Mehrwertsteuererhöhung:Kleine Sprünge hinter den Kulissen

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Viele Verbraucher befürchten durch die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer verdeckte Preisaufschläge. Im Handel gibt es jedoch schon längst Preissteigerungen - schuld daran ist nicht immer die Mehrwertsteuer.

S. Liebrich, C. Dohmen und M. Thiede

Schwere Zeiten für Verbraucher: In fünf Monaten wird die Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent erhöht. Einige Produkte werden aber jetzt schon spürbar teurer, und dies schürt Misstrauen bei den Konsumenten - nur zu gut ist vielen die Euro-Einführung 2002 in Erinnerung. 90 Prozent der Deutschen hatten damals das Gefühl, dass die Umstellung auf den Euro für verdeckte Preisaufschläge genutzt wurde. Der Euro wurde zum Teuro, was die Statistiker aber nie bestätigten. Die Kundschaft hielt trotzdem den Geldbeutel geschlossen, und der Handel klagte über Umsatzeinbußen.

Lebensmittelhändler sehen kaum Möglichkeiten für große Preissprünge. (Foto: Foto: dpa)

Vorzeitige Preissteigerungen befürchtet

Ähnliche Ängste stehen nun auch vor der Mehrwertsteuererhöhung im Raum. Während sich der Einzelhandel sorgt, dass eine dreiprozentige Preiserhöhung nicht durchsetzbar ist, befürchten Konsumenten vorzeitige Preissteigerungen. Firmen feilen daher an Strategien, wie sie die negativen Folgen minimieren können. Vor allem wollen sie vermeiden, am Stichtag große Preissprünge zu machen, weil dies die Kauflust dämpfen könnte.

Dass hinter den Kulissen schon seit einiger Zeit an den Preisen gedreht wird, zeigen Marktanalysen. "Im zurückliegenden Halbjahr, vor allem im Mai und Juni, hat es auffällige Bewegungen im Preisgefüge gegeben", stellt Andreas Breitbart vom Wirtschaftsinformationsdienst Preiszeiger fest. Seine Firma wertet die Preise der Discounter Aldi, Lidl und Netto, aber auch die von Drogeriemärkten aus.

Auch Fred Otto vom Marktforscher AC Nielsen registriert punktuelle Preiserhöhungen, kommt aber wie Breitbart zu dem Schluss, dass dies nicht allein auf die steigende Mehrwertsteuer zu schieben ist. Hier spielten zum Beispiel auch höhere Rohstoff- und Energiekosten eine Rolle - ein Argument, das auch der Hauptverband des Einzelhandels HDE ins Feld führt.

Drogerie-Produkte besonders auffällig

Besonders auffällig sind derzeit die Bewegungen bei Drogerie-Produkten. Die werden zumeist höher besteuert als etwa Nahrungsmittel wie Kartoffeln und Schokolade, die weiter unter den ermäßigten Steuersatz von sieben Prozent fallen.

Bei der dm-Kette hat sich laut Preiszeiger-Analyse beispielsweise ein Viertel der untersuchten Artikel in den vergangenen sechs Monaten schrittweise verteuert. Selbst die Preise von Produkten des täglichen Bedarfs wie etwa Shampoo wurden teilweise um 30 Cent erhöht. Die Konkurrenten Schlecker und Müller ziehen mit. Sie tun das auch auf Empfehlung des Drogerieverbands, der als einer der wenigen offen zum Vorziehen von Preissteigerungen rät und dafür schon Kritik einstecken musste.

"Steuereintreiber für den Staat"

Der Handel sieht sich jedoch zu Unrecht an den Pranger gestellt. "Wir müssen damit leben, den Steuereintreiber für den Staat zu spielen", heißt es resigniert beim HDE. Dessen Präsident Hermann Franzen erwartet, dass die Branche trotz allem auf großen Teilen der Steuererhöhung - mindestens neun der geschätzten 20 Milliarden Euro - sitzen bleiben wird. Aufgrund des scharfen Wettbewerbs dürfte es nach seiner Einschätzung mindestens Herbst 2007 werden, bis alle Preisanpassungen durchgesetzt sind.

Auch der größte Lebensmittel-Einzelhändler Edeka sieht kaum Raum für große Preissprünge, der Markt lasse dafür keinen Spielraum. Marktforscher Otto widerspricht hier. Er erwartet, dass vor allem eher selten gekaufte Artikel wie Parfum oder teure Kosmetika überdurchschnittlich teurer werden könnten, weil deren Preise nicht so im Bewusstsein der Käufer verankert sind.

Hersteller unter Druck

Die Steuererhöhung muss zum Teil von den Herstellern aufgefangen werden, die sich vor allem von großen Handelskonzernen unter Druck gesetzt fühlen. Sie sollen ihre Herstellungskosten noch weiter herunterfahren, als sie es eh schon in den vergangenen Jahren getan haben. "Die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, dass Hersteller, Händler und Kunden einen Teil der Mehrwertsteuererhöhung tragen", sagt dazu ein Metro-Sprecher. Auch bei Karstadt-Quelle wird derzeit intensiv mit Zulieferern verhandelt.

Die Unternehmensberatung McKinsey rät unterdessen auch zum Verringern von Verpackungsgrößen - nach dem Vorbild der Tabakindustrie, die Steuererhöhungen stets dadurch abfängt, indem sie die Stückzahlen in den Zigarettenschachteln anpasst. Gerade solche Tricks könnten jedoch dazu beitragen, dass die gefühlte Inflation am Ende wieder stärker ausfällt als die tatsächliche Teuerungsrate, warnen Verbraucherschützer.

© SZ vom 17.8.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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