Kundgebungen am 1. Mai:Löhne, Löhne, Löhne

Lesezeit: 4 min

Die Gewerkschaften nutzen den Tag der Arbeit, um sich für ihr Kernanliegen stark zu machen: Mehr Geld. DGB-Chef Sommer und Verdi-Chef Bsirske fordern Lohnerhöhungen und Mindestlöhne. Und SPD-Chef Beck bemühte sich, da nicht hintanzustehen.

SPD-Chef Kurt Beck umgarnt die Gewerkschaften: Erstmals seit fünf Jahren hat mit ihm wieder ein SPD-Chef auf der zentralen Maikundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes gesprochen. Beck nutzte die Gelegenheit für eine Kritik an den Konzernen und um seine Forderung nach Reallohnerhöhungen und zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes zu erneuern. "Während in den letzten Jahren die Managergehälter und Unternehmensgewinne um jeweils rund 20 Prozent gestiegen sind, sanken die Reallöhne um 0,4 Prozent", sagte Beck in Mainz.

Fordert auf der Mai-Kundgebung des DGB die Einführung eines gesetzlichen und flächendeckenden Mindestlohns: SPD-Chef Kurt Beck (Foto: Foto: dpa)

Darüber hinaus forderte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident laut einer vorab verbreiteten Mitteilung der Mainzer Staatskanzlei die Unternehmen auf, die Arbeitnehmer am Aufschwung zu beteiligen. Die Arbeitnehmer hätten einen entscheidenden Teil dazu beigetragen, dass es zum Aufschwung am Arbeitsmarkt kommen konnte.

"Die Stärke der deutschen Wirtschaft liegt in der Qualität und dem Wissen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Deutschland darf nicht auf 'billig' setzen sondern auf 'gut'", sagte Beck laut der Mitteilung. Zugleich warnte der SPD-Chef in der aktuellen Rentendiskussion davor, Jung gegen Alt aufzubringen. Die Lebensleistung der älteren Generation dürfe nicht vergessen werden.

Zudem bekräftigte Beck seine Forderung nach einem NPD-Verbot. "Dies sind wir den Opfern von Faschismus und Krieg, aber auch einer stabilen und sozialen Demokratie in Deutschland schuldig", erklärte der SPD-Chef. Beck gedachte der Zerschlagung der Gewerkschaften durch die Nationalsozialisten vor 75 Jahren und verurteilte die Aufmärsche von Rechtsextremisten zum 1. Mai. "Alt- und Neonazis darf kein Raum für ihre menschenverachtende Ideologie gelassen werden", verlangte er.

"Unsoziale Verlogenheit"

Beck erinnerte an die Besetzung der Gewerkschaftshäuser durch die Nazis am 2. Mai 1933, nur wenige Tage nach Verabschiedung des so genannten Ermächtigungsgesetzes gegen die Stimmen der SPD. Die Zerschlagung der Arbeitnehmervertretung in Deutschland sei ein weiterer Schritt in die nationalsozialistische Gewaltherrschaft.

Auch DGB-Chef Sommer forderte unter Hinweis auf die Opfer der Naziherrschaft ein NPD-Verbot - und "zwar jetzt". Im Mittelpunkt Kundgebungen zum Tag der Arbeit stand aber die Forderung nach besserer Bezahlung. Die Gewerkschaften fordern in ihrem Aufruf "angesichts explodierender Gewinne, Managergehälter und Dividenden kräftige Reallohnerhöhungen für alle Beschäftigten".

"Unsere Botschaft ist klar, verständlich und machbar: Arbeit darf nicht arm machen - Deutschland braucht den Mindestlohn", sagte DGB-Chef Michael Sommer. Der Mindestlohn sei nicht zuletzt auch wegen der kommenden völligen Freizügigkeit für Arbeitnehmer in der Europäischen Union unabdingbar, sagte Sommer mit Blick darauf, dass es bereits in 20 EU-Mitgliedsländern einen Mindestlohn gibt. "Wer nicht will, dass Kolleginnen oder Kollegen aus Lettland, Irland, Zypern oder Rumänien in Deutschland als Lohndrücker missbraucht werden, der muss sie und die Beschäftigten hier mit gesetzlichen Mindestlöhnen schützen vor Lohndumping, Ausbeutung und Entrechtung", sagte der Gewerkschafter.

Die Politik solle nicht nur über Vollbeschäftigung reden, sondern dort handeln, wo sie es könne. Das reiche von mehr öffentlichen Investitionen über die Förderung von Bildung und Weiterbildung bis hin zur Regulierung der Energiepreise.

Außerdem forderte der DGB-Chef staatliche Investitionen zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen. Sommer sagte, die Gewerkschaften würden sich auch nicht mit drei Millionen Arbeitslosen abfinden.

Sommer kritisierte das Motto der Union ("Sozial ist, was Arbeit schafft") als "unsoziale Verlogenheit". Weder Ein-Euro-Jobs noch unterbezahlte Arbeit für drei oder fünf Euro die Stunde hätten etwas mit guter Arbeit zu tun. "Gute Arbeit ist menschenwürdige Arbeit", erklärte Sommer. Millionen Arbeitnehmer erhielten nur Armutslöhne.

In einem im Vorfeld veröffentlichten Aufruf des DGB heißt es, nur gute Arbeit sei sozial. Der Gewerkschaftsbund fordert die Bundesregierung darin zur Einführung eines Mindestlohns in Höhe von 7,50 Euro auf. Zudem solle sich die Regierung gegen Altersarmut und für die gleiche Bezahlung von Leiharbeitnehmern einsetzen.

Die Rente mit 67 wird als "inhumanes Rentenkürzungsprogramm" bezeichnet. Kritisiert wird in dem Aufruf weiterhin, dass Frauen für die gleiche Arbeit durchschnittlich 22 Prozent weniger als Männer verdienten. Dies sei ein Skandal, den sich Deutschland nicht länger leisten dürfte.

Vergangenes Jahr besuchten laut DGB rund 530.000 Bundesbürger die Mai-Kundgebungen im ganzen Land. Der Gewerkschaftsbund erwartet auch dieses Jahr wieder rund eine halbe Million Menschen.

Auch der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, sprache sich bei einer Mai-Kundgebung gegen Niedriglöhne aus. In Köln forderte er die Eindämmung von Dumpinglöhnen. "Arbeit darf nicht arm machen und Arbeit darf nicht entwürdigen", sagte Bsirske unter dem Beifall der Demonstranten auf dem Kölner Heumarkt.

Deshalb forderten die Gewerkschaften einen gesetzlichen Mindestlohn von 7,50 Euro und eine zügige Anhebung auf neun Euro. Zugleich verlangte Bsirske eine "deutlich angehobene Mindestrente", eine Fortführung der geförderten Altersteilzeit und gleiche Entlohnung von Leih- und Stammarbeitern in Betrieben.

Scharf kritisierte Bsirske den Widerstand von Union und FDP gegen Mindestlöhne und Gleichbehandlung von Leih- und Stammarbeit: "Was ist eine Partei, die Hungerlöhne fortbestehen lassen will, anders als eine Lobby für Hungerlöhne, eine Hungerlohnpartei?" Auch mit der Steuerpolitik der vergangen Jahre ging der Gewerkschafts-Chef hart ins Gericht und bezeichnete sie als "Bereicherungsprogramm für Kapitalbesitzer".

Neben Bsirske und Sommer sprachen auch der IG-Metall-Vorsitzende Berthold Huber in Wolfsburg, der Vorsitzende der IG BCE, Hubertus Schmoldt, in Bremerhaven und IG Bau-Chef Klaus Wiesehügel in Hagen bei Maikundgebungen. An den traditionellen Veranstaltungen nahmen in diesem Jahr rund 100.000 Menschen weniger teil als noch im vergangenen Jahr.

Weniger Teilnehmer als erwartet

Insgesamt zählte der DGB 416.000 Teilnehmer bei 440 Veranstaltungen im ganzen Land, vergangenes Jahr wurde die Zahl mit 530.000 angegeben. Bei der Hauptkundgebung in Mainz mit Sommer und Beck wurden laut DGB sogar nur 1000 Teilnehmer gezählt. Als mögliche Gründe nannte eine Sprecherin neben dem Vatertag den Brückentag am (morgigen) Freitag.

In Bayern starten die Gewerkschaften ein Volksbegehren zur Festschreibung von Mindestlöhnen in einem Landesgesetz. SPD und Grüne haben Unterstützung zugesagt. Die CSU-Landesregierung lehnt das Vorhaben ab.

CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer hat die Forderung der Gewerkschaften nach einem Mindestlohn scharf kritisiert. Haderthauer sagte, der DGB nehme "unter dem Deckmantel der sozialen Gerechtigkeit den Verlust von Arbeitsplätzen in Kauf". Ein gesetzlicher Mindestlohn fördere nämlich die Schwarzarbeit und die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland.

Auch die Schwesterpartei CDU spricht sich vor dem 1. Mai gegen die Forderungen der Gewerkschaften aus. "Wer die Arbeitslosigkeit im 21. Jahrhundert wirklich besiegen will, darf dies nicht mit den Mitteln tun, die genau das Gegenteil bewirken", heißt es in einer am Donnerstag veröffentlichten Erklärung von CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla.

"Für die CDU ist deshalb klar: Mit uns wird es keinen einheitlichen, flächendeckenden Mindestlohn geben, weil dieser Arbeitsplätze vernichtet." Auch der Zeitarbeitsbranche dürften "keine Fesseln angelegt werden", betonte Pofalla. "Denn durch sie wird gerade Langzeitarbeitslosen und Ungelernten der Weg in den Arbeitsmarkt erst eröffnet."

© dpa/AP/Reuters/ddp-bay/bavo/woja/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: