Meyer-Werft:Küstendrama

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Die Betreiber wollen den Sitz der Firma ins Ausland verlegen. Das reduziert die Steuern - und die Arbeitnehmerrechte.

Von Angelika Slavik

In einem öffentlichen Leben beginnt irgendwann die Phase der Ehrungen. Man wird dann ausgezeichnet und gepriesen, die bisherigen Verdienste dieses Lebens werden gewürdigt und mit Anstecknadeln, Ringen, Medaillen und Urkunden belohnt. Bernard Meyer ist 67 Jahre alt. Er war längst angekommen in dieser Phase seines Lebens, spätestens seit dem Jahr 2008. Da wurde ihm der Werner-von-Siemens-Ring verliehen. In der Begründung hieß es damals, er sei "eine Ausnahmeerscheinung unter den deutschen Ingenieuren". Er habe "wegweisende Entwicklungen" hervorgebracht und umgesetzt.

Seine jüngste Vorstellung davon, wohin der Weg führen soll, hat Meyer allerdings wieder rauskatapultiert aus dem Zirkel der Ehrwürdigen.

Bernard Meyer ist der Chef der Meyer-Werft im niedersächsischen Papenburg. Die Werft wurde 1795 gegründet, sie ist nun seit sechs Generationen in Familienbesitz. Sie hat die Region geprägt, und wie das so ist mit großen Arbeitgebern und kleinen Städten, waren die Verbindungen zwischen dem Unternehmen und der Politik immer sehr eng. Es gibt einen Standortsicherungsvertrag, der, vereinfacht gesagt, vorsieht, dass die Stadt alles tut, damit das Unternehmen arbeiten kann - vor allem soll sie dafür sorgen, dass die Fahrrinne der Ems immer tief und breit genug ist für die Riesenschiffe, die in der Meyer-Werft gebaut werden. Im Gegenzug garantiert das Unternehmen 3100 Arbeitsplätze am Standort. Im Augenblick beschäftigt man sogar 200 mehr. Die Auftragsbücher sind voll: Kreuzfahrtschiffe, Fährschiffe, Containerschiffe, Gastanker - bis 2020 ist die Meyer-Werft schon jetzt voll ausgelastet. Es könnte also alles fantastisch sein zwischen der Stadt und Bernard Meyer und seinem Unternehmen, so wie es in der Vergangenheit meistens fantastisch war zwischen Papenburg und einem seiner größten Söhne.

Dass die Stimmung nun plötzlich unterkühlt ist, liegt daran, dass Bernard Meyer auf die Idee gekommen ist, den Unternehmenssitz der Meyer-Werft nach Luxemburg zu verlagern. Nicht, weil er in Luxemburg Schiffe bauen will - das soll weiterhin in Papenburg passieren. Es ginge lediglich darum, dem Unternehmen neue Strukturen zu geben, hieß es zur Begründung. Im vergangenen September hat Meyer eine Werft in Finnland gekauft, auch eine Werft in Rostock, die auf Flusskreuzfahrtschiffe spezialisiert ist, gehört zum Unternehmen. Sie alle könnten demnächst in einer Luxemburger Gesellschaft gebündelt werden, so lautete der Plan.

Es ist immer eine Attraktion, wenn ein Kreuzfahrtschiff die Werft in Papenburg verlässt. Im Bild: die Celebrity Reflection. (Foto: Ingo Wagner/dpa)

Luxemburg. Das klingt immer nach Steuersparmodell, und man darf wohl davon ausgehen, dass Bernard Meyer und seine Leute sich eine finanziell günstige Konstellation ausgedacht haben für dieses Unterfangen. Meyers Hauptüberlegung aber ist eine andere: In Luxemburg nämlich gibt es kein Gesetz, wonach Unternehmen mit mehr als 2000 Mitarbeitern einen Aufsichtsrat bilden müssen, der zur Hälfte mit Arbeitnehmervertretern besetzt ist. In Deutschland schon.

Bislang hatte der Betriebsrat in Papenburg nie nach einem Aufsichtsrat verlangt, das hat sich aber geändert. Bernard Meyer allerdings hält davon: nichts. Das habe mit den Entscheidungsprozessen zu tun. Dass bei der Meyer-Werft so schnell und unbürokratisch entschieden werde, sei für das Unternehmen oft der entscheidende Vorteil gegenüber den Konkurrenz im Rennen um die großen Aufträge, argumentiert man im Konzern. Übersetzt heißt das: Dass die Firma floriert, liege daran, dass dem Chef keiner dreinquatscht, schon gar nicht irgendwelche Gewerkschafter.

Warum der fehlende Aufsichtsrat bislang niemandem aufgefallen ist, bleibt unklar. So ein Gremium installiere sich eben nicht von selbst, sagt ein Gewerkschaftsvertreter. "Wir wollten Schritt für Schritt vorgehen, es war ja schon mühsam genug, überhaupt die Betriebsräte einzurichten." Im niedersächsischen Wirtschaftsministerium jedenfalls heißt es, man "durchleuchte" nun die Unternehmensstruktur, um zu klären, ob ein Aufsichtsrat eingerichtet werden müsse. Die IG Metall dagegen hat sich schon festgelegt: Sie erwarte ein "Umdenken" der Unternehmensleitung und einen Aufsichtsrat mit Arbeitnehmervertretern. Und zwar nicht in Luxemburg oder sonstwo, sondern daheim in Papenburg.

Bernard Meyer, 67, hat die Expansion der familieneigenen Werft in den vergangenen Jahrzehnten massiv vorangetrieben. (Foto: dpa)

Bis September wollen nun alle Beteiligten noch mal nachdenken

So viel Gegenwind ist neu für die Meyer-Werft, selbst in schwierigen Situationen. Als vor zwei Jahren zwei rumänische Werftarbeiter bei einem Brand in ihrer Unterkunft ums Leben kamen, wurde öffentlich, unter welchen Bedingungen viele Leiharbeiter an der Entstehung der großen Dampfer mitarbeiten. Eine eigens eingerichtete Kommission kam später zu dem Ergebnis, dass das Arbeitszeitgesetz verletzt wurde, zudem hätte die Werft der Frage, wie die Arbeiter von den beauftragten Subfirmen untergebracht und entlohnt werden, schlicht keine Aufmerksamkeit geschenkt. Bernard Meyer versprach schnelle Verbesserungen - und erhielt dafür, wie könnte es anders sein, Lob und Zuspruch: Die Meyer-Werft sei "aus einer schwierigen Situation heraus zum Vorbild geworden", sagte der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies damals.

Diesmal dagegen ist es mit der Harmonie vorbei und mit den Ehrungen auch: Werft-Chef Meyer sollte eigentlich nach dem Sommer mit der Emsland-Medaille ausgezeichnet werden, wegen besonderer Verdienste um die Region. Als bekannt wurde, dass er sich demnächst um Luxemburg verdient machen will, regte sich Widerstand. Meyer trat daraufhin die Flucht nach vorne an und lehnte die Ehrung ab: um weiteren Schaden von seiner Familie und von der Emsland-Medaille abzuwenden, wie er sagte.

Landesregierung und Gewerkschaft versuchen indes, Meyers Luxemburg-Pläne noch abzuwenden. Bis September haben sich nun alle Beteiligten auf ein Moratorium geeinigt, hinter den Kulissen wird weiterhin gerungen. Bernard Meyer kündigte zumindest an, seine Pläne noch einmal zu überdenken. Vielleicht kehrt er ja doch zurück in den Kreis der Verehrten. Irgendwer muss ja auch nächstes Jahr wieder die Medaillen bekommen.

© SZ vom 25.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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