Manager und ihre Kommunikation:Mehr Ehrlichkeit wagen

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Warum sind die Menschen von der Wirtschaft angewidert und wenden sich ab? Warum schimpfen sie über hochdotierte Manager, die sich selbst bereichern und die Unternehmen ruinieren? Ein Blick auf die selbstgefälligen Darstellungen der Konzerne erklärt alles.

Karl-Heinz Büschemann

Es kommt nicht oft vor, aber es gibt sogar von Unternehmenschefs Sätze, von denen jeder auf Anhieb weiß, dass sie ehrlich sind. Josef Ackermann, der Chef der Deutschen Bank, hat so einen Satz gesprochen. Er war gefragt worden, ob auch im größten deutschen Geldhaus ein kleiner Angestellter ganz allein fünf Milliarden Euro verzocken könnte, so wie bei der französischen Société Générale. Da sagte der Banker nur: "Ausschließen kann ich es nicht."

Das sind ganz neue Töne. Man hätte von ihm einen Satz erwartet wie: "Kann bei uns nicht passieren. Wir haben vorgesorgt." So etwas sagen Manager gern, wenn irgendwo etwas Ungewöhnliches passiert ist. Bei uns besteht keine Gefahr. So geschehen, als die Finanzkrise über die Banken hinwegzufegen begann. Da stürzte die Düsseldorfer IKB im vergangenen Sommer ohne Vorwarnung ins Verderben. In ihren Geschäftsberichten standen lange Abhandlungen über "Risikovorsorge" - aber ohne die Gefahren zu nennen. Die staatliche KfW-Bank musste die IKB retten. Die WestLB erklärte am Anfang der Bankenkrise noch rechthaberisch, dass sie zu 98 Prozent erstklassige Kredite in ihren Büchern habe und die Finanzkrise ihr nichts anhaben könne. Heute kämpft sie ums Überleben. Am Freitag teilte sie mit, dass sie fast ein Viertel ihrer Mitarbeiter feuern muss.

Selbstgefällige Darstellung

Offenbar sind Aussagen von Unternehmen wenig wert. Was soll man davon halten, wenn Infineon-Chef Wolfgang Ziebart am Donnerstag gewaltige Verluste für sein Dauerkrisenunternehmen verkündet und zugleich von "wesentlichen Verbesserungen" im Geschäft redet? Auf manche Leistungen könne er "schon ein wenig stolz sein". An einem Tag, an dem der Infineon-Aktienkurs um mehr als 13Prozent fiel, sind solche Sätze kaum nachvollziehbar. Aber die Aktionäre von Infineon sind Kummer gewöhnt. Als Siemens die Chiptochter 2000 an die Börse brachte, sagte der damalige Chef Ulrich Schumacher in Anzeigen über das Unternehmen großspurig: "Kleine Chips, große Zukunft". Seitdem ist der Infineon-Aktienkurs um etwa 90 Prozent gefallen.

Wer Gründe dafür sucht, warum die Menschen von der Wirtschaft angewidert sind, sich von ihr abwenden und über die Manager klagen, die sich bereichern und gleichzeitig Unternehmen ruinieren, der findet in der selbstgefälligen Darstellung der Konzerne eine Erklärung. Wie sollen die Menschen Vertrauen in die Konzerne fassen, wenn eine der wesentlichen Aufgaben ihrer Manager darin besteht, ihre Leistungen für die Medien schönzufärben und die wahren Vorgänge im Unternehmen zu vernebeln.

Dabei gehört Transparenz zu den Errungenschaften moderner Wirtschaftsführung. Die Unternehmen haben schon lange erkannt, dass es ein Fehler ist, keine Informationen nach außen zu geben. Das sorgt nur für Misstrauen. Doch die Erkenntnis, dass Information dem Verständnis dient, ist schon wieder vergessen. Heute bekommt die Öffentlichkeit von den Firmen vornehmlich Sprachregelungen zu hören, nichtssagende Wortketten, die mehr verschleiern als erklären. Ein Ex-Konzernsprecher von Volkswagen fasst den Zynismus des publizistisch-industriellen Täuschungskomplexes in dem Geständnis zusammen, dass die Kommunikationsabteilungen gut damit zu tun hätten, sich Legenden und Stories über Unternehmen und Chefs aus den Fingern zu saugen. "Wir können gar nicht so viele Geschichten erfinden, wie die Zeitungen drucken wollen."

Potemkinsche Dörfer

In entwaffnender Ehrlichkeit erklärt der Mann, dass die meisten Informationen der Unternehmen keine andere Aufgabe haben, als eine Scheinwelt zu erzeugen. Doch die Potemkinschen Dörfer der PR-Strategen gaukeln Perfektion vor. Darin passieren keine Fehler. Da sind alle Unternehmen die Größten. Es läuft nichts schief. Wenn dann aber doch einmal etwas in die Binsen geht, ein Korruptionsskandal aufgedeckt wird oder nur schlechte Zahlen heranwachsen, ist die Not groß. Dann wundern sich die Konzernstrategen über das mangelnde Vertrauen der Menschen in die Unternehmen. Dabei haben sie mit Hilfe ihrer aufgeblähten PR-Stäbe oft nur Erwartungen geschürt, die nicht zu erfüllen sind. Die Menschen wissen doch, dass Unternehmen oder Manager, die ihre Sache gut machen, auch falsche Entscheidungen treffen. Sie müssen nicht mit Hochglanzschriften und Wortgeklingel auf Pressekonferenzen darüber in Kenntnis gesetzt werden, dass nur die Konkurrenten Fehler machen.

Besser wäre mehr Ehrlichkeit. Das Eingeständnis von Schwächen macht nicht nur sympathisch, es macht auch stark. Wer sich für unverwundbar erklärt, wirkt unheimlich und wird keinen Rückhalt bei Mitarbeitern oder Bürgern finden, wenn doch ein Problem auftritt. Der finnische Konzern Nokia bekommt gerade die Wut der deutschen Öffentlichkeit zu spüren. Der Grund für die geballte Kritik ist nicht allein, dass der weltweit erfolgreiche Handy-Konzern sein Werk in Bochum schließt, sondern dass er es so überraschend tut und er seinen Mitarbeitern den Schritt nach Rumänien nicht vorher glaubwürdig erklärt hat.

Wer durch systematische Schönfärberei in die Irre führt, darf sich nicht wundern, wenn auch Politiker nervös werden und sich das Misstrauen gegenüber der Wirtschaft auf die Regierung überträgt. Dass die jetzige Bundesregierung nach Jahren der Liberalisierung und Befreiung der Wirtschaft von Schranken jetzt wieder den Weg zu mehr Kontrolle und Gängelei sucht, ist auch eine Folge davon, dass sie den Versprechungen der Manager jeden Tag weniger traut.

© SZ vom 09./10.02.2008/mah - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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