Millionenrückruf bei Mattel:Gefährliche Barbies, bleihaltige Spielzeugautos

Lesezeit: 3 min

Der US-Spielzeugriese startet den größten Rückruf seiner Firmengeschichte. Mehr als 18 Millionen Spielzeuge sind betroffen. Mattel kämpft um sein Image.

Der Barbie-Puppen-Hersteller Mattel hat mehrere Millionen Spielzeuge wegen Sicherheitsbedenken zurückgerufen. Von der größten Rückrufaktion in der Firmengeschichte ist auch Deutschland betroffen, sagte Mattel-Sprecher Michael Rust der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag.

Gefährliche Barbie: Klicken Sie auf das Foto, um weitere Spielzeuge zu sehen, die von der Rückrufaktion betroffen sind. (Foto: Foto: AFP)

Erst jüngst hatte der führende US-Spielzeugfabrikant etwa 1,5 Millionen in China hergestellter Spielzeuge zurückgerufen. An den US-Börsen sorgte die Nachricht für deutliche Kursverluste bei Mattel. Von dem jüngsten Rückruf sind weltweit insgesamt 18,2 Millionen Magnetspielzeuge betroffen, wie Mattel mitteilte. Davon seien in den vergangenen vier Jahren auch rund eine Million Produkte in Deutschland verkauft worden.

Konkret handelt es sich um die Spielzeuge vom Typ Polly Pocket, Doggie Day Care und Teile des Spielsets Barbie & Hund Tanner. Die kleinen, aber starken Magnete könnten von Kindern verschluckt werden und Verletzungen hervorrufen.

Der US-Verbraucherschutzbehörde sind drei Fälle bekannt, bei denen Kinder mehrere Mattel-Magneten verschluckt hatten und deshalb operiert werden mussten. Außerdem rief Mattel ein Spielzeugauto des Typs "CARS Sarge" zurück, weil es mit giftigem Blei belastet sein könnte. Das Auto sei seit Mai 2007 im Handel gewesen und seitdem weltweit etwa 436.000 Mal über den Ladentisch gegangen - 4000 Stück davon in Deutschland, erklärte der Konzern.

Während es sich bei den Magnetspielzeugen um eine erweiterte Rückrufaktion handle, die erstmals im November gestartet worden sei, seien die Probleme beim Spielzeugauto neu, sagte Sprecher Michael Rust von Mattel Deutschland. Von den betroffenen Magnetspielzeugen sei ein Großteil bereits vom Markt.

Zunächst hatte das Wall Steet Journal über die erneute Rückrufaktion von potentiell gesundheitsgefährdenden Spielwaren aus chinesischer Herstellung berichtet.

"In der Branche wird bereits seit einer Woche angenommen, dass ein weiterer Rückruf wahrscheinlich ist", sagt Chris Byrne, ein branchenunabhängiger Experte aus New York dem Wall Street Journal.

Der Konzern hatte bereits vergangene Woche weltweit etwa 1,5 Millionen Produkte des chinesischen Zulieferers "Lee Der" aus den Regalen räumen müssen. Die Kunde von einem neuerdings in Hause stehenden Rückruf kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt.

"Traurig ob der tragischen Nachricht"

Am Samstag wurde der Chef des Unternehmens, aus dem die bleihaltigen Spielwaren stammen, in einem Fabriklager in der Provinz Guangdong tot aufgefunden. Es wird von Selbstmord ausgegangen. Bei Mattel sei man "traurig ob dieser tragischen Nachricht", hieß es am Montag zu Zhang Shuhongs Tod.

Dass die nun fraglichen Produkte nicht aus Zhangs Produktion stammen, macht die Sache nicht besser - im Gegenteil: Der Fehler scheint System zu haben. Die erste Welle bleiverseuchter Produkte konnte Mattel einigermaßen unbeschadet durchtauchen. Die Unternehmensaktien büßten kaum an Wert ein.

Nun beginnt die Sache, ernst zu werden. In den USA sind bereits erste Klagen eingereicht worden und besorgte Eltern könnten sich künftig ganz von Mattel abwenden. Das ist ausgerechnet jetzt ein Problem, da die amerikanische Spielwarenindustrie von der Feriensaison maßgeblich profitiert.

Deshalb startete Mattel parallel zu der erneuten Rückrufaktion am Dienstag eine Anzeigenkampagne in mehreren US-Zeitungen, in denen der Konzern um das Vertrauen der Eltern wirbt. In Deutschland sollten am Mittwoch ähnliche Anzeigen in bundesweit erscheinenden Zeitungen veröffentlicht werden. Darin können besorgte Eltern auch Details zu den betroffenen Produkten sowie den Tauschbedingungen erfahren.

Sollte der Ruf von Mattel diesmal ernsthaften Schaden davontragen, dürfte nicht nur das kommende Weihnachtsgeschäft unter einem schlechtem Stern stehen, sondern sich eine ernsthafte Unternhemenskrise zusammenbrauen.

Mattel musste bereits Fisher-Price-Produkte aus den Regalen nehmen. Sie waren mit bleiverseuchter Farbe bemalt. (Foto: Foto: AP)

30 Millionen Dollar vom Ergebnis des zweiten Quartals soll Mattel bereits abgestellt haben, um Schadensforderungen aus der aktuellen Rückrufaktion abfedern zu können. In New York verloren Mattel-Aktien am Dienstag zeitweise bis zu sechs Prozent.

Auch wenn nicht eindeutig geklärt ist, ob der Tod von Zhang Shuhong direkt mit dem Rückruf von Mattel in Zusammenhang steht, so ist er doch tragischer Höhepunkt einer Reihe von Skandalen "made in China".

Welche anderen Kunden von schadhaften Produkten aus Zhangs Unternehmen "Lee Der" betroffen sein könnten, ist noch unklar.

Hasbro kündigt Belieferung

Hasbro, einer der weltgrößten Spielehersteller, bezog ebenfalls Teile von Lee Der. Die Lieferung sei bereits eingestellt worden, so ein Sprecher.

Mattel hat unterdessen den Druck auf seine chinesischen Zulieferer erhöht und von allen Partnern eine Garantie verlangt. Sie sollen einen weiteren Skandal ausschließen.

Sofort nach dem Rückruf vom 2. August 2007 flog eine Mattel-Delegation nach China, um die Fabrikanten auf die Einhaltung grundsätzlicher Sicherheitsstandarts einzuschwören.

Erklärung zur Unterschrift vorgelegt

Jim Walter, Senior-Vizepräsident für Qualtiätssicherung bei Mattel forderte die Entscheidungsträger vor Ort auf, eine entsprechende Erklärung zu unterschreiben, sagte ein Sprecher dem Wall Street Journal.

Schon in der Vergangenheit hatte Mattel Schwierigkeiten, chinesische Produzenten auf Linie zu bringen, so ein Report des New Yorker "International Center for Corporate Accountability", einer Vereinigung zur Überwachung von Arbeits- und Sozialstandards.

Im Jahr 2000 beispielweise musste ein Fabrikant von Matchbox-Miniaturautos in Guangzhou von Mattel regelrecht gezwungen werden, nebst einer neuen Fabrikhalle auch Unterkünfte für die Arbeiterschaft zu errichten - was dieser anscheinend für unnötig hielt.

Der Vorfall belegt, wie schwer sich die herrschenden Verhältnisse vor Ort verändern lassen: Großkunden müssen mit eigenem Personal und Engagement vor Ort sein, um die Situation positiv beeinflussen zu können. Stichpunktartige Visiten - womöglich von einer dritten Partei durchgeführt - reichen nicht aus, um Mindeststandards zu garantieren.

© sueddeutsche.de/Reuters - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: