Möbelmesse:Großes Probewohnen

Lesezeit: 3 min

Weniger ist mehr: Der Minimalismus hält Einzug in die Wohnungen der Bundesbürger. (Foto: PR)

Auf der IMM in Köln stellen die Hersteller die Trends für 2018 vor: Gefragt sind verstärkt natürliche Materialien - und Klassiker wie der Nierentisch, die neu entdeckt werden.

Von Valentin Dornis, Köln

Etwas karg sieht die Ecke aus, drei Holzstühle stehen um einen einfachen weißen Tisch herum und vermögen den Platz kaum auszufüllen. Doch gleich nebenan wird es deutlich opulenter, zwischen den großen Blättern zahlreicher Topfpflanzen verschwindet beinahe ein mintgrüner Hocker. Und noch weiter hinten im Raum erinnert eine schwarze Ledercouch auf einem rot-bunten Teppich Betrachter daran, welche Wucht moderne Designermöbel annehmen können. Gewaltiger ist nur noch der Kölner Dom, der durch das Fenster dahinter gut zu sehen ist. Die Möbel stehen im 13. Stock des Messehochhauses und sollen einen Eindruck davon vermitteln, was es von diesem Montag an auf der Möbelmesse IMM Cologne zu sehen gibt.

Die Möbelbranche nutzt die Messe im Januar gerne als Auftakt für das neue Geschäftsjahr, um neue Wohntrends vorzustellen. Bei den Geschäftszahlen herrscht dieses Mal eher verhaltene Freude, an das starke Wachstum der Vorjahre konnten Industrie und Händler nicht anknüpfen. Außerdem beunruhigen die Insolvenz des Küchenherstellers Alno und die Turbulenzen bei der Steinhoff-Gruppe, zu der unter anderem die Poco-Märkte gehören, die Branche. Wer im Winter eine Küche kaufte, könnte das zu spüren bekommen haben: Alno stellte Ende des Jahres vorerst die Produktion ein. Für die Händler hieß das: Sie mussten entweder Ersatz leisten oder ihre Kunden um Geduld bitten. Weil ein Küchenverkauf in der Regel erst mit der Auslieferung vollzogen ist, landeten viele Verkäufe nicht mehr 2017 in den Büchern, die Händler mussten also auf dem Papier auf Umsatz verzichten. Zudem hatten sie Schwierigkeiten, die Kunden in die Möbelhäuser und Küchenstudios zu locken. Thomas Grothkopp, Geschäftsführer des Handelsverbandes Möbel und Küchen (BVDM), spricht von einem regelrechten "Kampf um die Frequenz". Auch von der guten Konjunktur habe die Branche nicht profitieren können: "In viel beschäftigten Volkswirtschaften bleibt weniger Zeit zum Einkaufen." Auf den insgesamt 23 Millionen Quadratmetern Verkaufsfläche war also nicht so viel los, wie erhofft. Das ist auch deshalb ein Problem, weil die Händler weiter voll auf das Vor-Ort-Geschäft und kaum auf den Onlinehandel setzen. Gerade einmal acht Prozent des Gesamtumsatzes machte das Geschäft im Internet 2017 aus. Insgesamt setzte die Branche etwa 33,6 Milliarden Euro um, schätzt der BVDM, ein Plus von 0,5 Prozent. Für 2018 rechnen die Händler mit einer leicht steigenden Nachfrage.

Und wonach werden die Kunden dann suchen? Die Aussteller auf der Kölner Möbelmesse versuchen, die Trends vorauszusehen - und sie mit ihren Entwürfen auch zu beeinflussen. Viele Menschen zieht es in die Stadt, oft alleine in kleine Wohnungen. Und haben sie sich dort niedergelassen, sehnen sie sich inmitten von Straßenlärm und Betonfassaden nach der Natur. Vor allem natürliche Materialien und organische Formen dürften deshalb gefragt sein, prognostiziert BVDM-Trendexpertin Ursula Geismann. Grobe Stoffe, Kork, Echtholz, Naturstein und Oliv als bestimmende Farbe. Zugleich soll der Minimalismus wieder Einzug in die deutschen Wohnzimmer erhalten, mit wenigen, multifunktionalen Möbeln. Wem die ganzen freien Wände aber zu bedrückend erscheinen, dem rät Geismann: "Sie können auch die Möbel Ihrer Großeltern behalten." Das Stichwort lautet: Retro, Klassiker wie der Nierentisch oder der Eames-Chair gehören dazu. Und wer es ganz ausgefallen mag (und es sich leisten kann), kann moderne Designermöbel mit Ethno-Mustern und Fundstücken aus dem Antiquariat kombinieren. Das lässt sich dann staunenden Freunden bei der nächsten Dinnerparty als "Boho-Stil" präsentieren, einer Mischung aus Bohème und Hippie. Allerdings bleibe das wohl auch 2018 "eher eine Nischenentwicklung", sagt Geismann.

Auch wer seine Möbel hierzulande kauft, bekommt mit großer Wahrscheinlichkeit Ware aus dem Ausland. 2017 kamen nach Angaben des Verbands der deutschen Möbelindustrie (VDM) nur etwa 35 Prozent der hier verkauften Möbel aus Deutschland. Zu den größten Importeuren zählen demnach Polen, China und Tschechien.

Der Gesamtumsatz der deutschen Hersteller stagnierte den Verbandsprognosen zufolge bei knapp unter 18 Milliarden Euro. Die Unternehmen versuchen derweil, die mangelnde Inlandsnachfrage mit Exporten auszugleichen: Die Ausfuhrquote erreichte 2017 einen neuen Rekordwert, etwa ein Drittel ihrer Produktion verschickte die deutsche Möbelindustrie ins Ausland. Dieses Potenzial müssten die Hersteller in Zukunft "noch stärker ausschöpfen", sagt VDM-Geschäftsführer Volker Faßbender.

Ob deutsche, europäische oder Möbel von ganz woanders: Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit steht das eine oder andere aktuelle Exemplar in diesen Tagen in den Kölner Messehallen. Nachdem in den kommenden Tagen zunächst das Fachpublikum die Ausstellungsstücke der mehr als 1200 Firmen begutachtet hat, dürfen am kommenden Wochenende auch Privatkunden die Messe besuchen - und können für das neue Wohnzimmer im "Boho-Stil" schon mal auf dem Designersofa probesitzen.

© SZ vom 15.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: