Ministerpräsident Günther Oettinger:Schwäbischer Zahlenmann

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Er trug eine Brille aus Teesieben und machte Nazi-Richter Filbinger zum Widerstandskämpfer: Nach vier Jahren ist Günther Oettinger in seinem Amt angekommen - als Bankenretter.

Bernd Dörries

In diesen Zeiten gibt es immer mal wieder einen Wirtschaftsführer, der sagt, man solle die Finanzkrise doch auch als Chance sehen für eine Neuorientierung oder sonst irgendwas. Das klingt ziemlich blöd, und meistens ist damit auch nur eine günstige Gelegenheit zum Arbeitsplatzabbau gemeint. Eine Chance ist die Krise eben doch selten.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Oettinger hat durch die Finanzkrise an Ansehen gewonnen. (Foto: Foto: AP)

Vielleicht für Günther Oettinger. Die Wirtschaft rutscht immer tiefer in die Krise, Oettinger hingegen hat gewonnen, an Statur und Ansehen. Die Leute hören ihm wieder zu, wenn er darüber spricht, was in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten zu tun ist. Sie nehmen ihm ab, dass er schon weiß, was er macht, wenn er am Freitag verkündet, das Kapital der Landesbank Baden-Württemberg um fünf Milliarden Euro zu erhöhen. Man kann in ihm einen geschickten Krisenmanager sehen. Oder einfach einen Ministerpräsidenten, der nach fast vier Jahren im Amt endlich seinen Weg gefunden hat.

Noch vor einem Jahr hätten die Leute wahrscheinlich nur gelacht, wenn Oettinger mit Milliarden jongliert hätte. Da hielten viele in Deutschland ihn für einen Menschen, der schnell und abgehackt spricht und so seine Probleme mit der deutschen Geschichte hat, den Nazi-Richter Hans Filbinger fast zu einem Widerstandskämpfer machte. Es kursierten Fotos einer kleinen Feier in der Brüssler Landesvertretung, auf denen er eine Brille aus zwei Teesieben trug und auch schon einen im Tee zu haben schien. So jemand hätte keine Bank retten dürfen. Die Bank hätte vor ihm gerettet werden müssen.

Alb statt Amerika

Am Freitag präsentierte Oettinger, 55, einen Rettungsplan für die angeschlagene LBBW, der seine Handschrift trägt und unter den gegebenen Umständen wohl noch der sinnvollste ist. Die Anteilseigner der LBBW - das Land, die Stadt Stuttgart und die Sparkassen - gründen eine privatrechtliche Kapitalgesellschaft, die der LBBW fünf Milliarden Euro für ihr Grundkapital zahlt.

Diese Konstruktion hat für das Land voraussichtlich den Vorteil, dass es selbst keine neuen Schulden aufnehmen muss, sondern die entstehenden Verbindlichkeiten aus dem Landeshaushalt ausgliedert. Das ist ein kleiner Trick, durch den Oettinger das Ziel, auch im kommenden Jahr einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, noch nicht abschreiben muss. "Die Haushaltskonsolidierung bleibt für mich ein wichtiges, ehrgeiziges Ziel", sagt Oettinger. "Daneben besteht das Ziel, dass die LBBW die stärkste Landesbank bleibt." Mit der am Freitag gefundenen Lösung klappt vielleicht beides.

Lesen Sie im zweiten Teil, was Günther Oettinger von Friedrich Merz unterscheidet - und welche Rolle die LBBW in der baden-württembergischen Landespolitik spielt.

Im Herbst, als in Berlin der 500-Milliarden-Euro-Rettungsschirm für die Kreditwirtschaft ausgehandelt wurde, setzte unter anderem Oettinger gegen den Willen der Bundesregierung durch, dass auch die Landesbanken unter den Schirm können, wenn sie wollen. Im Falle seiner Landesbank versucht Oettinger aber alles, damit sie es nicht muss. Beides ist sinnvoll. Dass die Landesbanken auch unter den Bundesschirm dürfen, war eine prinzipielle Frage, die Länder zahlen schließlich auch für die Aktion.

Die LBBW ist für die Landespolitik ein Mittel, um aktive Strukturpolitik zu betreiben, da soll niemand aus Berlin oder Frankfurt mitreden dürfen. Ihm sei es natürlich lieber, wenn die LBBW Geschäfte mit dem Mittelständler von der Schwäbischen Alb mache, als mit dem Flugzeugbauer aus Amerika, sagte Oettinger vor einigen Tagen. Die Kapitalerhöhung der LBBW soll helfen, die heimische Industrie in Zeiten knapper Kredite durch die Rezession zu bringen. Der Mittelstand brauche "für diesen Winter wieder handlungsfähige Banken".

Die Wirtschaft, der schwäbische Maschinenbau, das ist Oettingers Welt, Zahlen geben ihm Halt. Er kann wahrscheinlich die Umsätze der meisten Mittelständler des Landes herunterleiern. In der kurzen Zeit seiner privaten Berufstätigkeit hat er in der Wirtschaftsprüferkanzlei des Vaters gearbeitet. Zu Beginn seiner Amtszeit wurde Oettinger zugetraut, so etwas wie der neue Friedrich Merz zu werden, zumindest aber ein gewichtiger Wirtschaftsexperte, von denen die Union keine mehr hat. Dann kamen Filbinger und die Teesiebbrille.

Wie Friedrich Merz, nur flexibler

Erst die Krise machte Oettinger wieder zum Krisenmanager, und es kommt ihm zugute, dass er nicht wie Friedrich Merz ist, der auch in diesen Zeiten ein Buch herausbringt, das für noch mehr Kapitalismus wirbt. Oettinger ist da flexibler, weniger ideologisch als problemorientiert. Er kann grundsätzlich für weniger Staat sein, wenn es darauf ankommt, organisiert er aber die politische Rettung der EnBW vor der Übernahme.

Jetzt soll die LBBW auch die bayerische Landesbank übernehmen. Zwar nicht um jeden Preis, aber schön wäre es, finden viele in der CDU, schon allein wegen der ewigen Rivalität mit den Bayern. In München und in Stuttgart erzählt man sich gerade, wie schlecht es doch der Landesbank des jeweils anderen gehe. Schlimmer als bei den Bayern könne es gar nicht werden, sagte ein Minister in Stuttgart noch vor kurzem. Am Freitag musste aber auch die LBBW einen Milliardenverlust melden.

In den vergangenen Jahren kam in Baden-Württemberg fast jede Woche eine Statistik heraus, in der mitgeteilt wurde, wo das Land nun schon wieder Spitze ist. Die wenigsten Arbeitslosen, die besten Universitäten. Das ist nun vorbei, am Freitag sagte Oettinger, die Rezession treffe den Südwesten besonders. "Ich kann aus Baden-Württemberg keine Insel der Glückseligen machen." Die Leute hier sind schon zufrieden, wenn er die Teesiebbrille unten lässt.

© SZ vom 22.11.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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