Müllverwertung in Europa:Im Kreis gedreht

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Die EU-Kommission hat neue Ziele, wie viel Abfall recycelt werden soll. Ehrgeizig nennt sie das. Dabei waren die Pläne schon viel weiter.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Frans Timmermans spricht nicht nur sechs Sprachen fließend, er beherrscht auch die Sprache des Verkäufers. Der Niederländer versteht es, Dinge anzupreisen, die so sperrig klingen wie das Wort Kreislaufwirtschaftsgesetz. Und so steht er an diesem Mittwoch im Pressesaal der Europäischen Kommission und versucht genau das zu tun. Europa brauche mehr "Circular Economy", sagt der Erste Vizepräsident der Brüsseler Behörde. Ideen wie Carsharing oder Repair Cafés seien wichtig, nun komme es darauf an, dass die gesamte Wirtschaft "circular" werde. "Unser Planet kann nicht überleben, wenn wir den Wegwerf-Ansatz weiter verfolgen", sagt Timmermans. Bei der Kreislaufwirtschaft gehe es darum, Abfall zu verringern und die Umwelt zu schützen. Im Mittelpunkt steht das Recycling. Im Kampf gegen den Müll sollen bis zum Jahr 2030 65 Prozent der sogenannten Siedlungsabfälle, dazu zählt auch der Haushaltsmüll, wiederverwertet werden. Das klingt nach einem ambitionierten Ziel. Und das ist es auch, gerade für die Länder Süd- und Osteuropas.

Doch im Grunde war die EU-Kommission schon weiter. Im Februar hatte die Brüsseler Behörde einen eigenen Vorschlag aus dem Jahr 2014 zurückgezogen, wonach 70 Prozent der Siedlungsabfälle wiederverwertet werden sollten. Von mehreren EU-Staaten war der Vorstoß kritisiert worden. Das neue Recycling-Ziel für Verpackungsmüll lautet nun 75 Prozent, bisher war von 80 Prozent die Rede. Unterm Strich soll damit weniger Müll auf Deponien landen. Bis es soweit ist, müssen allerdings noch die EU-Staaten und das Europaparlament den Plänen zustimmen.

"Wir haben ein Ziel, das sehr ehrgeizig und realistisch ist", sagt Timmermans. Es gebe bei der Wiederverwertung große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. Im EU-Schnitt wird etwa 42 Prozent des Abfalls recycelt oder kompostiert. Deutschland führt die Liste der Mitgliedsstaaten mit 65 Prozent an, Rumänien ist Schlusslicht mit fünf Prozent. Im Durchschnitt produziert jeder EU-Bürger 490 Kilogramm Abfall pro Jahr. "Wir können nun jeden an Bord haben, auch die, die sehr hinterherhinken." Das neue Gesetzespaket sei umfassender als das alte. Neu sei die verbindliche Vorgabe, dass in 15 Jahren nur noch ein Zehntel aller Abfälle auf Deponien landen dürften. Getrennt gesammelter Müll dürfe dann gar nicht mehr auf die Halde kommen. Soweit Timmermans, der Verkäufer.

Was bringen schon unverbindliche Regeln? Nichts, sagen die Europa-Grünen

Kritik kommt aus dem Europaparlament. Der Luxemburger Grünen-Abgeordnete Claude Turmes bemängelt, dass in fast allen Bereichen eindeutige Ziele fehlten: "Wir wissen vom Klimaschutz, dass Regierungen nur handeln, wenn es klare und verbindliche Vorgaben gibt. Genau die fehlen für die Reduzierung von Abfällen, zum Beispiel für Müll in den Meeren und Lebensmittelabfälle." Sein Kollege Reinhard Bütikofer spricht von einer "Rolle rückwärts" der Kommission: "Die neuen Vorschläge fallen hinter jene zurück, die von Timmermans vor einem Jahr zurückgezogen wurden und sie brechen das Versprechen, ein ambitionierteres Maßnahmen-Paket vorzulegen." Die CDU-Europaabgeordneten Karl-Heinz Florenz und Peter Liese finden es gut, dass die EU-Kommission sich nicht nur um das Thema Abfall, sondern um den gesamten Kreislauf kümmert. Schon bei der Produktion müsse mehr auf Ressourceneffizienz geachtet werden. Allerdings bemängeln auch sie, dass die Ziele abgeschwächt wurden. So werde etwa die einheitliche Methode, wie die Recyclingziele zu messen sind, erst später eingeführt. Damit könne die Wettbewerbsverzerrung innerhalb Europas fortbestehen.

© SZ vom 03.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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