Mittwochsporträt:Der Mann des Vertrauens

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Als Trainee kam er 1985 zur Munich Re, seit 2003 steht er an der Spitze: Nikolaus von Bomhard gehört zu den Dax-Chefs, die am längsten im Amt sind. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Nikolaus von Bomhard, der Chef des weltgrößten Rückversicherers, wird sich in den Ruhestand verabschieden. Er hinterlässt einen Konzern, der stark wirkt, doch es gibt auch Schwachstellen.

Von Herbert Fromme

Nur noch etwas über ein Jahr an der Spitze des weltgrößten Rückversicherers Munich Re. Dann will Konzernchef Nikolaus von Bomhard, 59, in den Ruhestand gehen. Die auch intellektuell unangefochtene Nummer eins der deutschen Versicherungswirtschaft, gleichermaßen von Kanzlerin Angela Merkel und seinen Konkurrenten in den USA oder London geschätzt, hört auf. Bomhard ist eine Institution, die Überraschung bei Mitarbeitern und Kollegen ist groß. Dabei hat der stets betont unaufgeregt und vornehm auftretende Adelige den Schritt eigentlich schon lange angekündigt. 2008, also vor acht Jahren, sagte er in einem Interview: "Normalerweise ist 60 ein gutes Alter, um aufzuhören." Am 28. Juli diesen Jahres wird er 60. Mit der Hauptversammlung am 26. April 2017 ist dann Schluss.

Der drahtige Mann mit der schmalen Brille, der gern morgens durch den Englischen Garten in die Zentrale der Munich Re in Schwabing radelt, führt das Unternehmen seit 2004. Er übergibt seinem Nachfolger Joachim Wenning einen Konzern, der jedenfalls auf den ersten Blick gut dasteht. Seit Jahren liefert er hohe Gewinne, die Aktionäre können sich über exzellente Dividenden freuen.

Nur auf den zweiten Blick fallen auch die Baustellen auf, die Bomhard hinterlässt. Dazu gehört die schwächelnde Tochtergesellschaft Ergo, der Erstversicherer aus Düsseldorf. Außerdem muss der Konzern, der wie kaum ein anderer für Tradition und Pflichtbewusstsein steht, in die neue digitale Zeit geführt werden. Hier hat Bomhard vorgelegt, abgeschlossen ist die Aufgabe noch lange nicht.

Bomhard ist Jurist: geboren in Gunzenhausen, aufgewachsen in München, Abitur am berühmten Maximilians-Gymnasium, Studium in München, Promotion in Regensburg. Seine Frau ist US-Amerikanerin, kennengelernt haben sich die beiden in München. Ein Provinzler ist der Vater zweier Töchter ganz und gar nicht, im Gegenteil: Im Gespräch ist er freundlich und weltgewandt. Pointiert äußerte er sich auch zu allgemeinen Themen, den geldpolitischen Kurs von Mario Draghi und der Europäischen Zentralbank kritisierte er immer wieder scharf.

Er hat sein gesamtes Berufsleben bei der Munich Re verbracht. Seit 1985 durchlief Bomhard Fachabteilungen, wurde Vorstandsassistent, ging nach Brasilien, wo er ein Kontaktbüro des Rückversicherers aufbaute, 2000 folgte die Berufung in den Vorstand. Als Vorstandschef Hans-Jürgen Schinzler Ende 2003 in Pension ging und Bomhard zu seinem Nachfolger ernannt wurde, kannte ihn in der Öffentlichkeit kaum jemand, im Unternehmen konnte er sich aber über breite Unterstützung freuen. Bomhard galt und gilt als echter Rückversicherer, nicht als Controller.

Eine seiner Hauptaufgaben bestand damals darin, das Vertrauen der Kapitalmärkte wieder zu gewinnen. Denn das Unternehmen war schwer getroffen durch den Niedergang der Aktienmärkte, das Engagement bei der kriselnden Hypo-Vereinsbank und die Übernahme von Haftpflichtrisiken zu schlechten Preisen von 1997 bis 2001. Wie eine ganze Reihe großer Gesellschaften hatte sich der Konzern schlicht verzockt, vor allem in den USA. Im August 2003 passierte dann das Undenkbare: Die Ratingagentur Standard & Poor's entzog dem Rückversicherer das wichtige Rating von "AA" und senkte die Bewertung auf "A". Ein Tiefschlag: Schließlich leben Rückversicherer davon, dass sie andere Versicherer gegen Größtschäden - und damit das Pleiterisiko - absichern. Aber nur ein finanzstarker Rückversicherer ist aus Sicht seiner Kunden ein guter Rückversicherer.

Die Lektion haben Munich Re und Bomhard gelernt und seither alles getan, um Investoren, Analysten und Ratingagenturen bei Laune zu halten. Hohe Dividenden, Aktienrückkäufe, Verzicht auf abenteuerliche Zukäufe. Inzwischen hat in einem ganz anderen Marktumfeld das Unternehmen wieder eine respektable Bewertung von "AA-" bei S & P.

Dennoch: Der Nachfolger wird keinen leichten Job übernehmen. Da ist einmal die Problemtochter Ergo. Der Düsseldorfer Versicherer leidet unter sinkenden Marktanteilen, einer völlig veralteten IT-Struktur, zu hohen Kosten und schwergängigen Produkten in der wichtigen Lebensversicherung. Dazu kommen Skandale wie die Sexreise von Vertretern nach Budapest, die in der öffentlichen Wahrnehmung der Gesellschaft auch nach fünf Jahren noch präsent sind. Seit fast 20 Jahren doktern jetzt Munich-Re-Vorstände ohne Erfolg an der Ergo herum. Im September 2015 holte Bomhard Markus Rieß, den Ex-Deutschlandchef der Allianz. Er soll Ergo wieder flottmachen, eine fast unlösbare Aufgabe.

In zwei Jahren will er nach der Abkühlphase in den Aufsichtsrat

Dazu kommen Probleme im Kerngeschäft Rückversicherung. Die niedrigen Zinsen sorgen dafür, dass Milliarden an branchenfremdem Kapital von Pensions- und Hedgefonds in den Markt strömen. Die Versicherer, die Kunden der Munich Re, sitzen auf viel Kapital und brauchen weniger Rückversicherungsschutz. Zusammen sorgt das dafür sinkende Preise und eine Fusionswelle unter kleineren und mittelgroßen Gesellschaften.

Für die Munich Re, noch immer der größte Rückversicherer der Welt, ist das keine einfache Situation. Ein wirkliches Erfolgsrezept hat sie noch nicht gefunden. Bomhard wollte nie im Kerngeschäft zukaufen, schließlich bekomme die Munich Re das Geschäft auch so, argumentierte er. Stattdessen legte sich das Unternehmen eine Reihe von Spezialversicherern in Nischen zu. Und es investiert heftig in neue Technologien und Risikoabsicherungen. Industrie 4.0, Cyberrisiken, Solarpanele oder Satellitenausfalldeckungen gehören dazu.

Bomhard wird die Entwicklung genau beobachten, schließlich will er in zwei Jahren nach der vorgeschrieben Wartezeit in den Aufsichtsrat. Was er bis dahin tun wird, hat er nicht verraten. Eine Andeutung machte er in dem Interview vor acht Jahren. Damals sagte er auf die Frage, was er nach der Munich Re mache: "Danach könnte ich mir vorstellen, ins Ausland zu gehen. Das wollte ich immer machen."

© SZ vom 16.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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