Merkel und Macron:Mercronomics

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Traf Merkel den damaligen Staatspräsidenten Sarkozy, wurde das Team oft "Merkozy" genannt. Unter Hollande war dann von "Merkollande" die Rede. Nun scheint sich "Mercron" als Spitzname durchzusetzen. (Foto: Reuters)

Angela Merkel und Emmanuel Macron - zusammen könnten die beiden, wenn sie aufeinander zugehen, die Wirtschaft der Euro-Zone reformieren. Aber wie lange hält der Zauber des Anfangs tatsächlich an?

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Wie soll das neue deutsch-französische Paar gerufen werden? M&M? Oder besser Mercron? Und eine mögliche große Reform der Euro-Zone dann Mercronomics? Noch müssen diese Fragen unbeantwortet bleiben, wie viele andere auch nach dem ersten Auftritt von Emmanuel Macron, dem neuen französischen Staatspräsidenten und Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montagabend im Kanzleramt.

Der Neue wurde ausgesprochen herzlich und mit offenen Armen empfangen, vor dem Kanzleramt von begeisterten Bürgern, innen von der Kanzlerin. Vertrauensvoll, freundschaftlich, eng werde man zusammenarbeiten, sagte Merkel. Das schließe deutsche Zurückhaltung ein, jedenfalls vorerst. Sie warte ab, "dass Präsident Macron uns sagt, was er erwartet".

Macron lässt sich nicht lang bitten. Er spricht davon, dass er "offen, direkt und konstruktiv" kooperieren will. "Unser Verhältnis braucht noch mehr Vertrauen, noch mehr Pragmatismus und noch mehr Ergebnisse". Macron sagt auch, wofür er das einfordert. "Europa braucht eine historische Neugründung". Globalisierung müsse kontrolliert werden, sonst zersetzten sich die Gesellschaften, das habe man in Frankreich gesehen und in anderen Ländern. Frankreich müsse jetzt tief greifende Reformen durchziehen, "die nötig sind für unser Land und dafür, dass Deutschland wieder Vertrauen fasst". Und was kann die Bundesregierung dazu tun? "Frau Bundeskanzlerin hat Überzeugungsarbeit zu leisten in der öffentlichen Meinung".

Macron will den Euro durch eine deutlich engere Integration der Euro-Zone stärken

Merkel steht neben Macron, und was sie dann sagt, hört sich an, als habe sie den Wunsch des Franzosen verstanden. Es gebe in Deutschenland gerade "einen besonders aufmerksamen Moment der Geschichte", sagt sie. Die Wahlen in Frankreich und den Niederlanden hätten vielen Bürgern klar gemacht, "welchen Schatz wir an Europa haben".

Wie weit die Übereinstimmungen bei der von Macron geforderten tief greifenden Reform Europas und der Euro-Zone gehen, lässt sich bislang schwer ermitteln. Macron will den Euro durch eine deutlich engere Integration der Euro-Zone stärken. Die 19 Euro-Staaten sollen einen gemeinsamen Finanz-und Wirtschaftsminister bekommen, eine gemeinsame Wirtschaftsregierung und ein eigenes Parlament, das über ein eigenes Euro-Zonen-Budget verfügt.

Die Bundesregierung lehnt diese Ideen nicht ab, verwies aber stets darauf, dass sie wegen der dazu nötigen Änderungen der EU-Verträge jetzt nicht umsetzbar seien. Das klingt im Kanzleramt nun anders. "Aus deutscher Sicht ist es möglich, die Verträge zu ändern, wenn das Sinn macht", sagt Merkel. Auch Macron zeigt sich bereit. "Vertragsänderungen waren lange ein französisches Tabu, für mich ist es das aber nicht". Wobei es ihm aber in erster Linie darum geht, einen Fahrplan von Reformen zu entwerfen, wie die EU und die Euro-Zone effizienter gemacht werden könnten. Wenn sich dabei herausstelle, dass Vertragsreformen nötig seien, würden sie angegangen. Die Gratwanderung, die M&M am Montag im Kanzleramt absolvieren, lässt sich am besten erahnen, als die Frage nach den Euro-Bonds kommt, die Deutsche ablehnen. Nein, sagte Macron, er strebe keine Vergemeinschaftung bestehender Altschulden von Euro-Ländern an. Das führe "zu einer Politik der Verantwortungslosigkeit". Eine Absage an gemeinsame Schuldtitel der Euro-Staaten in Zukunft ist das nicht.

Zumindest in der zeitlichen Einordnung gemeinsamer Projekte waren sich Merkel und Macron einig. Aktuelle europäische Vorhaben müssten abgeschlossen werden. Dazu zähle das neue Asylrecht, die Richtlinie zur Entsendung von Arbeitnehmern sowie ausgeglichene Handelsbeziehungen. Details dazu gab es nicht, obwohl man schon gern gewusst hätte, wie Präsident Macron zur automatischen Verteilung von Flüchtlingen in Europa steht.

Noch im Juli soll sich ein deutsch-französischer Ministerrat treffen

Ausgebaut werden sollen auch bilateralen Kooperationen. Noch im Juli soll es einen deutsch-französischen Ministerrat mit den wichtigsten Ressorts geben, der gemeinsame Projekten erarbeitet. Etwa für Digitales, Steuern, Wirtschaft und Bildung. Merkel redet davon, dass ein deutsch-französisches Vorangehen im europäischen Steuersystem "ein Impulsgeber" sein könnte. Was sie nicht sagt: Der Versuch, das Steuersystem etwa bei Unternehmensteuern zu harmonieren, wurde schon unternommen, er endete ohne das gewünschte Ergebnis.

Irgendwann zitiert Merkel ein Gedicht von Herrmann Hesse. "Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne". Man kann das so interpretieren, dass sie sich über den Schwung freut, mit dem der neue französische Staatspräsident seine kühnen Ideen vom Neustart Europas vorträgt. Aber auch so: Warten wir mal ab, wie es in zwei Jahren aussieht.

© SZ vom 17.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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