Landwirtschaft:Es muss nicht immer bio sein

Lesezeit: 3 min

Unter Renate Künast stand die konventionelle Landwirtschaft im Abseits. Das könnte unter ihrem Nachfolger Horst Seehofer wieder anders werden - und das muss nicht schlecht sein. Ein Interview mit einem Landwirt, der sich für den Mittelweg ausspricht.

Horst Seehofer plant eine Kehrtwende in der Agrarpolitik: Hatte sich seine Vorgängerin im Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Renate Künast, noch besonders für die Förderung des ökologischen Landbaus eingesetzt, will Seehofer herkömmliche und biologische Produktion gleich behandeln. Ein Rückschritt? Wir haben nachgefragt: Bernhard Rauch bewirtschaftet einen Hof in der Nähe von Ravensburg. Er ist, wie er sagt, ein halber Biobauer.

sueddeutsche.de: Seehofer wertet die konventionelle Landwirtschaft verbal wieder auf. Überrascht Sie das?

Bernhard Rauch: Seine Vorgängerin Renate Künast hat den Fehler gemacht, nur noch von biologischer Landwirtschaft zu reden. Alles andere schien vergessen zu sein. Damit hat sie viele Bauern vor den Kopf gestoßen. Und vielleicht auch die Verbraucher verunsichert. Denn der konventionelle Anbau hat ja mehrere Facetten, die von der Intensivlandwirtschaft bis hin zu sehr extensiven bioähnlichen Landwirtschaft reichen.

sueddeutsche.de: Sie wollen sagen, dass konventionelle Landwirtschaft nicht per se schlecht ist...

Bernhard Rauch: Viele denken bei konventioneller Landwirtschaft sofort an Intensiv-Produktion. Die halte auch ich für falsch. Denn dort wird kaum auf artgerechte Tierhaltung und den gemäßigten Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln geachtet. Doch die ist nicht die Regel. Viele Bauern gehen einen Mittelweg. Dünger und Pflanzenschutzmittel werden nur in Maßen eingesetzt, um ausreichend Futter für den eigenen Betrieb zu erzeugen. Auch wir machen das. So schaffen wir es, dass unsere Kühe beispielsweise fast ausschließlich Futter bekommen, das wir selbst angebaut haben. Sie erhalten weder Wachstumsförderer und allenfalls bei schwerwiegenden Erkrankungen mal ein Antibiotikum.

sueddeutsche.de: Hatten Sie erwogen, nach dem Vorstoß von Renate Künast vollständig auf den Öko-Landbau umzustellen?

Bernhard Rauch: Ja, aber so eine Umstellung ist aufwändig und kann zu kuriosen Ergebnissen führen. Bei uns wäre das der Fall gewesen: Wir haben ein alten Hof mit alten Ställen. Den ganzen Sommer sind unsere Tiere auf der Weide, doch im Winter werden sie im Stall angebunden. Sie stehen dabei zwar auf Stroh, doch zur Einhaltung der Bio-Kriterien müssten sie sich frei bewegen können. Dazu müsste ich aber ein neues Gebäude bauen. Abgesehen davon, dass das Geld dafür nicht vorhanden ist - um die zusätzlichen Investitionen wieder hereinzubekommen, müsste der Stall größer sein als bisher und ich müsste mehr Tiere halten. Doch dafür wären meine Weiden nicht ausreichend groß genug. Ich müsste also weitere Flächen pachten, die entfernter lägen. Das aber würde bedeuten, dass ich weit mehr als bisher den Trecker nutzen müsste und entsprechend mehr Diesel verbrauchen würde.

sueddeutsche.de: Es bleibt also beim Mittelweg?

Bernhard Rauch: Ich glaube, dass das ein sinnvoller Weg ist. Wörter wie Bio und Nachhaltigkeit elektrisieren zwar immer die Verbraucher - das ist auch gut und richtig. Doch alles hat seine zwei Seiten. Hier in der Gegend entstehen beispielsweise mehrere Biogasanlagen, die sicher auf vorteilhafte Art Energie produzieren. Doch zum Betrieb der Kraftwerke wird vor allem Mais eingesetzt. Und je mehr dieser Anlagen entstehen, desto intensiver wird die Maisproduktion sein. Und das ist dann nicht mehr ökologisch. Umgekehrt muss nicht alles schlecht sein, was kein Bio-Etikett trägt: Beispielsweise kann es sinnvoll sein, einen synthetisch hergestellten Dünger zu verwenden, wenn er lediglich den Nährstoffentzug der angebauten Pflanzen bei mäßigem Ertragsniveau ausgleicht. Gleichwohl schaffen wir es auch in der herkömmlichen Produktion, den Einsatz von Dünger zu reduzieren, indem wir etwa Leguminosen anbauen, also etwa Erbsen und Ackerbohnen. Das ist auch im Öko-Landbau üblich: Die Hülsenfrüchte binden Stickstoffe aus der Luft rund reichern damit den Boden an. Da sie überdies eiweißreich sind, brauchen wir auch keine Sojaprodukte zu kaufen, die mittlerweile fast durchwegs gentechnisch verändert sind.

sueddeutsche.de: Wie können Sie denn rentabel wirtschaften, wenn sie einerseits nicht die hohen Preise durchsetzen können, die in der Bioproduktion gezahlt werden, andererseits nicht die Erträge realisieren können, die in der intensiven Landwirtschaft erzielt werden.

Bernhard Rauch: Es gibt öffentliche Programme, die uns dabei unterstützen. Wir produzieren weniger, erhalten aber als Ausgleich dafür Geld. Würde es das nicht geben, müssten wir Kredite aufnehmen, uns vergrößern und die Landwirtschaft intensivieren - oder den Hof aufgeben.

sueddeutsche.de: Kritiker sagen, dass solche Subventionszahlungen den Strukturwandel unterbinden...

Bernhard Rauch: Er fällt nur weniger drastisch aus. Das sichert auf vielen Höfen nicht nur Arbeitsplätze, sondern kommt eben auch dem Verbraucher zu Gute - durch bezahlbare und trotzdem verantwortungsvoll produzierte Produkte.

© Interview: hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: