Linked-in und Microsoft:Ins Netz gegangen

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Die Firmenzentrale von Linked-in in Mountain View, Kalifornien. (Foto: David Paul Morris/Bloomberg)

Der größte Software-Konzern kauft für 26 Milliarden Dollar das größte Karriere-Netzwerk. Microsoft will damit zu Google und Apple aufschließen - vor allem auf den Handys.

Von Helmut Martin-Jung, München

Der stets lächelnde Microsoft-Chef Satya Nadella wirkte noch eine Spur fröhlicher als sonst, als er und Linked-in-Boss Jeff Weiner sich von einem PR-Mann zu dem Geschäft befragen lassen. Es ist ein gewaltiges Geschäft: Für 26,2 Milliarden Dollar kauft Microsoft das Business-Netzwerk Linked-in. Es ist die größte Übernahme, die Microsoft je vorgenommen hat und eine der bisher größten überhaupt in der Tech-Branche. Und es könnte eine werden, von der beide Partner profitieren. Eine reine Liebesheirat war es indessen nicht - die Microsoft und Linked-in brauchen sich auch gegenseitig. Schon seit Jahren sei er ein Fan von Linked-in gewesen, erzählt Satya Nadella vor der firmeneigenen Kamera, und man darf annehmen, dass dies vor allem an einem Umstand lag: nämlich dem, dass Microsoft bei mobilen Anwendungen schwer ins Hintertreffen geraten war. Der langjährige Boss Steve Ballmer hatte den Trend zu spät erkannt, der Konzern reagierte träge und oft falsch. Linked-in dagegen war es in den vergangenen Jahren gelungen, nicht nur mehr Nutzer zu gewinnen, aktuell sind es 433 Millionen, das ist ein Wachstum von 19 Prozent im Vergleich zum Jahr davor. Sie brachten die Nutzer auch dazu, ihre App für mobile Geräte zu verwenden. Die Zahl der Mobil-Nutzer stieg um 49 Prozent an, fast 60 Prozent der Mitglieder verwenden mittlerweile die App, nicht mehr den PC. Zuletzt freilich hatte sich dieses Wachstum abgeschwächt, außerdem litt die Firma wie auch Konkurrent Twitter darunter, dass es schwierig war, mit den bestehenden Geschäftsmodellen Geld zu verdienen. Mit dem jetzigen Deal dürfte Linked-in diese Probleme erst einmal vom Hals haben. Microsoft dagegen bringt einen Fuß ins Mobilgeschäft. Hatte der Konzern es doch trotz milliardenschwerer Investitionen in die Handy-Sparte von Nokia nicht geschafft, zu einem signifikanten Mitbewerber von Google und Apple zu werden. Nadella, der Microsoft seit seinem Amtsantritt im Februar 2014 zu einer Cloud-Firma umbaut, legt den Schwerpunkt auf Geschäftskunden, und sein Aufsichtsrat drängt ihn dazu, auf diesem Weg noch schneller vorangehen. Die Angebote für Speicher- und Rechenleistung sowie für die Office-Programme aus der Cloud, genannt Office 365, sie alle sprechen vor allem professionelle Anwender an. Das Netzwerk Linked-in, das bis dato vor allem ein Daten-Verwertungsunternehmen ist, passt da ganz gut ins Konzept. So wie sich etwa Flugbuchungen gleich mit Terminen im Kalender- und Mailprogramm Outlook verbinden lassen, könnten künftig auch News aus der Business-Welt mit der Microsofts Büro-Software verknüpft werden. Und nicht nur das: Wenn die Netzwerke vereint werden, die Microsoft durch Office und andere Programme und Linked-in schon haben, könnte daraus auch ein sehr ernsthafter Konkurrent für Firmen entstehen, die sich mit Kundenbeziehungen befassen - allen voran Salesforce. Linked-in selbst ist bereits seit einiger Zeit auf der Suche nach einem Käufer gewesen, wie eine Unternehmenssprecherin offen zugab. "Um weiter zu wachsen, brauchten wir mehr Geld", sagte sie. Die Aktien des Unternehmens hatten in der jüngeren Vergangenheit an Wert verloren, weil Investoren daran zweifelten, dass Linked-in auf lange Sicht gegen die größeren Netzwerke Twitter und Facebook würde bestehen können. Das beste Angebot habe Microsoft gemacht. Dies auch, weil der Konzern der Bedingung zustimmte, die Linked-in-Chef Weiner und der Hauptanteilseigner und Aufsichtsrats-Boss Reid Hoffman gestellt hatten: Ihre Firma solle eigenständig und Weiner weiter der Chef bleiben. Von der Zusammenarbeit mit Microsoft verspricht sich Weiner neben der gut gefüllten Kasse unter anderem erheblich mehr Reichweite. Auch die neue, Lynda genannte Lern-Plattform von Linked-in lasse sich hervorragend mit der Welt der Microsoft-Programme verbinden, ist Weiner überzeugt.

Hauptgeschäft von Linked-in ist bisher das sogenannte match making, also das Zusammenbringen von Qualifikationen und Jobs. Firmen, die auf der Suche nach Mitarbeitern mit einem bestimmten Profil seien, könnten via Linked-in wesentlich schneller und mit höherer Treffsicherheit geeignete Mitarbeiter finden als mit herkömmlichen Methoden, sagt Lutz Finger. Der deutsche Quantenphysiker entwickelt bei Linked-in Algorithmen, mit denen die Firma das match making perfektionieren will. Die Daten, welche die Nutzer mehr oder weniger unbewusst liefern, ergeben erstaunlich präzise Bilder von Fähigkeiten und Qualifikationen. Die meisten dieser Daten hängen daran, mit wem die Nutzer sich bei dem Netzwerk verbunden haben.

Wenn erst einmal über die Windows-Benachrichtigungen neue Linked-in-Meldungen verteilt würden oder sich Nutzer über Microsofts digitale Assistentin Cortana Informationen über einen Gesprächspartner suchen lassen könnten, sei dies echter Mehrwert, glaubt Microsoft-Chef Nadella. Nach Angaben des Unternehmens nutzen derzeit bereits 29 von 30 im Dax notierten Aktiengesellschaften die Dienste von Linked-in. Und auch der Internetkonzern Google ist ein wichtiger Kunde.

© SZ vom 14.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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