Management:Ein Bruch mit der Tradition

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Der neue Chef kommt erstmals von außen. Ulf Schneider kommt von Fresenius und hat ehrgeizige Vorgaben.

Von Silvia Liebrich

Mit dem ersten löslichen Milchpulver für Säuglinge hat der Schweizer Apotheker Henri Nestlé vielen Müttern das Leben leichter gemacht. Dass aus dieser Geschäftsidee einmal einer der größten Lebensmittelkonzerne der Welt entstehen könnte, dürfte er kaum geahnt haben. Sein Unternehmen war noch keine zehn Jahre alt, als er es 1875 verkaufte. Der Name Nestlé steht heute für viel mehr als nur Säuglingsnahrung, obwohl die immer noch zum Kerngeschäft zählt. Der Konzern ist breit aufgestellt, verkauft Wasser, Kaffee, Süßigkeiten und Fertigprodukte, beliefert die Gastronomie und forciert seit einigen Jahren das Geschäft mit der Gesundheit.

Vor allem letzteres geht auf das Konto des Österreichers Peter Brabeck-Letmathe, der das Unternehmen wie kein anderer Manager in den vergangenen Jahrzehnten geprägt hat. Doch nun steht der Konzern vor einer Zäsur. Die alte Garde zieht sich zurück. Auch der bisherige Geschäftsführer und Konzernchef Paul Bulcke räumt seinen Posten, er löst Brabeck-Letmathe als Präsident ab. Und was lange als ungeschriebenes Firmengesetz galt, wird gebrochen: der neue Mann an der Spitze musste sich nicht wie seine Vorgänger im Nestlé-Reich hocharbeiten, sondern er kommt von außen. Ulf Schneider war zuletzt Vorstandsvorsitzender beim Gesundheitskonzern Fresenius.

Umbesetzt wird auch bei der Tochter Nestlé Skin Health, die Hautpflege und Hautmedizin entwickelt. Der neue Chef dort heißt Paul Navarre und kommt vom Botox-Hersteller Allergan. Beide Entscheidungen machen deutlich, wo das Unternehmen seine Zukunft sieht: bei Gesundheits- und Pflegeprodukten - ein hart umkämpfter Markt, der im Gegensatz zu normalen Nahrungsmitteln aber jede Menge Wachstums- und Gewinnchancen verspricht.

Nestlé hat in den vergangenen Jahren bereits viel auf diesem Gebiet investiert, auch in Firmenzukäufe. Zuletzt beteiligte sich das Unternehmen an der US-Firma Aimmune Therapeutics, die unter anderen auf die Behandlung von Lebensmittel-Allergien spezialisiert ist. Nahrungsmittel für Menschen, die etwa keine Milch oder Getreide vertragen, verzeichnen eine rasch wachsende Nachfrage. Weltweit leiden schätzungsweise 250 Millionen Menschen unter solchen Problemen.

Schneider, der zum Jahresbeginn sein Amt antritt, hat ehrgeizige Vorgaben: Der Schweizer Konzern soll 2017 schneller wachsen als die Weltwirtschaft, also mehr als drei Prozent. Längerfristig soll der Umsatz wieder um fünf bis sechs Prozent steigen. Diese Ziele hat Nestlé in den vergangenen drei Jahren verfehlt. Von Schneider erwarten viele Investoren nun frischen Wind und einen weiteren Umbau. Zu den Baustellen, die ihm sein Vorgänger Bulcke hinterlässt, gehört unter anderem der schwächelnde chinesische Markt.

© SZ vom 09.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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