Modewoche:Paris, mon amour

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Die Modemetropole ist ein idealer Schauplatz für Geschäfte mit dem Luxus. Auch die Fachmessen profitieren von den zahlreichen Defilees und Präsentationen, die ein internationales Publikum anziehen.

Von Katharina Wetzel

In Paris ticken die Uhren schneller als sonstwo in Frankreich. Das mag auch daran liegen, dass sich hier alles konzentriert. Spricht man während der Prêt-à-porter-Schauen Anfang März mit Vertretern großer Häuser über wichtige Luxusmärkte, so kommt schnell zur Sprache, dass Deutschland weit hinter Frankreich und Italien rangiert. Die mittelständisch geprägte deutsche Wirtschaft kann im Modebereich keine Weltmarken wie Chanel und Dior oder Armani aufweisen. Hier konkurrieren nicht zwei Konzerne vom Kaliber Kering und LVMH, die viele Luxusfirmen unter ihrem Dach vereinen, Nachwuchspreise ausloben und jede Saison Unsummen für Defilees ausgeben, die nicht länger als ein paar Minuten dauern.

"Für die jungen Designer und Künstler wünschte man sich manchmal mehr Förderung im Bereich Kunst, Kultur und Mode. Vielleicht kann Macron sie das nächste Mal auch in den Élysée-Palast einladen", hofft die deutsche Modeexpertin Mirjam Dietz und spielt auf das Dinner an, bei dem der französische Präsident Emmanuel Macron und seine Frau Brigitte bekannte Designer umwarben. Angela Merkel besucht lieber die Handwerksmesse. Deutschland tut sich mit Glamour und Luxus eben schwerer. Mais oui.

Während ausländische Investoren es eher auf deutsche Maschinenbauer abgesehen haben, erwecken sie in Paris untergegangene Couture-Marken wie Poiret zu neuem Leben. Die neue Website Martha Louisa für Designerschuhe lancieren Susanne und Christoph Botschen lieber im Hotel Crillon mit Blick auf die Place de la Concorde als in Fußnähe zu ihrer früheren Münchner Boutique Theresa. Selbst die Münchner Designer der Marke Talbot Runhof zeigen ihr Defilee in Paris. Wenn sie auch nicht auf dem offiziellen Kalender stehen, ist ihnen hier der große Auftritt vor internationalem Publikum garantiert.

Auch die Pariser Messe Tranoï profitiert von dem Sog der großen Schauen, die wichtige Modeleute anzieht. "An die Internationalität von Paris kommen die deutschen Standorte nicht heran", sagt Dietz, die früher in der Geschäftsleitung der Düsseldorfer Igedo Company war und nun für die Münchner Supreme Group arbeitet. Dietz ist immer wieder in Paris. Das ganze Jahr ist die Expertin auf Veranstaltungen rund um den Globus unterwegs. Sie kennt die Modemacher, große und kleine Labels ebenso wie die Chancen und Nöte der Händler. Doch welche Zukunft haben Messen im Instagram-Zeitalter? Und welche Bedeutung haben sie in Berlin, München und Düsseldorf, die weitaus weniger im Fokus stehen als eine Pariser Modewoche?

"Die Gesetzmäßigkeiten sind komplett außer Kraft gesetzt", sagt Dietz. Viele kleine Einzelhändler, Multilabelstores im Damenoberbekleidungsbereich, DOB wie es im Fachjargon heißt, sind verschwunden oder kämpfen ums Überleben, Verbraucher vergleichen Produkte im Internet und sind teils besser und schneller informiert als alteingesessene Modehändler. Das spiegelt sich auch auf Fachmessen wieder, wo sich immer weniger Einzelhändler tummeln. Für die Veranstalter wird die richtige Ausrichtung und Kundenansprache wichtiger, so Dietz: "Es geht alles über die Emotion und eine sehr enge Kundenbindung. Die Chemie muss stimmen." Labels überlegten genau, ob sie 500 000 Euro und mehr pro Saison für die Messepräsentation ausgeben oder sich die teuren Aufbauten lieber sparen und in neue Kanäle oder eigene Läden investieren. "Ohne klare Ausrichtung haben Messen ein Problem."

In München konnte die Supreme Women & Men in der Taunusstraße in den vergangenen Saisons weitere Kunden gewinnen. Insgesamt sei die Nachfrage um etwa 20 Prozent gestiegen. Für Agenturen, die eine besondere Exklusivität suchten, ist das zweite Obergeschoss geöffnet worden. Dabei ist Veränderung eigentlich ein Wesensmerkmal der Branche. Modeeinkäufer müssen sich fast jede Saison aufs Neue darauf einstellen, dass Firma X nicht mehr bei Agentur Y in Location Z vertrieben wird. Das ist so ähnlich, wie wenn ein Supermarkt die Waren ständig neu anordnet und die Milch plötzlich woanders steht.

Einfach gemacht hat es die Branche dem Handel noch nie. So fanden die Supreme und die Premium in der Zenithhalle in München in der Vergangenheit nicht immer Termine zur selben Zeit. Allen kostete das während der Modewoche Orderaufträge - auch den Modespezialisten, die im Priscohaus am Prinzregentenplatz, in Hotels und Showrooms quer über die Stadt verteilt sind. Auch in Düsseldorf, Berlin und Paris sind Labels über viele Orte verstreut.

Nur wenige Händler finden in Paris daher noch Zeit für die Defilees. Längst sitzen in den ersten Reihen sowieso mehr Blogger und Instagram-Girls - insbesondere auch aus Asien - neben Mode-Redakteurinnen und großen Einkäufern von Shoppingplattformen, die Millionen investieren. Sie zücken ihr Handy, laden Bilder und Videos direkt vom Laufsteg auf ihre Instagramprofile. Klicks sind heute die neue Währung im Kampf um Follower und Marktanteile.

Ob lange Patchwork- und Volantkleider des italienischen Designers Giambattista Valli, spacige Oversize-Jacken der chinesischen Designerin Masha Ma, langer Cashmere-Grobstrick beim Schweizer Label Akris oder Netzeinsätze bei Poiret, ob Strickhosen unterm Chiffonkleid wie bei John Galliano oder flauschige weiße Rippwollsocken, die bei Miu Miu aus pinkfarbenen Stilettos herausblitzen: Selten hat man so viel Kreatives oder Gelungenes gesehen. Ein modisches Feuerwerk, das auch per Livestream im Internet übertragen wird. Doch sind Endverbraucher angetan, wollen sie nicht warten, bis die Ware im Laden hängt. Eine Herausforderung für die Branche. Umtriebige Händler suchen bereits Labels, die nicht überall im Internet sind und möglicherweise früh im Ausverkauf landen. Eine Chance für Messen. "In der Nische liegt die Zukunft", meint Dietz.

Mitunter müssen Messen mit ihren Kunden auch mit umziehen. "Die Tranoïmesse hat die Tranoïweek im Marais-Viertel installiert, da sich bereits viele Modelabels dort in Galerien angesiedelt haben", berichtet Dietz. Die Quadratmeterpreise der Tranoï in der Bourse oder im Carrousel du Louvre liegen um ein Vielfaches höher als in Berlin, Düsseldorf oder München.

Fast 80 Schauen stehen auf dem offiziellen Pariser Kalender. Am Ende ist auch der Fahrer im Pressebus, der Journalisten zu allen Locations chauffiert, erleichtert. "Mon amour", sagt er zu einer Mode-Journalistin, die ihm zum Abschied zwei Küsschen gibt. Bis zum nächsten Mal. Mit Louis Vuitton steht nur noch eine große Schau an. Designer Nicolas Ghesquière zeigt im Cour Lefuel, im Innenhof des Louvre. Die Sitze sind angeordnet wie in einem griechischen überdachten Amphitheater, in der ersten Reihe sitzen Jean Paul Gaultier und Catherine Deneuve. Die Schweinwerfer sorgen für ein weiches Licht in der bereits dunklen mystischen Kulisse, dazu läuft Musik von Woodkid. Der französische Musiker hat Grace Jones' "I've seen that face before" eigens für die Show neu interpretiert. Models laufen schnell getaktet den Treppenaufgang hinab, vorbei an Hunde-und Wolfsskulpturen. Passend zu einer Liedzeile, fängt es auch noch zu regnen an - als wäre es geplant. Ein kurzer Zauber. Dann stürmen Vogue-Redakteurinnen backstage. Auch der LVMH-Chef Bernard Arnault ist dort sichtlich zufrieden. Am Ausgang bringen derweil hübsche, junge Männer in schwarzen Anzügen schon einen Nachschub an Schirmen, unter denen die Gäste ins nächtliche Paris eilen.

© SZ vom 20.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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