Nach dem Telekomskandal:Wie die Bahn schnüffeln ließ

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Warum die Deutsche Bahn das Privatleben einer Mitarbeiterin ausspionieren ließ und was das mit Scientology zu tun hat.

Klaus Ott

Der dreiseitige Ermittlungsbericht der Detektei Network, der Mitte April 2005 bei der Konzernrevision der Deutschen Bahn (DB) landete, gab wenig her. Der Chef der Berliner Beratungs- und Recherchefirma Network, Ralph Kühn, war Hinweisen nachgegangen, eine Mitarbeiterin der Bahn sei Mitglied von Scientology. Die weltweit aktive Religionsgemeinschaft wird in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet. Scientology wolle eine eigene, autoritäre Gesellschaftsordnung durchsetzen, lautet einer der Vorwürfe.

In die Fänge dieser Organisation mochte die Bahn nicht geraten. Also wurde Kühn eingeschaltet, nachdem die DB offenbar von einer Hausverwaltung Hinweise auf eine mögliche Verbindung der DB-Angestellten zu Scientology bekommen hatte. In der Wohnung der Frau sollen entsprechende Unterlagen aufgefallen sein. Das war ein Fall für Kühns inzwischen weithin bekannte Firma. Network ist in den Spitzelskandal bei der Telekom verstrickt. Außer für den Telefonkonzern war Network auch für die Bahn tätig.

Kühn forschte das private Umfeld der DB-Mitarbeiterin aus, er konnte aber keine Anhaltspunkte liefern, dass sie zu Scientology gehöre. Stattdessen meldete er, auf dem Klingelschild an ihrer Wohnung sei ein zweiter Name vermerkt. Ob diese Person "weiblich oder männlich ist, können wir nicht sagen, da wir den Vornamen nicht kennen". Wahrscheinlich sei das, wie von der Hausverwaltung angegeben, der Freund der DB-Mitarbeiterin. Der Freund sei unter dieser Adresse aber nicht polizeilich gemeldet. Das könne steuerliche Gründe haben, "Schlamperei" sein, oder ein Täuschungsmanöver.

In den Teilnehmerlisten von Scientology-Veranstaltungen suchte Network vergebens nach den Namen der DB-Mitarbeiterin und ihres Freundes. Kühn fand aber ähnliche Namen, wie er der Bahn mitteilte. "Das erschien uns zunächst - vor dem Hintergrund der Idee, dass Frau ... bei Ihnen unter falscher Identität arbeitet - sehr spannend." Inzwischen sei er jedoch geneigt, das Auftauchen der ähnlichen Namen auf den Scientology-Listen für einen Zufall zu halten. Dabei blieb es. Am Ende hatte die Bahn ergebnislos im Privatleben einer Mitarbeiterin herumschnüffeln lassen.

© SZ vom 05.06.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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