Missbrauch der Marktmacht:EU will Google bestrafen

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Ein Android-Maskottchen steht vor der Firmenzentrale des Google-Betreibers Alphabet in Kalifornien. Der Konzern hat seine Klage gegen die EU weitgehend verloren. (Foto: Christoph Dernbach/dpa)

Mitten im Handelsstreit plant die Kommission eine Milliardenbuße gegen den US-Konzern. Auf Trump nimmt sie keine Rücksicht mehr.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Wenn Jean-Claude Juncker am kommenden Mittwoch nach Washington reist, kann er sich auf einiges gefasst machen. Donald Trump hat den Kommissionspräsidenten ins Weiße Haus eingeladen, um über die in seinen Augen "total unfairen" Handelspraktiken der Europäer zu reden. Juncker wiederum will "dem Kollegen Trump" klarmachen, dass die USA gegenüber der EU kein Handelsdefizit haben, wenn man neben Waren auch Dienstleistungen und die Geschäfte der Digitalkonzerne miteinbezieht. Gut möglich, dass der US-Präsident dann einen Satz wiederholt, den er über Junckers Wettbewerbskommissarin gesagt haben soll: "Ihre Steuer-Lady, sie hasst die Vereinigten Staaten."

Wie es aussieht, dürfte Margrethe Vestager dem America-first-Präsidenten noch in dieser Woche allen Grund dazu geben, sich einmal mehr bestätigt zu fühlen. Die Kommissarin, die sich schon mit den US-Konzernen Apple und Amazon angelegt hat, wird aller Voraussicht nach eine Milliardenstrafe gegen Google verhängen. Und das mitten im transatlantischen Handelsstreit. Die Brüsseler Kommission ist sich der politischen Brisanz sehr wohl bewusst. Ursprünglich wollte sie die Google-Entscheidung bereits vor dem Nato-Gipfel verkünden; doch aus Sorge, Trump unnötig zu reizen, verschob sie ihren Angriff auf den wohl mächtigsten Tech-Konzern der Welt. Nun, da Trump die EU als "Gegner" bezeichnet hat, will man in Brüssel offenbar nicht länger Rücksicht nehmen.

Im Kartellverfahren um das von Google entwickelte Betriebssystem Android droht dem Unternehmen eine Strafe, die höher ausfallen dürfte als die bereits verhängte Rekordbuße von 2,42 Milliarden Euro gegen den Preisvergleichsdienst Google Shopping. Vestager hat den Fall Android drei Jahre lang untersuchen lassen; die Kartellwächter haben Daten ausgewertet und Geschäftsbedingungen analysiert. Der Anfangsverdacht hat sich offenbar bestätigt: Aus Sicht der EU-Kommission missbraucht Google seine Marktmacht. Das Unternehmen schade mit seinem Betriebssystem Android Verbrauchern und Wettbewerbern. Nach Angaben der Brüsseler Behörde ist Android weltweit auf etwa 80 Prozent der Smartphones und Tablets installiert. Es ist auch in Europa das dominierende Betriebssystem.

Trump nannte Juncker einen "brutal killer" - und lud ihn zu sich ins Weiße Haus ein

Im Kern geht es um drei Vorwürfe, die Vestager im Jahr 2016 an Google übermittelt hat. Erstens zwinge das Unternehmen die Hersteller von Android-Geräten dazu, den Google-Browser Chrome vorzuinstallieren und dessen Suchmaschine als Standard festzulegen. Insgesamt geht es um ein Paket von elf Google-Apps, die nicht gelöscht werden können. Zweitens locke Google die Anbieter von Mobilfunknetzen mit finanziellen Anreizen, wenn sie ausschließlich Google-Dienste vorinstallieren. Und drittens würden Hersteller von Smartphones und Tablets am Verkauf ihrer Produkte gehindert, wenn sie andere Betriebssysteme verwenden wollen, die auf dem offenen Android-Quellcode basieren.

Google wies die Vorwürfe entschieden zurück. Sollte die EU-Kommission jedoch daran festhalten, kann sie das Unternehmen dazu zwingen, diese Geschäftspraktiken einzustellen. Das wäre für die Amerikaner ein weitaus härterer Schlag als die zu erwartende Geldbuße; schließlich besitzt die Google-Mutter Alphabet Barreserven von bis zu 90 Milliarden Euro.

In Brüssel geht man davon aus, dass Trump die Android-Entscheidung dafür nutzen dürfte, erneut das Feindbild einer EU zu zeichnen, die Amerika nur Schlechtes will. Dazu passt auch die von der Kommission vorgeschlagene Digitalsteuer, die vor allem US-Konzerne träfe. Kein Wunder, dass in Washington von einer "GAFA-Steuer" die Rede ist. Die Abkürzung steht für Google, Apple, Facebook und Amazon.

Es wäre also durchaus plausibel, dass Trump es ernst meinte, als er Juncker beim jüngsten G-7-Gipfel einen "brutal killer" nannte.

© SZ vom 18.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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