Mittwochsporträt:Es geht ums Prinzip

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Die Firma von Bruno Steiner hält das Patent für ein sicheres Tan-Verfahren bei Überweisungen im Onlinebanking. Doch die Banken wollen nicht zahlen.

Von Nils Wischmeyer

Am liebsten würde er Fische fangen in Kroatien, endlich ein bisschen runterkommen, durchatmen. Doch für das Fischen hat Bruno Steiner schon lange keine Zeit mehr, vielleicht mal zwischendurch, aber eigentlich muss er Gerichtsakten wälzen, Gutachten durcharbeiten und Schreiben aufsetzen. Denn Bruno Steiner darf keinen Fehler machen, keinen einzigen. Jeden Gerichtsprozess muss er gewinnen, der 58-Jährige aus Österreich hat gar keine andere Wahl. Seine Geschichte ist die eines Mannes, der immer wieder dachte, dass er am Ziel angekommen ist - und doch nie dort ankam.

Es ist heiß in Linz, und Bruno Steiner blinzelt heftig, als die Sonne um die Häuserecke kriecht und ihm ins Gesicht strahlt. Er ist aus Steyr angereist, jetzt sitzt er in einem italienischen Restaurant. Den Weg vom Bahnhof hat er sich auf Papier ausgedruckt. Trotz der Hitze trägt er einen Anzug, darunter ein kurzärmliges Hemd, eine modische Brille. Er kaut seinen Salat und spricht gleichzeitig drauflos: "Ich wollte ja nie Millionär werden", sagt er. "Ich wollte nur einen fairen Lohn." Aber die Kosten für die Prozesse, die Anwälte, die Gutachter - über die Jahre wurde alles so teuer, dass er heute Millionen von den Banken verlangen will, nein, verlangen muss.

Zwischen Gerichtssälen fühlt sich Bruno Steiner beinahe schon heimisch (Foto: Privat)

Seine Firma hält das Patent auf ein Zwei-Wege-Autorisierungsverfahren mit einer Tan und einem Zusatzcode, ein Verfahren, das die meisten Menschen aus dem Onlinebanking kennen ( siehe Kasten). In ganz Europa, sagt Steiner, nutzen es Millionen Bankkunden. Eigentlich müsste er dank der Lizenzgebühr mehr als komfortabel leben können, stattdessen sitzt er in Gerichtssälen. Denn die Banken wollen sein Patent nicht anerkennen. Gegen die Institute in Österreich hat er jahrelang geklagt, jeden Prozess gewonnen und doch kaum Geld gesehen, am Ende nur einen schlechten Vergleich geschlossen, wie er sagt. Nun will er in Deutschland seinen Lohn für 16 Jahre Arbeit holen.

Im Dezember 2014 schrieb er deshalb an die Stadtsparkasse Düsseldorf, die Sparda-Bank West und den Rheinischen Sparkassen- und Giroverband. Die Antwort der drei war die gleiche, die Steiner seit Jahren bekommt: Wir sehen keine Patentverletzung, wir zahlen nichts. Ans Aufgeben dachte er aber nicht, im Gegenteil: 2015 reichte er Klage gegen die Sparda-Bank West ein, stellvertretend für alle deutsche Banken.

Das Projekt ist für ihn längst zum Lebensinhalt geworden

Einen ersten Teilerfolg hat er seither errungen. Das Landgericht in Düsseldorf hat es dem Institut im Januar 2017 verboten, weiterhin das Verfahren der Tele Tan einzusetzen, die Bank muss Schadenersatz zahlen. Für Steiner ein Sieg, doch feiern kann er ihn mal wieder nicht. Die Bank hat Revision eingelegt, das Oberlandesgericht in Düsseldorf soll entscheiden. Für Steiner bedeutet das mal wieder warten. Parallel zum zivilrechtlichen Verfahren klagte die Bank zudem auf Nichtigkeit des Patents vor dem deutschen Patentamt, verlor 2017 und ging auch da in die Revision. Mit Verweis auf die laufenden Verfahren möchte sie sich auf Anfrage nicht äußern.

Bekommt die Sparda-Bank vor dem Patentgericht recht, verliert Steiner seinen möglichen Anspruch auf Lizenzgebühren in Deutschland. Für ihn geht es um alles oder nichts. Die Richter, sie könnten seine Firma mit ihrem Urteil vernichten.

Einen einzelnen Fall in der ersten Instanz zu führen, koste zurzeit 250 000 Euro, rechnet der Österreicher vor. "Man muss erst das System einer Bank bauen, um zu zeigen, wie es funktioniert, und nachweisen, dass eine Verletzung des Patents vorliegt." Hinzu kommen Anwalts- und Gutachterkosten. Um all das überhaupt noch stemmen zu können, hat sich Steiner Verstärkung geholt. Mehrere Investoren finanzieren inzwischen die laufenden Kosten und werden am Gewinn beteiligt, sollten eines Tages Lizenzgebühren fließen. Für Steiner war die Rechnung einfach: "Besser ein wenig von etwas als alles von nichts. Es geht mittlerweile mehr ums Prinzip."

Kurz nach der Jahrtausendwende sah das noch anders aus. Damals lernte Bruno Steiner den Erfinder des Verfahrens, Werner Losekamm, kennen. Dieser hatte auf europäischer Ebene das Patent EP 1259046 beantragt, das ein Zwei-Wege-Autorisierungsverfahren mit einem Code und einem Zusatzcode beschreibt. Oder wie Steiner erklärt: die sichere Variante der SMS-Tan oder mTan. Das Europäische Patentamt ließ es als erfinderische Leistung zu.

Steiner, der zuvor als Selbstständiger Computer und Server an Firmen verkauft hatte, gründete im Jahr 2002 zusammen mit Losekamm die Itsoft GmbH, die später in die Tele Tan überging. Anfangs lief das Unternehmen gut, sie boten verschiedene IT-Lösungen an, beschäftigten 15 Mitarbeiter. Heute ist davon nichts mehr übrig. Losekamm ist ausgestiegen und bekommt, sollte irgendwann einmal Geld fließen, einen Anteil über einen Lizenzvertrag. Steiner ist allein zurückgeblieben.

2003 gingen beide noch zusammen auf Vermarktungstour bei den Banken in Österreich. Durch die Umstellung auf das sichere SMS-Tan-Verfahren würden die Finanzinstitute etwa fünf Euro pro Jahr und Kunden sparen, rechneten Steiner und Losekamm damals vor. Von diesen Einsparungen hätten sie gerne einen Euro gehabt und waren zuversichtlich, dass es bald einen Deal geben werde. Das ist nun 15 Jahre und etliche Gerichtstermine her.

Der Gerichtsmarathon für die beiden begann im Jahr 2006. Nach längerer Verhandlung mit der Ersten Bank in Österreich zweifelte diese das Patent an und legte Einspruch beim Europäischen Patentamt ein. Sie verlor den Prozess, es folgte eine Revision, und wieder triumphierte Tele Tan. Doch der Triumph war teuer erkauft. Sechs Jahre hatten Steiner und Losekamm durch das Verfahren verloren. "Uns waren von 2006 bis 2012 durch das laufende Einspruchsverfahren die Hände gebunden, und wir konnten keine Lizenzverhandlungen führen", sagt Steiner.

Das Projekt ist längst sein Lebensinhalt. Oft arbeitet er Tag und Nacht. Über die Jahre ist aus dem zurückhaltenden Familienvater ein unruhiger Mann geworden, einer, der nichts auf sich beruhen lassen kann. Wie oft ihn seine Frau gebeten habe, aufzuhören? Oft, sagt er, sehr oft sogar. Heute aber befeuere sie seinen Einsatz. "Jetzt zeigen wir es ihnen", sage sie. Er habe sie wahrscheinlich ein bisschen angesteckt, sagt er.

Sein Fokus liegt jetzt auf Deutschland. Die Verfahren dort sind für ihn am wichtigsten

Nach dem Erfolg vor dem Patentgericht 2012 kam der nächste Rückschlag: Geld wollte noch immer keine Bank zahlen, laufende Gebühren sowieso nicht. Es begann ein Verhandlungsmarathon, und Steiner bekam ein Problem: Sein Erspartes ging zur Neige. Den Vergleich, den die Banken in Österreich ihm unterbreiteten, musste er annehmen. Doch so billig, sagt er, werde er sich nicht wieder abspeisen lassen, das sollte den deutschen Banken klar sein. Mit den Finanzinvestoren im Rücken habe er ja nun eine finanzielle Absicherung.

In Linz ist Steiner bei einem Tiramisu und mit seiner Geschichte im Jahr 2018 angelangt. Sein Unverständnis dafür, dass die Banken nicht zahlen wollen, klingt durch. Haben die Institute etwas gegen ihn? Was hat er ihnen getan? Nach jeder Frage zieht er die Schultern nach oben und überlegt kurz. Er hat keine Antwort.

Ein Prozess ist noch offen in Österreich. Die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich weigerte sich, dem Vergleich der Institute beizutreten. Gegen sie klagt Steiner seit 2014. Sie sagt, ihre Lösung sei "technisch nicht vergleichbar". Eine Entscheidung des Handelsgerichts in Wien wird für kommenden Herbst erwartet.

Das Hauptaugenmerk Steiners liegt aber mittlerweile auf Deutschland. Die Prozesse gegen die Düsseldorfer Sparda-Bank West - vor dem Gericht in Düsseldorf und dem Bundespatentgericht - sollen endlich der Anfang eines Endes sein. Gewinnt Steiner, will er das nächste Banksystem nachbauen, die nächste Klage einreichen, seinen Anteil kassieren.

Für die Banken wäre es wohl einfacher und günstiger gewesen, ihn einfach zu bezahlen, sagt er so überzeugt, als würde er argumentieren, dass Wasser nass ist. Was er nicht sagt: Für ihn wäre es auch einfacher gewesen - und vor allen Dingen sicherer. Denn wenn er gewinnt, geht es zwar weiter. Dann folgt die nächste Bank, die nächste Klage, womöglich endlich eine Lizenzgebühr. Doch wenn er verliert, das Patent womöglich als nichtig erklärt wird, dann bleibt ihm nicht viel. Dann hat er 16 Jahre umsonst gearbeitet, geklagt, geackert. Dann muss er sich etwas Neues überlegen. Immerhin, sagt Steiner, hätte er dann wieder mehr Zeit zum Fischen.

© SZ vom 18.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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