Medienpolitik:Keiner lacht

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Die Regierungschefs der Länder Bayern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen fordern eine Umgestaltung der deutschen Medienlandschaft. Vor allem sollen ARD und ZDF sparsamer wirtschaften.

Von Hans-Jürgen Jakobs und Klaus Ott, Mitarbeit: Andrea Wieser

(SZ vom 11.11.03) — Der Auftritt war, PR-technisch, eine Katastrophe. Ganz so, wie es in Handbüchern der Kommunikation dringend abgeraten wird.

Hat sich mit seinem hochnäsigen Verhalten nicht eben beliebt gemacht: Der ARD-Chef Plog vor dem neuen Logo des Fernsehsenders. (Foto: Foto: dpa)

Unnahbar und abweisend saß der mächtige Intendant da auf öffentlicher Bühne im Kreis der großen deutschen Senderchefs, gefangen in einer Hülle aus Nadelstreifenanzug und Arroganz, allen Forderungen nach Sparen und Reformen beharrlich ausweichend.

Beschäftigter Stoiber

Jobst Plog, der ARD-Vorsitzende, flüchtete sich in juristische Schachtelsätze. Die Selbstdarstellung des Spitzenmanagers auf den Münchner Medientagen Ende Oktober hat den Mitdiskutanten Edmund Stoiber noch lange beschäftigt.

Tage später, hinter den Kulissen der Talkshow Sabine Christiansen in Berlin, echauffierte sich der bayerische Ministerpräsident. Ihm wurde klar, dass hier eine härtere Gangart gefragt ist.

Rundfunkstrukturreform

Das Ergebnis liegt nun auf drei Schreibmaschinenseiten vor, trägt den unscheinbaren Titel "Rundfunkstrukturreform" und enthält in 20 Punkten allerhand drakonische Maßnahmen. Es ist das umfangreichste Sparprogramm für ARD und ZDF, das es je gegeben hat - ein radikaler Katalog zur Änderung der Verhältnisse.

Wenn Wirklichkeit wird, was diese "gemeinsame Initiative der Länder Bayern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen" vorschlägt, sehen Fernsehen und Hörfunk in Deutschland anders aus.

Überraschende Aktion

Ziel der überraschenden Aktion von CSU-Chef Stoiber sowie seinen Kollegen Peer Steinbrück (SPD) und Georg Milbradt (CDU) ist es, eine Erhöhung der Rundfunkgebühr zu verhindern, die derzeit 16,15 Euro pro Monat beträgt, und bestenfalls sogar zu senken - entgegen der von Plog und anderen Intendanten bevorzugten Mechanik, bei der von den Ländern eingesetzten Gebührenkommission KEF alle vier Jahre reichlich Mehrbedarf anzumelden.

Den müssen die Zuschauer und Hörer dann über steigende Gebühren finanzieren. "Unsere Absicht ist es, eine Gebührenerhöhung zu vermeiden. Schön wäre es, wenn sich die Gebühr sogar senken ließe, aber das muss alles erst ausgerechnet werden", erklärt der bayerische Staatskanzlei- und Medienminister Erwin Huber, der von einem "heilsamen Druck" spricht.

Beschäftigung mit Grundfragen

Es helfe nicht mehr weiter, bei Gebührenerhöhungen über drei oder 30 Cent mehr zu streiten - "jetzt müssen wir uns mit den Grundfragen beschäftigen, damit dieses System überlebensfähig ist", sagt Miriam Meckel, Medien-Staatssekretärin in Nordrhein-Westfalen. Ihr Dienstherr Steinbrück hatte vor Monaten die Diskussion angestoßen.

Gebührenerlöse in Höhe von 6,5 Milliarden Euro pro Jahr stehen den öffentlich-rechtlichen Anstalten zur Verfügung, hinzu kommen Einnahmen aus Werbung und Sponsoring. Die Anstalten fordern einen Zuschlag von 800 Millionen Euro pro Jahr, die Gebühr stiege so auf 18 Euro. Die KEF will 460 Millionen Euro mehr Jahr bewilligen, das entspräche 17,22 Euro im Monat.

Neue Angebote

Nun aber setzt die Politik einen anderen Rahmen. Neue Angebote oder Ausweitungen von Programmen seien "künftig nur dann zulässig, wenn andere, bisherige Leistungen oder Angebote eingestellt werden", wird gleich zu Anfang des Papiers das Gebot der Stunde beschrieben.

Das gilt insbesondere für das digitale Fernsehen, das technisch viel mehr Kanäle als bisher erlaubt, und wo ARD mit Angeboten wie EinsMUXX oder das ZDF (Theaterkanal) schon groß präsent sind. Zu groß, wie die parteiübergreifende Drei-Länder-Koalition aus Ost und West befindet.

Alle sechs Digitalprogramme von ARD und ZDF sollen entfallen. Überall in dem Reformkonzept sind konkrete Vorschläge zum Maßhalten vorhanden. So sollen die neun Landesrundfunkanstalten der ARD statt aktuell 61 künftig höchstens 45 Hörfunkprogramme veranstalten.

Ein Klassikprogramm

Fünf davon sollen "deutschlandweit koordinierte, gemeinsame Angebote" sein, zum Beispiel bei Klassik oder im Informationsbereich. Gedacht ist, dass etwa Bayern 4 zusammen mit anderen Spezialkanälen ein einziges Klassikprogramm für ganz Deutschland produziert.

"Bisher spielen die einen morgens Beethoven und nachmittags Schostakowitsch, und die anderen machen es umgekehrt. Das ist wenig begründbar", sagt NRW-Staatssekretärin Meckel. Frei werdende Frequenzen sollten, heißt es in dem Papier weiter, die "Empfangsmöglichkeiten des Deutschlandradios verbessern" - das bislang an manchen Stellen der Republik nicht zu hören ist.

Großes Misstrauen

Offenbar ist das Misstrauen der Politiker in die Rechenkünste der Intendanten sehr groß geworden. So wollen sie Kreditaufnahmen der Sender "künftig nicht mehr als Bedarf steigernd" berücksichtigen, sondern "als zusätzlich zu erbringenden Sparbeitrag" ansetzen.

Auf deutsch: Wer Schulden macht, muss eben stärker sparen. Das ist eine Lex ZDF, der Mainzer Sender kommt nie mit dem Geld aus. Auch sollen die Ausgaben für Online-Angebote und Marketing gedeckelt und fünf Prozent der knapp 26 000 Planstellen gestrichen werden.

Sponsoring steht zur Disposition

Außerdem missfällt den Spar-Politikern, wie sehr ARD und ZDF am Abend Privatsendern ähneln, obwohl sie eigentlich nach 20 Uhr gar keine Werbung zeigen dürften. Das üblich gewordene Sponsoring, das immer mehr Werbefilmchen der Geldgeber ins Programm bringt, steht zur Disposition.

Nur noch bis 20 Uhr sollen die Sponsorhinweise erlaubt sein, außer beim Sport und hier nur noch bei den Europa- und Weltmeisterschaften im Fußball und den Olympischen Spielen.

Detailliert wird auch vorgeschlagen, die beiden Kultursender Arte und 3sat zu vereinen. Hans Walter Schlie, Direktor für strategische Entwicklung und Kommunikation bei Arte, hält dagegen: "Aus unserer Sicht wäre eine solche Fusion nicht sinnvoll - das Sparpotenzial wäre gering."

Arte und 3sat kosteten gemeinsam kaum mehr als drei Prozent der Fernsehgebühren. Bedauerlich sei, dass der Sparvorschlag ausgerechnet auf den Kernauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die Kultur, abziele. Zudem sei der zwischen Deutschland und Frankreich geschlossene Arte-Vertrag nicht einseitig veränderbar, sagt Schlie.

Vernichtung von Arbeitsplätzen

ARD-Chef Plog betont stets, die Öffentlich-Rechtlichen erfüllten akkurat die Rationalisierungsvorgaben der KEF . Die Sparpläne von Stoiber & Steinbrück verstießen gegen das vom Bundesverfassungsgericht postulierte Gebühren-Verfahren, bei dem die KEF das wichtigste Wort habe, verletzten die "Anstaltsautonomie" und liefen "auf die Vernichtung weiterer wertvoller Arbeitsplätze in diesem Land hinaus".

Irgendwie muss Jobst Plog gemerkt haben, dass sein Auftritt in München vor zweieinhalb Wochen unglücklich war. Hier gebe es "ein Publikum, das sehr stark am kommerziellen Rundfunk orientiert ist", befand er in der Frankfurter Allgemeinen: "Selbst wenn man als Vertreter der öffentlich-rechtlichen Minderheit witzig ist, lacht keiner."

Zum Lachen ist wirklich keinem zu Mute.

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