Münchner Seminare:So kryptisch wie Kryptogeld

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Der französische Ex-Notenbanker Jean Pierre Landau erklärt, warum man mit der Digitalwährung liberal umgehen sollte - solange das private Geld isoliert bleibt in der Cyberwelt. Denn dann mache ein Crash nicht so viel aus.

Von Katharina Kutsche, München

Der eine ist süchtig nach Alkohol und Zigaretten, der andere hängt an Sex, Drugs and Rock 'n' Roll. Jean-Pierre Landau dagegen ist süchtig nach Kryptowährungen. So jedenfalls formuliert Landau seine Begeisterung für das eher sperrige Thema, das der Wirtschaftsprofessor der Pariser Hochschule Sciences Po bei den Münchner Seminaren aufgreift: Die Zukunft des Geldes in der digitalen Welt.

Bei der Veranstaltungsreihe der Süddeutschen Zeitung und des ifo-Instituts versucht Landau eine Annäherung an den Begriff der Kryptowährung. Schwierig genug, schließlich sagte der britische Komiker John Oliver über sie: "Kryptowährungen beinhalten alles, was du zu Finanzen nicht verstehst, kombiniert mit allem, was du bei Computern nicht verstehst." Doch die Sehnsucht nach dem digitalen Geld sei nicht nur bei Landau vorhanden. Jungen Menschen sei es schwer zu vermitteln, dass sie zwar innerhalb einer Sekunde eine E-Mail ans andere Ende der Welt schicken können, aber kein Geld. Kann also verschlüsseltes Geld diese Lücke schließen?

Landau, früherer Vizepräsident der französischen Nationalbank, sieht drei wesentliche Unterschiede zwischen realem und digitalem Geld. Geld, wie wir es jetzt kennen, sei öffentlich abgesichert, eine Forderung gegenüber einer Bank und in elektronischer Weise, etwa als Kreditkarte, repräsentiere es einen Geldbetrag auf einem Konto. Kryptogeld dagegen sei privates Geld, ohne physische, finanzielle oder legale Absicherung und ohne Forderung gegenüber irgendjemandem. Das zeige sich zum Beispiel, wenn die Kreditkarte gestohlen wird. "Kein Problem", sagt Landau, das sei ihm schon mal passiert, die bekomme man ersetzt: "Jemand hat eine Verpflichtung gegenüber jemand anderem." Bei Kryptogeldern funktioniere das nicht, wie man an dem kuriosen Fall sehen könne, der 2017 geschah: Ein Brite hatte seine Festplatte entsorgt, auf der Bitcoins gespeichert waren. Als der Kurs des Digital-Geldes stieg, bat der Mann darum, die örtliche Müllhalde durchwühlen zu dürfen, schließlich waren die Bitcoins Millionen wert. Doch ohne Zugang zur Verschlüsselung kein Zugang zu dem Schatz - mit dem gesetzlich legitimierten Geld kann das nicht passieren.

Historisch gesehen hätten private Währungen immer versagt, der modernen Marktökonomie nicht Stand gehalten, so Landau. Doch Technologie kreiere eine andere Umgebung. Sie mache es möglich, eine große Nutzerzahl in einer sehr kurzen Zeit zu erreichen. Durch diesen Netzwerk-Effekt könne privates Geld im digitalen Zeitalter erfolgreich sein.

Um aber zu entscheiden, wie man mit dem neuen digitalen Geld umgeht, müsse man wissen, was es genau sei, sagt Landau. Sind Kryptowährungen wirklich Geld? Finanzvermögen? Wirtschaftsgüter? "Wir wissen nicht, was sie sind", so Landaus These: Daher gebe es keine Eile, Kryptogelder zu klassifizieren und zu regulieren. Lieber solle man sie sich entwickeln lassen, dabei Überschüsse verhindern und Kontakt mit der realen Wirtschaft vermeiden. "Isoliert sie in der Cyberwelt." Denn zurzeit sei noch alles offen, die Blase könne platzen und der Wert von Bitcoin und anderen Kryptowährungen auf null zurückfallen.

Unterm Strich sei vor allem der disruptive Effekt der Blockchain-Technologie interessant, geschäftlich wie finanziell. Das System der Kryptowährungen könne morgen zusammenbrechen. Aber es zwinge uns, über Geschäfts- und Finanzmodelle nachzudenken.

© SZ vom 17.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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