Mehr Geld im Ruhestand:Viele Kinder helfen viel

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Kleinkind mit Ur-Opa: Schon immer lebten nachfolgende Generationen in einer veränderten Welt. Nun droht der Fortschritt nicht nur die Welt zu verändern, sondern den Menschen selbst.

(Foto: imago)

Mit Nachwuchs ist es jetzt leichter, in die günstige Krankenversicherung der Rentner zu kommen.

Von Berrit Gräber

Seit August werden nicht nur die Tage gezählt, die nötig sind, um in die günstige Krankenversicherung der Rentner (KVdR) hineinzukommen - jetzt zählen auch die Kinder. So sieht es die Neuregelung des Heil- und Hilfsmittelgesetzes vor. Für so manche Rentner, die wegen fehlender Vorversicherungszeiten bisher den Sprung nicht schafften und teuer für ihre private oder freiwillig gesetzliche Absicherung zahlen müssen, kann das jetzt einen Türöffner in die KVdR bedeuten. Je mehr Nachwuchs, desto größer die Chance, viele Hundert Euro monatlich sparen zu können. Doch ein Großteil der weit mehr als eine Million Betroffenen weiß offenbar nichts von der neuen Möglichkeit, im Ruhestand womöglich noch die Krankenversicherung wechseln zu können. "Wir sind überrascht, dass sich das noch nicht wie ein Lauffeuer herumgesprochen hat", sagt Achim Backendorf, Experte beim Sozialverband VdK in Berlin.

Die 9/10-Klausel: Die sogenannte 9/10-Klausel besagt: Nur wer in der zweiten Hälfte seines Arbeitslebens mindestens 90 Prozent Mitglied einer Krankenkasse oder mitversichert war, kann auch im Alter in die günstige Pflichtversicherung hinein. Wer im Berufsleben kontinuierlich in einer Kasse war, schafft die Hürde problemlos. Sobald aber größere Lücken in der Erwerbsbiografie entstehen, kriegt man die nötigen Mitgliedsjahre nicht mehr zusammen. Betroffene Rentner müssen sich dann entweder freiwillig gesetzlich krankenversichern, wie es derzeit mehr als eine halbe Million Menschen tun. Das kann bitter werden, weil sie die volle Beitragslast auch auf private Lebens- oder Rentenversicherungen oder auf Einkünfte aus Vermietung und Kapitalvermögen schultern müssen. Selbst das Einkommen des Ehepartners zählt mit, wenn er privat krankenversichert ist. Oder sie sind privat versichert wie derzeit knapp 800 000 Rentner (ohne Pensionäre mit Beamtenstatus). Auch sie müssen hohe Beiträge von teilweise mehreren Hundert Euro im Monat zahlen.

Die Kostenfalle: Wird die 9/10-Klausel nicht erfüllt, wird es also richtig teuer. Das trifft unter anderem Bürger, die im Beruf zeitweise gar nicht oder eine Zeit lang privat krankenversichert waren - etwa als Selbständiger, Freiberufler oder bei einem längeren Auslandsaufenthalt. Oder als Frau von einem Beamten, die in der Erziehungszeit über den Ehemann privat versichert war und später als Angestellte wieder in die gesetzliche Kasse kam. Den Sprung in die KVdR verpassten bisher häufig auch Frauen mit Mini-Rente, Erwerbsminderungs- oder Frührentner, denen noch ein paar Jahre oder Monate an Versicherungszeit fehlen.

Das ist neu: Seit 1. August wird pro Kind, ob leiblich, Stief- oder Pflegekind, eine Zeit von drei Jahren gutgeschrieben. Das gilt für jeden Elternteil, ob Mann oder Frau, wie Anke Voss, Präsidentin des Bundesverbands der Rentenberater, betont. Keine Rolle spielt, wer die Kinder erzogen hat. Maßgeblich ist nur die "Elterneigenschaft". Gut zu wissen: Von der Neuregelung können auch Altfälle profitieren, also alle, die am 1. August schon in Rente waren und die Hürde nicht schafften. "Wer hohe Beiträge zahlen muss, ob freiwillig oder privat versichert, kann jetzt prüfen lassen, ob ein Wechsel möglich ist", betont Voss. Wer zum Beispiel drei Kinder, aber eine Lücke von acht Versicherungsjahren hat, hat gute Karten. Je mehr Kinder, desto besser die Chancen.

Das ist zu tun: Wechselwillige mit Nachwuchs sollten jetzt aktiv werden, empfiehlt Rentenberaterin Voss. Auf Antrag schreiben die Krankenkassen die Kinderzeiten gut und berechnen die Versicherungszeiten neu. Die Gutschrift gibt es nicht automatisch. "Wir empfehlen allen Betroffenen, sich jetzt zu kümmern", betont auch Backendorf vom Sozialverband VdK. Und nicht abwimmeln lassen: Selbst für Mitarbeiter so mancher Kasse ist das Gesetz oft noch taufrisch und unbekannt, wie Versicherte berichten.

Auch das ist möglich: Eine Besonderheit gibt es für manche Ärzte, Anwälte oder Apotheker, die während ihrer Ausbildung in die Rentenkasse einzahlten, später aber über ihre eigenen Versorgungswerke versichert waren. Sie kommen deshalb meist nicht auf die fünf Jahre Mindestzeit, die für eine Rente vom Staat notwendig sind. Zahlen sie jedoch freiwillig in die staatliche Rente ein, lässt sich die Hürde überspringen. Erfüllen Betroffene mit Nachwuchs zugleich die nötigen Vorversicherungszeiten für die KVdR, steht einem Wechsel womöglich nichts im Wege.

Das ist zu beachten: Nicht in jedem Fall ist ein Umstieg in die günstige Krankenversicherung der Rentner problemlos möglich, betont Voss. Neben der 9/10-Klausel müssten oft noch weitere Voraussetzungen erfüllt sein. Kompliziert werde es etwa dann, wenn jemand nach dem 55. Lebensjahr privat krankenversichert war. Ein Umstieg könne zudem von Nachteil sein, wenn Privatversicherte eine Betriebsrente bekommen, mahnt Voss zur Vorsicht. Weil Pflichtversicherte auf diese Einkünfte den vollen Krankenkassenbeitrag abführen müssen, Privatversicherte aber nicht, muss ein Wechsel gut durchgerechnet sein. Wer fachkundige Unterstützung braucht, findet nicht nur beim Sozialverband VdK, sondern auch unter www.rentenberater.de Hilfe. Die Beratung durch Rentenexperten ist kostenpflichtig.

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