Luxus online:Nur noch ein Klick

Lesezeit: 3 min

Die Richemont-Tochter Net-a-porter und der italienische Händler Yoox fusionieren. Gemeinsam setzen sie im Online-Handel mit Luxuswaren mehr als 1,2 Milliarden Euro um.

Von Elisabeth Dostert und Ulrike Sauer, Rom/München

Eine der Kategorien, unter denen der britische Luxus-Online-Shop Net-a-Porter seine Waren anbietet, heißt "Most wanted". Im Wilden Westen waren so Steckbriefe getitelt: Tot oder lebendig. Kopfgeld 500 oder 1000 Dollar, je nach Schwere des Verbrechens. Bei Net-a-Porter geht es nur um teure Taschen: eine Drew-Bag von Chloé etwa, aus strukturiertem Leder für 1100 Euro. Die Tasche mit "ausgeprägter Weiblichkeit" gehört in jeden Online-Luxus-Shop.

Davon gibt es mittlerweile eine Menge: Sie heißen Polyvore, MyTheresa, Stylebop, Luxodo, Vente-privée oder dress for less. Nun aber ist die Internet-Boutique aus Großbritannien selbst zum Fahndungsobjekt geworden. Auf den Fersen waren Net-a-porter der weltgrößte Online-Händler Amazon - und Yoox, Internetpartner der wichtigsten Designerlabel der Welt. Der amerikanische Goliath gegen den italienischen David.

Das Rennen machte der Winzling aus Europa. Yoox-Gründer Federico Marchetti einigte sich mit dem Schweizer Luxuskonzern Richemont, der seit vier Jahren Eigentümer von Net-a-porter ist, auf die Fusion der beiden Anbieter. Es entsteht die Yoox Net-a-porter Group mit 1,3 Milliarden Euro Umsatz, die mit großem Abstand Marktführer sein wird. Der Genfer Konzern Richemont, der viele exklusive Markenhersteller wie Cartier und Montblanc kontrolliert, hält 50 Prozent des neuen Unternehmens. Die andere Hälfte geht an die Yoox-Aktionäre.

Marchetti und der Richemont-Eigentümer Johann Rupert legten sich ins Zeug, um ihr boomendes Online-Geschäft vor Eindringlingen zu verteidigen. "Mit der Verbindung unserer unterschiedlichen Kompetenzen bieten wir den Luxusmarken noch bessere Chancen auf einer unabhängigen, umfassenden und spezialisierten Plattform", kommentierte der Italiener Marchetti den Vertragsabschluss. Es ginge darum, "die Einzigartigkeit der Luxusbranche zu bewahren", ergänzte der Südafrikaner Rupert.

Die beiden sprechen schon seit zwei Jahren miteinander. Im Herbst 2013 brachen sie die Verhandlungen ab. Man konnte sich nicht auf den Preis einigen, lautete das Gerücht. Nun hat Jeff Bezos den Europäern auf die Sprünge geholfen. Der Amazon-Chef macht kein Geheimnis daraus, dass ihn eine Expansion ins Modegeschäft reizt.

Indiskretionen zufolge soll Richemont für Net-a-porter ein Übernahmeangebot in Höhe von zwei Milliarden Euro auf dem Tisch gehabt haben - in bar. Verlockend war die Offerte nicht, denn der Konzern schwimmt im Geld. Rupert war es offenbar lieber, einen Fuß in der Wachstumsbranche zu halten und seine Erfahrungen im Online-Handel weiter auszubauen, als noch mehr auf die hohe Kante zu legen.

"Wir fühlen uns nicht von Amazon bedroht", sagte Marchetti am Dienstag. Mit dem Massenmarkt habe man schließlich nichts gemein. Lob kam auch aus Rom, vom Regierungschef: "Hut ab, bravissimi", twitterte Matteo Renzi. Kurz nach dem Verkauf des Reifenherstellers Pirelli an die Chinesen und Gerüchten über eine bevorstehende Übernahme der Designschmiede Pininfarina durch Inder tat die Nachricht von der Online-Fusion der wunden italienischen Seele gut. Marchetti, 45, übernimmt die Führung von Yoox Net-a-porter Group. Das fusionierte Unternehmen bleibt an der Mailänder Börse und das Hauptquartier in Italien. Die Stimmenrechte von Richemont sind auf 25 Prozent beschränkt.

An der Börse kam die Nachricht vom Zusammenschluss gut an

Die beiden ergänzen sich gut. Net-a-porter verkauft brandaktuelle Edel-Stücke zum vollen Preis. Yoox fährt mehrgleisig. Neben seinem Internet-Modehaus, das mit Rabatten einem Online-Outlet ähnelt, ist Marchetti direkt mit den Luxushäusern im Geschäft. Er betreibt im Internet Dutzende Mono-Markenshops für die glamourösen Luxuslabel. Gemeinsam haben die Rivalen von gestern nun mehr als zwei Millionen kaufkräftige Kunden und erreichen auf ihren Webseiten 24 Millionen Besucher im Monat.

Beide Modehändler wurden vor 15 Jahren gegründet. In London ahnte Natalie Massenet, 49, früher als andere, was im Internet mit Luxuswaren zu holen ist. Die Tochter eines Models und eines Journalisten hatte ihr Gespür für Mode als Journalistin für Magazine wie Women's Wear Daily und Tatler perfektioniert. 2000 gegründet, erzielte Net-a-porter im vergangenen Jahr 606 Millionen Euro Umsatz - kam aber nie aus den roten Zahlen. Anders Yoox: Mit 524 Millionen Euro Umsatz ist der italienische Händler etwas kleiner als Net-a-porter. Dafür hat er wohl das bessere Geschäftsmodell und macht seit Jahren Gewinn, zuletzt 13,4 Millionen Euro.

Doch das Geschäft mit Luxus wird härter - zumal die Zahl der Anbieter größer wird. Das Netz macht die Preise transparent und mit einem Klick ist der Kunde beim billigeren Anbieter. Ziel des Zusammenschlusses ist es daher auch, sich besser gegen die Konkurrenz zu wappnen. "Die Fusion bringt zwei stark komplementäre Anbieter zusammen", sagt Marchetti. Sie soll das Wachstumspotenzial steigern und durch Synergien 60 Millionen Euro Kosten im Jahr einsparen. An der Börse in Mailand kam die Nachricht blendend an.

© SZ vom 01.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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