Müller-Milch:Der Patriarch ist nicht müde

Lesezeit: 3 min

Theo Müller (links) und Sohn Stefan in der Molkerei im sächsischen Leppersdorf: Erben sollen irgendwann seine neun Kinder, sagt der Unternehmer. (Foto: Robert Michael/Imago)

Mit 75 Jahren zeigt Theo Müller ungebremsten Tatendrang: Er will den Umsatz seines Konzerns durch weitere Zukäufe auf zehn Milliarden Euro verdoppeln.

Von Stefan Mayr, Augsburg

Theo Müller ist 75 Jahre alt, sein Vermögen wird auf 2,6 Milliarden Euro geschätzt. Aber Deutschlands Milchmann Nummer eins (Müller-Milch, Weihenstephan, Sachsenmilch) wirkt weder alt noch satt. Im Gegenteil: Braun gebrannt und angriffslustig lächelnd spricht er von großen Zielen. Er will den Umsatz seines Lebensmittel-Konzerns in den kommenden fünf Jahren verdoppeln - von derzeit fünf Milliarden auf zehn Milliarden Euro. Dies kündigte der Alleingesellschafter der Unternehmensgruppe Theo Müller (UTM) im kleinen Kreise im Souterrain seiner Firmen-Zentrale in Aretsried bei Augsburg am Wochenende an.

Vor zahlreichen Ehrengästen erhielt Müller, der schon seit 2003 in Zürich lebt, die Ehrenbürgerwürde seiner Heimatgemeinde Fischach. Bei dieser Gelegenheit zeigte sich der ansonsten überaus schweigsame Patriarch ungewöhnlich gesprächig. Kaum baumelte die Medaille um den Hals, erzählte er bestens gelaunt von seinen nächsten Zielen, kündigte eine weitere Übernahme an, sprach sogar von Problemen seiner Firmengruppe. Am Ende verriet er auch noch aktuelle Geschäftszahlen. Dermaßen offen hat ihn schon lange niemand mehr erlebt, seitdem er 1971 als 31-Jähriger den Vier-Mann-Betrieb seines Vaters übernommen hatte.

Wer so schnell wachsen will, muss zukaufen. Die Kasse ist gut gefüllt

Heute hat seine UTM mehr als 20 000 Mitarbeiter, sie produzieren an 21 Standorten in neun Ländern. Dabei kamen 2014 fünf Milliarden Euro Jahresumsatz zusammen. Diese Zahl bis 2020 zu verdoppeln, wie es Müllers Ziel ist, das geht nur mit Akquisitionen. Die Kasse ist gut gefüllt: Müller berichtet von zuletzt knapp 200 Millionen Euro Gewinn vor Steuern. "Meinen persönlichen Verbrauch ändert das nicht", sagt er lächelnd. "Das Geld wird wieder investiert." Diesen Satz dürfen Wettbewerber als Drohung verstehen.

Müller nennt sogar Namen: Die Allerstedter Käsemeisterei in Wohlmirstedt (Sachsen-Anhalt) werde er demnächst übernehmen. Doch Kai Poelmeyer, Geschäftsführer der Käsemeisterei, dementiert sehr entschlossen, dass ein Verkauf geplant ist. Die Poelmeyer-Gruppe hat 260 Mitarbeiter und machte zuletzt etwa 65 Millionen Euro Umsatz.

Zweifel an seiner Bissigkeit lässt Theo Müller mit alldem nicht aufkommen. Vielmehr wirkt der Mann, dem man seine 75 Jahre nicht ansieht, als wolle er auf der Liste der reichsten Deutschen unbedingt noch von Platz 50 in die Top Ten vorstoßen. Doch Müller hat auch Probleme: Das Joint-Venture mit dem amerikanischen Zuckerbrause-Hersteller Pepsico Inc. bezeichnet er als "unseren wunden Punkt". Die Konzerne gründeten 2012 das Unternehmen "Müller Quaker Dairy". Gemeinsam wollten sie den US-Markt aufmischen. Doch die Becher mit dem Umlaut-Ü bleiben in den Regalen wie ranzige Butter. "Das läuft noch nicht, wir machen Verlust", räumt Müller ein. Man könnte das Joghurt-Werk in Batavia (Bundesstaat New York) verkaufen, sagt er, "aber das wollen wir nicht." Müller, der laut Manager-Magazin als "sturer, jähzorniger und unberechenbarer Vertreter seines Standes gilt", gibt sich kämpferisch: "In den USA leben so viele Menschen, das müsste doch gehen."

Viel besser läuft es in Großbritannien. Dort verleibte sich Müller im November für etwa 100 Millionen Euro die Milch-Sparte des Konkurrenten Dairy Crest ein. Allerdings muss die Kartellbehörde noch zustimmen. Sollte dies der Fall sein, wäre Müller um 4500 Mitarbeiter größer und eine Milliarde Jahresumsatz schwerer- und laut Lebensmittel-Zeitung der größte Milchverarbeiter im Königreich.

Er will weitermachen. Mindestens bis zum 80. Geburtstag

Eigentlich gilt Theo Müller als Geschäftsführer-Fresser, der Manager auswechselt wie andere Praktikanten. Doch seinen neuen Geschäftsführer Ronald Kers lobt er als "außerordentlich erfolgreich". Der 44-Jährige hatte bis 2014 die Müller-Tochter in Großbritannien gemanagt, seit 1. Januar 2015 trägt er die Verantwortung für den Gesamtkonzern. Kers kündigte sogleich an, er werde bis 2020 den Jahresumsatz auf "acht bis zehn Milliarden Euro" schrauben. Da hielt selbst Müller die Luft an. Aber nur kurz: "Ich hätte so eine Ansage ja nicht gewagt." Wegen des Risikos, sich zu blamieren, sagt Müller. "Aber der schafft das."

Bis Ende 2014 führte Müllers Duz-Freund Heiner Kamps die Geschäfte - zusammen mit dem Patriarchen. Dieser redet als Alleingesellschafter und Aufsichtsrat nach wie vor mit. Zum Jahreswechsel wurde Kamps ohne Abkühlungsphase vom Vorstands- zum Aufsichtsrats-Chef befördert. Er bezeichnet die Müller-Gruppe als "fantastisches Unternehmen" und als "schuldenfrei". Probleme mit Müller gebe es nicht. "Wir sagen uns die Meinung und dann passt das", sagt Kamps. Müller seinerseits nutzt seine Rede für ein Lob an Kamps: "Heiner, ich danke dir, mit dir ist es gewaltig vorwärts gegangen."

Dann zählt Müller die Kennzahlen seines Imperiums auf. Eigenkapital 1,7 Milliarden Euro, Rohertrag 1,8 Milliarden, Ebitda 430 Millionen, Gewinn vor Steuern 199 Millionen, Investitionen 192 Millionen. Müller äußert sich auch zu seiner Nachfolge als Alleingesellschafter. Sein Eigentum werde auf seine neun Kinder übergehen, sagt er. Zwei Söhne waren schon als Geschäftsführer tätig. Wie genau er sein Erbe aufteilen will, lässt er offen. Keinen Zweifel lässt er aber daran, dass er die Zehn-Milliarden-Umsatz-Schwelle höchstpersönlich überspringen wird: "Da können Sie mir dann zum Achtzigsten gratulieren." Freiwillig aufgeben, das kennt Theo Müller nicht.

© SZ vom 12.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: