Münchner Seminare:Anstand in Zeiten von Trump

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Lernen Wirtschaftsstudenten eigentlich nur noch, wie man den Profit maximiert? Der Oxford-Professor Peter Tufano über gute Firmenchefs und darüber, dass zur Führung eines Unternehmens auch gehört, an die Allgemeinheit zu denken.

Von Felicitas Wilke, München

Man muss sich Peter Tufano als zufriedenen Menschen vorstellen. Er ist gerne Professor, erzählt er, der an der Saïd Business School der Elite-Universität in Oxford lehrt und ihr als Dekan vorsteht. In seinen Vorlesungen sitzen interessierte Studenten, sagt er; die Bewerber auf einen Studienplatz seien hoch motiviert. Und in der Welt, in der Tufano lebt, werden die Menschen immer älter. Genug Gründe, optimistisch durchs Leben zu gehen? Fast, sagt der Ökonom bei den Münchner Seminaren, einer Vortragsreihe der Süddeutschen Zeitung und des Ifo-Instituts - diesmal in Kooperation mit dem Alumninetzwerk der Uni Oxford.

Denn ob es in dieser globalisierten Welt "Platz für Hoffnung" gibt, wie Tufano seinen Vortrag betitelt hat, hänge auch von der Meso-Ebene ab - also all dem, was zwischen dem Leben des Einzelnen und dem großen Ganzen geschieht. Und da stimme derzeit vieles weniger hoffnungsfreudig, findet Tufano: Die Menschen vertrauten der Politik weniger denn je, die Ungleichheit innerhalb der Staaten habe zugenommen. Und nicht nur in der Politik laufe einiges schief, auch in großen Konzernen wie VW oder dem US-Fahrdienst Uber komme es zu Management-Problemen.

Als Hochschullehrer versucht Tufano, aus Studenten verantwortungsvolle Führungskräfte von morgen zu machen. Umso mehr stellt er sich gerade die Frage, was die Probleme dieser Zeit mit Führung zu tun haben. Tufano ist überzeugt: Eine gute Führungskraft sollte sich "decent" verhalten, zu Deutsch: anständig. Sie sollte "gute Profite auf anständige Weise" liefern. Doch was heißt das, "anständig"?

In Unternehmen haben oft Menschen das Sagen, die vor allem eigene Ziele im Blick haben

Für einen Gast im Publikum bedeutet das, sich gegenüber Mitarbeitern, Aktionären oder Zulieferern fair zu verhalten. Für andere, nicht um jeden Preis auf kurzfristige Gewinne zu schielen, sondern das Unternehmen nachhaltig aufzustellen. Eigentlich all das, was das Leitbild des "ehrbaren Kaufmanns" seit Jahrhunderten beschreibe, wirft ein Teilnehmer ein.

Allerdings eint viele im Publikum an diesem Abend die Ansicht, dass die Unternehmen sich mehrheitlich nicht anständig verhalten - nicht etwa, weil ganze Organisationen von Menschen mit bösen Absichten unterwandert seien, wie eine Zuhörerin anmerkt.

Jedoch hätten an manchen Stellen Personen das Sagen, die eher eigene Ziele verwirklichen wollten, als im Sinne aller zu handeln. Da geht Tufano mit; dass die Mehrheit der Unternehmen tatsächlich unanständig sei, will er nicht unterschreiben. Sehr wohl kritisiert er, dass sich die Management-Lehre vergangener Jahrzehnte zu sehr darauf versteift habe, den Studenten beizubringen, wie man Gewinne maximiert. Soziale Verantwortung hingegen stehe in den meisten Lehrbüchern ganz hinten.

Es sind aber nicht nur die Lehrinhalte, die Tufano zu denken geben. Ihn bedrücke auch, dass in Donald Trump ein Mann sein Heimatland regiert, der wenig respektvoll, ja unanständig, mit seinen Mitmenschen kommuniziere. Auch die Situation in dem Land, in dem er lebt, bereitet ihm Sorgen. "Ich habe in meinen Kursen mehr Afrikaner als Briten", sagt Tufano. Wenn Großbritannien sich im Zuge des Brexit abgrenze, "könnten sich die ausländischen Studenten nicht mehr willkommen fühlen", fürchtet er. Und wünscht sich, dass die Institutionen, die in einer Gesellschaft Anstand verkörpern sollten, diesen auch vermitteln - Firmenchefs und Politiker, Behörden und Schulen. Auch an die Medien richtet er einen Wunsch: lieber die Menschen porträtieren, die im Kleinen etwas bewegen als diejenigen, die am lautesten schreien.

Was er sich unter einer guten Führungskraft vorstellt, versucht Tufano seinen Studenten vorzuleben. Bereits im Jahr 2000 gründete er das Non-Profit-Unternehmen Commonwealth, das einkommensschwachen Familien dabei hilft, mit Finanzen umzugehen. Und er ist, glaubt man Ifo-Chef Clemens Fuest, der Tufano aus seiner eigenen Zeit in Oxford kennt, eine "beeindruckende Führungspersönlichkeit". Das klingt eigentlich recht: anständig.

Die Münchner Seminare sind eine gemeinsame Initiative der CES- Ifo -Group und der "Süddeutschen Zeitung". Informationen im Internet unter: www.cesifo-group.de/mucsem

© SZ vom 26.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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