Spinnereinen und Webereien - sind besonders ressourcenintensiv und potenziell umweltbelastend.

Vaude hat deshalb das Projekt "Environmental Stewardship in the Supply Chain" ins Leben gerufen, über das den Lieferanten Know-how sowie Bewusstsein für Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen vermittelt wird und dessen erste Ergebnisse jetzt vorliegen. "Wir haben dazu in den vergangenen zwölf Monaten Workshops bei acht Pilotlieferanten in Asien ausgerichtet, die 80 Prozent unserer Materialverwendung abdecken", erläutert Bettina Roth, Leiterin Qualitätsmanagement bei Vaude. Diese Betriebe erhielten zusätzlich zu den Workshops auch individuelle Beratung zu Aspekten wie Chemikalienlagerung, Wärmerückgewinnung in der Fertigung, Abfall- und Abwassermanagement sowie zu sozialen Aspekten. Ein solcher Ansatz, so das Credo des Outdoor-Spezialisten, funktioniert nachhaltiger als die reine Kontrolle der Produkte. Schon die Aktivitäten des ersten Jahres haben bei den Lieferbetrieben zu mehr als hundert Verbesserungsmaßnahmen geführt. Ende Mai präsentierten die Pilotbetriebe ihre Erkenntnisse einem breiten Lieferantenpublikum. Nun soll das Projekt mit Hilfe deutscher und europäischer Branchenverbände sowie anderen Firmen Schule machen.

Die Initiative passt zur Vision der Firmenchefin Antje von Dewitz, wonach ökologische, soziale Nachhaltigkeit sowie wirtschaftlicher Erfolg kein Widerspruch sind. Beleg dafür ist, dass Vaude deutlich schneller wächst als der Outdoor-Markt. "Händler und Käufer erkennen an, dass unsere Marke für Nachhaltigkeit steht und wir dafür auch viel tun", sagt Managerin Roth.

Dafür ist das Unternehmen bereit, Geld in die Hand zu nehmen. Das Projekt wurde zudem zu rund 44 Prozent aus Mitteln des Developpp-Programms der DEG Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mitfinanziert. Das Tochterunternehmen der KfW begleitet deutsche Mittelständler mit unterschiedlichen Finanzierungslösungen sowie Beratung etwa zur Standortwahl und den arbeits-, steuer- und gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen in Entwicklungs- und Schwellenländer. Firmen unterschiedlicher Branchen erhalten dabei Mittel aus Förderprogrammen - unter anderem auch für die Verbreitung klimafreundlicher Technologien - und langfristige Finanzierungen zu marktüblichen Konditionen, die am Ort häufig nicht zur Verfügung stehen. "Wir finanzieren unsere Kunden in allen Phasen einer Auslandsinvestition, wobei die Unternehmen auch unser Know-how in Wachstumsmärkten mit teilweise herausfordernden Rahmenbedingungen schätzen", sagt Klaus Helsper, Leiter der Abteilung Unternehmen Deutschland bei der DEG.

Das bringt auch entwicklungspolitisch einiges in Bewegung. Denn die Unternehmen sorgen am Ort nicht nur für Arbeitsplätze, Mitarbeiterqualifikation sowie Technologie- und Wissenstransfer. Viele sind darüber hinaus auch mit Blick auf energieeffiziente Verfahren und Produktion führend. Die DEG unterstützt sie zudem dabei, am Ort nachhaltig zu wirtschaften und internationale Umwelt- und Sozialstandards einzuführen. An Interesse mangelt es nicht. In 2016 sagte die DEG deutschen, vor allem mittelständischen Unternehmen für ihr Engagement in Entwicklungs- und Schwellenländern mit 253 Millionen Euro ein fast doppelt so hohes Finanzierungsvolumen zu wie im Vorjahr.

© SZ vom 06.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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