Mobilität:Route geändert

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Die Firma Mobileye baut Kameras und Chips, mit denen autonomes Fahren erst möglich wird. Jetzt kauft der US-Konzern Intel die kleine israelische Firma für 15 Milliarden Dollar.

Von Caspar Busse, Thomas Fromm und Helmut Martin-Jung, München

In Garching nördlich von München haben sie an einem heißen Julitag im vergangenen Jahr eine Revolution ausgerufen. Damals stand Amnon Shashua, der Gründer der israelischen Hightech-Firma Mobileye, zusammen mit Brian Krzanich und Harald Krüger, den Vorstandschefs von Intel und BMW, auf der Bühne neben einem bronzefarbenen BMW-Sportwagen. Das Trio verkündete große Pläne: Bis 2021 wolle man das autonome Fahren in München zur Serienreife bringen. Und es solle ein Standard geschaffen werden, an dem sich andere Autobauer orientieren. Mit anderen Worten: Intel und Mobileye, die beiden Technologie-Unternehmen, sollten BMW helfen, die Konkurrenz auf Abstand zu halten.

Intel, der größte Halbleiterproduzent der Welt, und Mobileye, einer der führenden Hersteller von Software und Kameras für autonomes Fahren, sind sich seit damals nähergekommen, sehr nah sogar. An diesem Montag verkündete Intel-Chef Krzanich die Übernahme des Unternehmens aus Jerusalem, das nur gut 700 Mitarbeiter hat. Die Amerikaner zahlen 15 Milliarden Dollar, fast 50 Prozent über dem aktuellen Börsenwert. Es ist das größte Geschäft in der Geschichte der israelischen High-Tech-Branche.

Selbstfahrende Autos verarbeiten jeden Tag riesige Datenmengen

Womöglich wäre es auch eine Nummer kleiner gegangen, aber in der Branche gelten die Israelis als die Nummer eins. Erst vor einigen Wochen sagte BMW-Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich auf die Frage nach Mobileye: "Amnon Shashua ist mit seiner Forschung für die Firma entscheidend. Wenn Mobileye nicht im Markt wäre, dann wäre die Entwicklung von selbstfahrenden Autos erheblich schwieriger." Deshalb also die Milliarden.

Shashua hatte Mobileye 1999 gegründet, 2014 dann brachte der Professor die Firma an die New Yorker Technologiebörse Nasdaq. Die Firma entwickelt Technologie für sicheres und autonomes Fahren, etwa Kamera- und Sensorsysteme sowie spezielle Chips, die schon jetzt für Spurhalter-Assistenzsysteme oder Abstandwarner in Fahrzeugen eingesetzt wird. Die Kameras erfassen die Umgebung und mögliche Gefahren auf der Straße, die Halbleiter steuern die Elektronik, das Auto stoppt automatisch, um Unfälle zu vermeiden. Die Firma arbeitet unter anderem mit VW, BMW und Volvo zusammen; mehr als 15 Millionen Fahrzeuge weltweit nutzen nach Angaben von Mobileye mittlerweile die Technologie. Die Kooperation mit dem Elektroautobauer Tesla wurde nach einem tödlichen Unfall mit einem Fahrzeug im vergangenen Jahr beendet - die Mobileye-Leute befürchteten einen Imageschaden.

Kurzfristige Erfolge sind Shashuas Sache nicht - ihm sind langfristige Planungen lieber. So wie jetzt mit dem Chipanbieter: Intel will mit der Übernahme von Mobileye vor allem seine Position beim autonomen Fahren stärken und sich damit einen wichtigen Wachstumsmarkt erschließen. Die Datenmengen, die autonom fahrende Fahrzeuge verarbeiten müssen, sind enorm.

Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 4000 Gigabyte pro Tag notwendig sind, wenn ein Auto selbständig fährt. Da sieht Intel eine Chance. "Unser Ziel ist es, zum führenden Team beim autonomen Fahren zu werden", betont Krzanich. Auch andere US-Konzerne wie Google und Apple arbeiten genauso wie die großen Autohersteller an Projekten zum autonomen Fahren und hoffen auf das große Geschäft. Der US-Konzern ist bislang traditionell in der Büro- und Unterhaltungselektronik stark. Weil die Nachfrage nach PC-Prozessoren aber seit Jahren sinkt, und Intel den Wachstumsmarkt der Smartphones und Tablets verschlafen hat, sucht der Chiphersteller nun nach neuen Zukunftsfeldern. Intel hat mit "Real Sense" bereits eine Kameratechnologie im Angebot, die Dinge beherrscht wie Tiefenerfassung, 3-D-Bildverarbeitung und die Vermessung von Räumen.

Jetzt geht es an die lukrative Autoindustrie. Intels Kassen sind voll für solche Aktionen. Der Kaufbetrag werde in bar aus Intels Geldreserven außerhalb der USA bezahlt, sagt Krzanich. Das Unternehmen hat zuletzt auch den Drohnenhersteller Ascending Technologies aus Krailling bei München erworben und sich an dem chinesischen Drohnenhersteller Yuneec beteiligt. Dabei geht es sowohl um die Kameras als auch um Chips und Sensoren etwa für Wärmebilder. Auch in einigen der Drohnen werden Real-Sense-Kameras verbaut, um zum Beispiel Kollisionen mit Gegenständen zu vermeiden.

Mobileye solle israelisch bleiben, hieß es am Montag. Die Automobil-Sparte von Intel werde im Zuge des Kaufs unter das Dach von Mobileye kommen. Das neu geformte Unternehmen werde von den beiden israelischen Gründern Amnon Shashua und Ziv Aviram weitergeführt. Intel werde nicht das Management auswechseln, hieß es in einem Brief an die Mobileye-Mitarbeiter. Aber man könne viel von der Kultur, Erfahrung und dem Wissen von Intel profitieren. "Wir wollten immer die Welt ändern, jetzt haben wir die besten Bedingungen dazu", teilte Shashua mit, der auch eine Schwesterfirma gegründet hat, die mithilfe von Mikrokameras Menschen mit Sehbehinderung helfen will.

Mobileye spielt das große Spiel, aber groß wollte die Firma selbst nie werden. Shashua kündigte vor einigen Wochen in München an, er könne sich noch 300 oder 400 Menschen mehr bei seinem Unternehmen vorstellen, mehr aber auch nicht. "Wir wollen kein zweites Facebook werden. Wir sind klein, aber sehr pfiffig."

Jetzt ist die kleine und pfiffige Firma Teil eines Riesenkonzerns.

© SZ vom 14.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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