Munich Re:Krisenmanager Jörg Schneider geht

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Der Rückversicherer Munich Re wechselt den Finanzchef. Mit Jörg Schneider geht der dienst­älteste Dax-Finanzer. Ein Physiker soll übernehmen.

Von Herbert Fromme, Köln

Munich-Re-Finanzchef Jörg Schneider ist seit 30 Jahren bei dem Unternehmen und seit 18 Jahren im Vorstand. Er ist überhaupt der dienstälteste Finanzchef aller Dax-Konzerne - aber jetzt ist bald Schluss. Ende des Jahres will der dann 60-Jährige den Posten an Christoph Jurecka, 43, abgeben, promovierter Physiker und Finanzchef der Munich-Re-Tochter Ergo in Düsseldorf. Schneider verlässt das Unternehmen knapp zwei Jahre nach Vorstandschef Nikolaus von Bomhard. Beide waren durch die schwere Krise sozialisiert worden, die den Konzern 2003 und 2004 an den Rand der Pleite brachte. Das Ergebnis ist der ultrakonservative Kurs, den die Munich Re seither verfolgt - vor allem bei den Kapitalanlagen, aber auch bei ihren Versicherungsgeschäften.

Doch aktuell ändert sich das Geschäftsmodell der Rückversicherer. Das Kerngeschäft, die Abdeckung von Risiken anderer Versicherer, wächst kaum noch, die Preise sind niedrig. Deshalb suchen sich die Konzerne Nischen und investieren in den digitalen Umbruch. Weltmarktführer Munich Re hält hier wacker mit, muss aber wahrscheinlich künftig mehr Risiken eingehen als bislang. Dafür wäre Schneider möglicherweise der falsche Mann. Er selbst sagt, er hätte auch noch früher gehen können, und freue sich auf die neue Lebensphase.

"Wir wissen, dass sich viel bewegen wird, wir wissen aber nicht überall, in welche Richtung."

Jörg Schneider ist bekannt für seine geduldige, ruhige Art, mit der er jede auch noch so abseitig scheinende Frage beantwortet. Der große, hagere Mann machte den Eindruck, nie laut werden zu können - und tatsächlich kam das auch hinter den Kulissen kaum vor, hört man.

Schneider studierte erst Betriebswirtschaft und danach Jura, er promovierte in München. Nebenbei arbeitete er als Programmierer. 1988 kam er zur Münchener Rück. 2002 geriet die Münchener Rück in eine existenzbedrohende Krise. Hauptgrund war der Absturz der Aktienmärkte - Ende 2001 hielt der Konzern 33,3 Prozent seiner Kapitalanlagen in Aktien, einschließlich der großen Beteiligungen an der Allianz (20 Prozent), der notleidenden Hypovereinsbank (26 Prozent) und der Commerzbank (10 Prozent). Neben der Aktienkrise schlug deshalb auch die Bankenkrise voll auf die Münchener Rück durch. Die Aktie verlor - von 391 auf unter 70 Euro.

2003 trat Vorstandschef Hans-Jürgen Schinzler mit 62 Jahren ab. Nachfolger wurde Nikolaus von Bomhard. Jörg Schneider hatte als einer der möglichen Kandidaten für die Nachfolge gegolten. Er haderte nicht lange mit der Niederlage, sondern sorgte zusammen mit von Bomhard dafür, dass der Konzern wieder handlungsfähig wurde. Die beiden bauten neue Kontrollsysteme auf, reduzierten den Aktienanteil und andere Risiken bei den Kapitalanlagen. Es gelang ihnen, das Vertrauen der Anleger zurückzugewinnen.

"Aktuell bewegen uns die gewaltigen Veränderungen aus der Digitalisierung, die für unsere internen Prozesse wichtig sind und noch stärker für unsere Märkte", teilt Schneider den Mitarbeitern zu seinem Weggang mit. "Wir wissen, dass sich viel bewegen wird, wir wissen aber nicht überall, in welche Richtung." Da seien sowohl klare Strategien als auch hohe Flexibilität gefordert, gibt er seinen Kollegen mit auf den Weg.

© SZ vom 18.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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