Managergehälter:Viel Geld, wenig Vertrauen

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Die britische Regierung geht gegen zu hohe Managergehälter vor. Ihr Rezept heißt: mehr Transparenz. Auch Deutschland verschärft die Regeln. Künftig sollen gezahlte Boni zurückgefordert werden können.

Von Björn Finke und Meike Schreiber, Frankfurt/London

Eine rasante Entwicklung: In Großbritannien verdienen die Chefs börsennotierter Konzerne 128-mal so viel wie durchschnittliche Arbeitnehmer. Im Jahr 1998 waren die Bezüge der Top-Manager nur 47-mal so hoch. Ihre Einkünfte haben sich vervierfacht, während die Gehälter normaler Beschäftigter nur langsam anstiegen. Die Schere geht immer weiter auseinander; Kritiker werfen den Chefs Selbstbedienung zulasten von Mitarbeitern und Aktionären vor. Der britischen Regierung behagt dieser Trend ebenfalls nicht. Darum veröffentlichte Premierministerin Theresa May am Dienstag Vorschläge, wie Manager besser kontrolliert werden können.

In dem 59-seitigen Dokument stellt die Konservative verschiedene Optionen vor und bittet die Verbände, sich dazu zu äußeren. Einige dieser Ideen dürften bei den Chefs gar nicht gut ankommen. So könnte London Unternehmen in Zukunft zwingen, auszuweisen, um welchen Faktor das Gehalt des Vorstandsvorsitzenden die Durchschnittsbezüge in seiner Firma - von der Putzfrau bis zum Top-Manager - überschreitet. Außerdem könnte es verpflichtend werden, dass Vertreter der Belegschaft im Vergütungsausschuss sitzen, der über die Höhe der Bezüge entscheidet. Auf den Hauptversammlungen könnten Aktionäre jedes Jahr über die Chefgehälter abstimmen müssen.

May sagte, dass Unternehmen sich das Vertrauen der Kunden, der Belegschaft und der Öffentlichkeit verdienen müssten und nicht enttäuschen dürften. Ansonsten würden die Bürger den Glauben an die segensreichen Kräfte freier Märkte verlieren. "Es ist klar, dass in der Vergangenheit das Verhalten einiger weniger den Ruf der vielen geschädigt hat", sagte sie. "Es ist klar, dass sich etwas ändern muss."

Und die Höhe der Managergehälter ist nicht nur im Königreich ein heißes Thema. Auch in Deutschland wird die Frage gestellt, ob Manager nicht zu viel kassieren. Transparenzpflichten, wie sie in Großbritannien vorgesehen sind, gibt es in Deutschland nicht. In der Diskussion hierzulande spielen vor allem zwei Vorzeigeunternehmen eine große Rolle: Volkswagen und die Deutsche Bank. Womit haben Banker oder Automanager hohe Boni verdient, wenn ihre Unternehmen Verluste verbuchen, Tausende Arbeitsplätze abbauen oder gar Milliarden an Strafzahlungen überweisen müssen?

Im Fall von VW hatten sich die Manager zwar im Frühjahr bereit erklärt, Teile ihrer variablen Vergütung zurückzustellen. Nun aber, da der Konzern 30 000 Stellen abbauen will, fordern Aktionärsvertreter und Politiker einen weit umfangreicheren Verzicht. "Ein deutlicheres Signal wäre es, auch die Boni der letzten Jahre an den Konzern zurückzugeben", sagte Karl-Josef Laumann, Chef des CDU-Arbeitnehmerflügels. Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz sagte, die Vorstände "können nicht für Erfolge bezahlt werden, die auf Software-Manipulationen und Betrug beruhen".

Trotz der Skandale kassierten die Manager bei Volkswagen und Deutscher Bank fette Boni

Manipulation und trotzdem Boni: Das ist auch die Streitfrage bei der Deutschen Bank. Jahrelang hat Deutschlands größtes Geldhaus Geschäfte getätigt, welche die Investmentbanker reich machten, später aber milliardenhohe Strafzahlungen nach sich zogen.

Bereits 2014 fror Aufsichtsratschef Paul Achleitner daher nicht ausgezahlte Millionenboni an Ex-Vorstände ein, weil er "Klarheit darüber haben wollte, wie die Rechtsrisiken zu Buche schlagen", wie es in Kreisen der Bank hieß. Konkret geht es um die Jahre ab 2011 und den damals amtierenden Vorstand um Anshu Jain und Jürgen Fitschen. Auch Ex-Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann ist betroffen.

Ob die Bank die Boni dauerhaft einbehalten kann, ist jedoch auch zwei Jahre später noch nicht geklärt. Die internen Untersuchungen dauern an, außerdem müsste die Bank solche Schritte rechtlich gut begründen. Möglich wäre ein freiwilliger Verzicht, dazu aber konnten sich die Ex-Vorstände bislang offenbar nicht durchringen. Ackermann jedenfalls ließ jüngst auf dem Wirtschaftsgipfel der Süddeutschen Zeitung verlauten, ihm selbst falle zwar kein "Stein aus der Krone", wenn er verzichte, er müsse sich aber mit seinen anderen Ex-Kollegen absprechen, weil er diese andernfalls moralisch unter Druck setze.

Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen es zumindest Banken - wenn auch nicht Industrieunternehmen wie VW - künftig leichter haben, nicht nur eingefrorene Boni einzubehalten, sondern bei Fehlverhalten sogar ausgezahlte Beträge zurückzuholen. Möglich machen soll das eine neue Regelung namens Institutsvergütungsverordnung, die im Januar in reformierter Form in Kraft tritt.

Dann müssen alle größeren Banken die Arbeitsverträge ihrer wichtigen Manager - das Gesetz nennt sie "Risikoträger" - ändern und Klauseln für Rückforderungen einfügen. Betreffen würde das nicht nur neu eingestellte Manager, sondern auch amtierende. In Großbritannien sind solche sogenannten Clawback-Klauseln bereits seit Jahresanfang vorgeschrieben. Große Investoren fordern so eine Regelung in Deutschland seit Langem. Auf freiwilliger Basis hatten sich solche Klauseln hierzulande aber nicht durchgesetzt: Aus Angst, Talente zu verschrecken, ließen die Institute lieber die Finger davon.

Auch künftig würden die Banken sicher einen Bogen um solche Klauseln machen, wenn sie vom Gesetzgeber nicht dazu gezwungen würden. Bankvorstände seien bereits dem Risiko ausgesetzt, Schadenersatz zahlen zu müssen, heißt es in einer Stellungnahme der Bankenverbände.

Rechtsexperten warnen vor zu hohen Erwartungen. Die Verordnung werde wohl nicht ausreichen, um reihenweise bereits ausgezahlte Boni zurückzuholen, sagt Hans-Peter Löw, Arbeitsrechtsexperte der Kanzlei Allen & Overy. Und selbst wenn Arbeitsverträge künftig solche Klauseln enthielten, erlaube das höchstens in Einzelfällen eine Rückforderung. "Die Bank muss dann zum Beispiel nachweisen, dass der Einzelne relevante Regeln verletzt hat oder zumindest mit dafür verantwortlich war, dass die Bank hohe Strafen zahlen musste", sagt der Jurist. Diese Argumente müssten vor Arbeitsgerichten standhalten, was ungewiss sei, wie die jüngste höchstrichterliche Rechtsprechung zur Rückforderung von Boni zeige.

© SZ vom 30.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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