Lobbyismus:Zigarre in der Havanna Lounge

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Von Fall zu Fall: Unternehmen planen mitunter generalstabsmäßig, über welche Themen Zeitungen und Fernsehen zu berichten haben. Das Herbeiführen eines angenehmen Ambientes kann dabei nicht schaden.

Von Hans Leyendecker

In Berlin tummeln sich mehr als 4000 Lobbyisten. Dass ihr Treiben wirtschaftliche Macht ohne Mandat in politischen Einfluss verwandeln kann, davor warnen nicht nur Verfassungsrechtler.

Ort zum Wohlfühlen: Lounge in Berlin. (Foto: Foto: AP)

Recht unbeachtet blieb das Bestreben der Kontaktpfleger, neben der Politik auch Medien für ihre Ziele einzuspannen. Zwei Papiere, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, ermöglichen einen kleinen Einblick in den täglichen Lobbyismus.

Erstens: Ein Vertrag über die "Erbringung von Beratungsleistungen" aus dem Jahr 1999 zwischen dem deutschen Ableger des Konzerns Microsoft und der Hunzinger Public Relations GmbH, die rund um die Münchner Ausstellung Codice Leicester von Leonardi da Vinci PR machen sollte.

Zweitens: Das Papier einer Sitzung des Verbandes der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM), dessen Hauptgegner die Deutsche Telekom AG ist.

"Networking-Konzept"

Der VATM hat eine Arbeitsgruppe Lobbying; Verbandsvertreter trafen sich 2002 mit Berliner Lobbyisten, um ein Networking-Konzept zu erarbeiten. Der Verband, dem Großunternehmen wie Arcor, aber auch Mittelständler wie Jamba angehören, arbeitete zeitweilig eng mit der Berliner Beratungsfirma WMP EuroCom AG zusammen, in der ehemalige Journalisten wie Hans-Erich Bilges oder Hans-Hermann Tiedje im Vorstand wirken.

"Was die WMP EuroCom AG so erfolgreich macht: Sie hat ein riesiges Netzwerk in die Elite gesponnen. Nahezu alle Interessen können abgerufen werden", preist sich die Firma mit Verweis auf ein Buch im Internet. Das VATM-Papier (Titel: "Lobby-Konzept") hält fest, dass der Verband "sich für seine Lobbyarbeit der Dienste des Herrn Bilges" bediene.

Konkret wurde beschlossen, dass "Bilges an Hr. Monti (gemeint ist der damalige EU-Kommissar Mario Monti) herantritt und versucht, diesen zum Schreiben eines persönlichen Briefes an das Bundeswirtschaftsministerium zu bewegen...

"Sensibilisierung der Öffentlichkeit"

Daran anschließend soll eine Aktion Richtung deutsche Öffentlichkeit gestartet werden, in welcher gefordert wird, die Deutsche Telekom AG solle ihr Netz abgeben (parallel zur Forderung bei der Deutschen Bahn). Damit solle die Öffentlichkeit ,sensibilisiert' werden".

Große Anzeigenkampagnen wurden als "zu teuer" verworfen; man setzte ja auf PR und Journalismus. Als Idee für die Mitgliedsfirma Envia.tel wurde fixiert: "Anzeigen bei Zeitungen in Verbindung mit redaktionellem Bericht über Envia.tel."

Dabei sollte stets auf das Ungleichgewicht gegenüber der Telekom hingewiesen werden. Grundlage der Sitzung war ein Networking-Papier. Es liest sich wie eine Gebrauchsanweisung zur Beeinflussung der Öffentlichkeit.

Hintergrundgespräche

So sollten Hintergrundgespräche mit Presseleuten, Politikern und hochrangigen Managern der VATM-Mitgliedsfirmen initiiert werden. "Damit der Kreis der Anwesenden...nicht zu groß wird, sollten zu solchen Veranstaltungen höchstens jeweils vier bis fünf Journalisten eingeladen werden."

Als zusätzliche Gäste böten sich "Staatssekretäre bzw. Abgeordnete aus den maßgebenden Ausschüssen an"; sinnvoll sei es, Themenabende vor wichtigen Sitzungen zu planen. Dabei könnten Entscheidungsträger aus Parlament und Ministerialbürokratie angesprochen werden. Und: "Die Auswahl des Veranstaltungsorts spielt dabei eine wesentliche Rolle: Attraktiv für die Teilnehmer sind Locations, zu denen man nicht ohne weiteres Zugang bekommt (z.B. Havanna Lounge, Capital Club oder ähnliches)."

Zigarren in der Havanna Lounge, zugängliche Staatssekretäre, freigiebige Manager - so stellt sich für manche das ideale Reporterleben dar. Mit einzelnen Abgeordneten und Beamten wollte der Verband zudem in Einzelgesprächen klären, ob sie für die Ziele des VATM gewonnen werden können.

Dazu sollten Treffen mit den Fraktionschefs der Parteien arrangiert werden. Der im August 2004 verstorbene FDP-Politiker Günter Rexrodt habe dem VATM-Präsidium angeboten, einen Kontakt zur FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag herzustellen. Rexrodt arbeitete auch für WMP.

Gelungene Überzeugungsarbeit

Der Verband lobte sich in dem Papier, es sei in der Vergangenheit weitgehend gelungen, die "neutralen Medien" von den VATM-Argumenten zu überzeugen: "Die Berichterstattung in der letzten Zeit war durchaus positiv und von teilweise großer Sachkenntnis; öffentlicher Druck allein jedoch scheint nicht auszureichen.

Die Situation wird jedoch dadurch erschwert, dass sich die Deutsche Telekom AG ständig neue Verbündete an die Seite holt. Als Beispiele nennen wir hier die Kooperationen von T-Online mit dem ZDF und dem Springer-Verlag."

Die Analyse ergab, dass auf allen deutschen Verlagshäusern ein enormer Kostendruck laste, der die Telekom-Werbekampagnen zu "einem noch wichtigeren wirtschaftlichen Faktor werden" lasse: "Dies lässt befürchten, dass eine DTAG-kritische Berichterstattung immer schwieriger wird."

Prozesshansel der Nation

Dennoch müssten entsprechende Versuche unternommen werden: "Dies ist nur durch außergewöhnlich interessante Themen möglich. So sind in Vorbereitung Presseveröffentlichungen über die millionenschwere Lobbyarbeit der DTAG und ihre vielfältigen Beziehungen in die Politik, sowie über die Telekom als Prozesshansel der Nation, der Millionenbeiträge auch für von vornherein nicht zu gewinnende juristische Streitigkeiten ausgibt, nur um Zeit zu schinden."

So also wurden Stories geplant. Der Verband sagt, es seien bei der fraglichen Sitzung vom 10. Januar 2002 Vorschläge diskutiert worden.

Im Lobby-Geschäft sollen Medien wichtige Helfer sein - wenn sie mitmachen. 1999 schloss PR-Unternehmer Moritz Hunzinger einen Vertrag mit Microsoft, deren oberster Chef Bill Gates der reichste Mann der Welt ist.

"Hunzinger wird gezielt die Medien ansprechen und sich um eine Plazierung von Pressematerialien und -texten bemühen", heißt es da, oder: "Hunzinger übernimmt die Planung und Organisation von Kunden- und Presseterminen ...in Absprache mit Microsoft.

Um Platzierung bemüht

Hunzinger hat sicherzustellen, dass es sich um bedeutende und wichtige Kunden und um angesehene Medien handelt. Darüber hinaus wird Hunzinger sich darum bemühen, Herrn Gates bei den Tagesthemen des ARD-Fernsehens sowie - nach Absprache mit Microsoft - in anderen Sendungen beziehungsweise Medien vergleichbaren Ansehens zu platzieren."

Nun, Gates war bei Sabine Christiansen und hatte andere Pressetermine - dazu wäre es aber auch ohne Beziehungsmakler gekommen.

Hunzinger hat nicht schlecht verdient. Im vorliegenden Vertrag waren 160.000 Mark Honorar vereinbart. Insgesamt belief sich das Jahreshonorar von Microsoft für Hunzinger auf 680.000 Mark, zuzüglich Mehrwertsteuer.

© SZ vom 20.01.05 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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