Moral-Debatte:"Stellenabbau ist nicht unmoralisch"

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Die Proteste gegen den beschlossenen Stellenabbau der Großverdiener Allianz und Deutsche Bank halten an, doch die Ethikfonds-Pionierin Elisabeth Höller nimmt die beiden Konzerne in Schutz.

Martin Reim

Auch wenn der jüngste Stellenabbau bei der Allianz landauf, landab als unmoralisch gegeißelt wird - professionelle Ethikfonds-Manager wie Elisabeth Höller wenden sich gegen eine schnelle Verurteilung der Konzerne. "Die Kombination von steigenden Gewinnen und Stellenabbau alleine ist noch nicht unmoralisch", sagt Höller der Süddeutschen Zeitung.

Wehren sich gegen den Stellenabbau: Mitarbeiter der Allianz bei einer Demonstration Ende Juni in Köln. (Foto: Foto: ddp)

Es komme vor allem darauf an, wie die Einsparungen vorgenommen würden: Ob sie beispielsweise sozialverträglich geschehen würden und ob damit Leistungssteigerungen verbunden seien.

Der Finanzkonzern hatte vor kurzem mitgeteilt, dass er 7500 Stellen in Deutschland abbauen will. Gleichzeitig soll der Überschuss im laufenden Jahr erheblich steigen.

Jahrzehntelange Erfahrung

Höller leitet seit 1982 eine von ihr gegründete Vermögensverwaltungsgesellschaft in Zürich, die mittlerweile dem deutsch-schweizerischen Private-Equity-Konzern Fortune Management gehört.

Sie managt unter anderem den Fonds "Prime Value Mix". Der 1995 gegründete Fonds ist ihren Angaben zufolge der erste in Kontinentaleuropa, der nach einem ganzheitlichen ethischen Konzept investiert. Davor sei die Ausrichtung beispielsweise auf ökologische oder soziale Kriterien üblich gewesen.

Allianz gerade noch investmentwürdig

Stellenabbau könne für das Wachstum einer Firma nötig sein, sagt Höller. "Es gibt genügend Konzerne, die eher zu spät als zu früh Personal reduziert haben."

Ein Beispiel sei der amerikanische Autohersteller General Motors, der inzwischen Verluste macht und weltweit Zehntausende entlässt. Höllers Einschätzung zufolge haben auch die deutschen Finanzdienstleister eher zu spät mit dem Sparen begonnen, verglichen etwa mit den schweizerischen Konkurrenten.

Nicht im Portfolio

So sei auch bei der Deutschen Bank die Kombination aus Gewinnsteigerung und Stellenabbau nicht zwingend ein Negativkriterium. Dass der Fonds trotzdem nicht in den deutschen Marktführer investiert, liegt Höller zufolge an der Praxis der Bank, "Kredit für jedes Projekt zu geben, das ihr finanziell vorteilhaft erscheint - ohne Priorität von ethischen Kriterien".

Die Allianz sei nach dieser Bewertung gerade noch investmentwürdig. Allerdings fehle auch hier ein Ethik-Leitbild für die Anlagepolitik; außerdem bemängelt Höller die intransparenten Produkte etwa in der Lebensversicherung.

Ein unabhängiges Komitee besorgt beim "Prime Value Mix" und zwei weiteren Ethikfonds die Auswahl von möglichen Portfoliowerten. Zu den Ausschlusskriterien zählen die Missachtung von Menschenrechten und die Produktion von militärischen Gütern und Nukleartechnik.

Fünfstufige Skala

Anschließend werden die Beziehungen der Unternehmen zu Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten, Investoren, Umwelt und Öffentlichkeit geprüft. Ergebnis ist eine Benotung nach einer fünfstufigen Skala, von "ethisch hochwertig" bis "ethisch nicht vertretbar".

Ganz oben finden sich unter anderem die Dax-Mitglieder Deutsche Post, Deutsche Telekom und Adidas. Auch ganz unten rangieren drei Dax-Mitglieder - neben der Deutschen Bank sind Eon und BASF als Anlagemöglichkeit ausgeschlossen.

Weil manche der Fonds Anleihen kaufen, werden auch Staaten vom Komitee bewertet. So sind amerikanische Anleihen zurzeit tabu, laut Höller vor allem wegen der Todesstrafe und der Weiterentwicklung von Atomwaffen. Problematisch sei auch, dass die USA gegen den Irak einen Angriffskrieg führten.

"Ethik tut nicht weh"

Harte Ausschlusskriterien würden eine gute Rendite nicht ausschließen, sagt die Fondsmanagerin: "Ethik tut nicht weh." "Die Ansprüche der Öffentlichkeit an Unternehmen, verantwortungsvoll zu handeln, werden weiter zunehmen."

Nach Ansicht von Höller werden normale Fonds Nachhaltigkeitskriterien übernehmen. "Möglicherweise werden in einigen Jahren die Unterschiede zwischen beiden Gruppen verwischen."

© SZ vom 11.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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