Kommentar:Nicht blenden lassen

Lesezeit: 3 min

Kurz vor der Hauptversammlung dringen viele gute Nachrichten aus der Lufthansa-Welt nach außen. Doch der gute Eindruck täuscht. Wenn Vorstandschef Carsten Spohr nicht aufpasst, schlägt das Pendel bald wieder in die andere Richtung aus.

Von Jens Flottau

Für Carsten Spohr läuft es gerade wie am Schnürchen. Kurz vor der Hauptversammlung der Lufthansa am Freitag hat der Vorstandschef das beste Quartalsergebnis seit 2008 verkündet. Der lange Konflikt mit den Piloten hat sich vor wenigen Wochen überraschend verflüchtigt, jetzt müssen die Cockpit-Mitglieder nur noch bei der Urabstimmung zustimmen, dann ist für Jahre Ruhe. Die Konkurrenten Emirates, Etihad und Qatar leiden unter schwacher Nachfrage und Überkapazitäten, Ryanair und Easyjet drohen wegen des Brexit deutlich härtere Zeiten. Und Air Berlin tut alles dafür, um sich vor einer möglichen Pleite noch in den Lufthansa-Verbund zu retten. Alles bestens also für die Aktionäre?

Das wäre eine sehr oberflächliche Betrachtungsweise. Die Wirklichkeit sieht ein klein wenig anders aus.

Lufhansa-Chef Carsten Spohr muss den Umbau der Airline konsquent vorantreiben

Lufthansa profitiert derzeit von ein paar Entwicklungen, die sie alle mehr oder weniger zur gleichen Zeit begünstigen. Doch grundsätzlich hat sich an der schwierigen Lage des Unternehmens wenig geändert. Wenn es dumm läuft, dann schwingt das Pendel bald wieder in die andere Richtung. Spohr kann sich also nicht ausruhen, er muss den Umbau des Konzerns dringend vorantreiben.

Dass Lufthansa derzeit ordentliche Ergebnisse einfliegt, liegt in erster Linie am derzeit günstigen Ölpreis. Doch sobald Kerosin wieder richtig teuer wird, sind die schönen Zeiten vorbei. Wenn man genau hinschaut, dann haben auch jetzt schon die günstigen Treibstoffkosten nicht gereicht, um das Ergebnis erheblich zu verbessern. Denn im ersten Quartal haben die beiden deutschen Airline-Marken des Konzerns, Lufthansa und Eurowings, sogar schlechtere Zahlen abgeliefert als vor einem Jahr. Der Konzerngewinn war nur höher, weil das Fracht- und Technikgeschäft besser lief. Vor allem die Billigsparte Eurowings, auf die Vorstandschef Carsten Spohr so große Hoffnungen setzt, flog einen hohen Verlust ein.

Die Gewinne, die der Flugbetrieb mit der Marke Lufthansa lieferte, sind vor allem Ergebnis des Sparkurses. Seit vier Jahren verkleinert Spohr konsequent die Flotte und streicht defizitäre Strecken. Dadurch hat Lufthansa Marktanteile aufgegeben. Doch das kann nicht ewig so weitergehen. Jetzt muss die Airline wieder wachsen, und zwar profitabel.

Bei Eurowings bezahlt Lufthansa gerade den Preis dafür, dass Spohr und seine Vorgänger den Trend zu Billig- und Direktflügen in Europa jahrelang verschlafen haben. Ryanair und Easyjet wurden jedoch so bedrohlich groß, dass alles plötzlich ganz schnell gehen musste. Die alte, zu teure Germanwings, Teile von Air Berlin und noch ein paar kleinere Flugbetriebe wurden unter das Dach der neuen Marke gezwängt. Bei Eurowings soll alles ganz innovativ sein, sie soll der Gegenentwurf werden zur behäbigen Lufthansa. Doch der Aufbau ist enorm teuer, die hohe Geschwindigkeit verursacht Komplexität und damit hohe Kosten. Allen Behauptungen zum Trotz ist Eurowings noch lange keine Billig-Airline, die mit Easyjet oder Ryanair mithalten könnte.

Die Kosten zu senken, dürfte extrem schwierig werden, und erst recht dann, wenn auch noch der Rest von Air Berlin dazukommen würde. Zwar lockt der Zugang zum lukrativen Markt Düsseldorf, den Air Berlin derzeit abdeckt, aber die Integration würde viel Zeit und Geld kosten. Lufthansa will den heimischen Konkurrenten aber auch deswegen auffangen, um Ryanair und Easyjet vom deutschen Markt fernzuhalten. Das aber wird auf Dauer nicht gelingen. Wie auch sonst im Leben ist Angst kein guter Ratgeber. Lufthansa sollte sich vielmehr darauf konzentrieren, die eigenen Strukturen inklusive Eurowings schnell in Ordnung zu bringen, statt einen aufgeblähten, schwer zu steuernden Apparat zu konstruieren.

Zu den Prioritäten gehören weiterhin die Personalkosten. Durch die Einigung mit den Piloten sind nun wenigstens die rufschädigenden Streiks passé. Und wenn auch im Cockpit das Sparziel von 15 Prozent auf beiden Seiten anerkannt wird, muss ein Blick darauf erlaubt sein, wie es sich zusammensetzt: Die Piloten sollen ein bisschen mehr fliegen für das gleiche Geld, keiner verdient weniger, die Steigerungen für die Crews auf den Kurz- und Mittelstrecken werden ein bisschen geringer, die Abstriche bei der Altersversorgung sind verschmerzbar - aber ist das wirklich ein Spareffekt? Die Einigung ist ein Kompromiss, der Lufthansa langfristig nicht viel weiterhilft. Dass Emirates, Etihad und Qatar auf Dauer schwächeln, darauf sollte man sich auch nicht verlassen. Emirates verdient Geld und ist immer noch der weltweit größte Anbieter internationaler Flüge. Daran wird sich so schnell nichts ändern.

© SZ vom 04.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: