Kultmarken:Das Geheimnis der Besonderen

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VW Bulli, das Jägermeister-Geweih, FC St. Pauli, die Maggi-Flasche oder das altmodische Tannenzäpfle-Etikett - sie alle gelten als Kultmarken. Was aber sind Kultmarken wirklich?

Die inflationäre Verwendung des Begriffs Kult bedeutet noch lange nicht, dass die Welt tatsächlich voller Kultmarken ist. "Zum Kult wird nur das Ungewöhnliche, die Marke, die auf den ersten Blick eben nicht zur Zielgruppe passt, die im 'falschen' Kontext oder zum 'falschen' Moment genutzt wird", sagt Sigrid Schmid, Unit Director bei der GIM Gesellschaft für Innovative Marktforschung.

Fast lässt sich leichter sagen, was nicht Kult ist: ein Plagiat aus Fernost, ein Nutzgegenstand ohne Design oder eine Marke, die von sich selbst sagt, sie sei Kult. Nur wenige Labels, so Svenja Prins, Senior Project Director bei der Marketingforschungsgesellschaft H,T,P, Concept, verkörpern einen "emotionalen Mehrwert" wie "Die Sendung mit der Maus", Brandt Zwieback oder Bionade.

"Einfach nur das tun, was Spaß macht"

Medialogics, das Forschungs-Center der Publicis-Gruppe, hat das Kultphänomen in zwei aufeinander folgenden Studien untersucht. Die aktuell erschienene "Kultmarken II" will Kultmarkentreiber für Marken aus 19 Produktkategorien - vom Auto bis zur Zahnpasta - erkannt haben. Im Vorfeld unterschieden die Forscher bereits drei Kultmarkentypologien: Die "Freaks" sind "ungewöhnlich werbende, junge Kultmarken, provokant und innovativ". Beispiele: Lucky Strike, Red Bull, MTV.

Die "Retros" hingegen sind "Kultmarken, die ihr Revival feiern und auf starke Kernwerte der Vergangenheit und den Wunsch zur Rückbesinnung bauen", wie Puma, Creme 21, Schalke 04 oder Afri Cola. Als "Klassiker" schließlich gelten "Kultmarken mit langer, gewachsener Historie, hoher Verlässlichkeit und starker emotionaler Bindung". Als Beispiele werden Nutella, Nivea, der FC Bayern oder Harley-Davidson genannt.

Zu letztgenannter Gruppe zählt auch Maggi, das seine Würze-Flasche seit 120 Jahren nahezu unverändert anbietet. "Die Maggi-Flasche erinnert an Familie, Zuhause und Wärme", beschreibt Andreas Peters, Marketinggeschäftsführer bei Maggi. An ähnliche Instinkte appellieren Biermarken wie Tannenzäpfle oder Augustiner.

Als Massenmarke hat es auch Puma geschafft, sich einen "Begehrlichkeitsstatus" aufzubauen, obwohl "unsere Kunden so unterschiedlich wie unsere Produkte" sind, so Christoph Peter-Isenbürger, European Marketing Director und Head of Global Media bei Puma. Von Kultmarke will man hier nicht explizit sprechen. Am Beispiel der Sportmarke zeigt sich, dass man nur dann von Kultmarke sprechen kann, wenn eine Zielgruppe in der Marke einen emotionalen Mehrwert erkennt, über dessen gemeinsame Wahrnehmung sich die Verwender verbunden fühlen.

Dabei sind Kultmarken immer auch der Ausdruck von gesellschaftlichen Trends, wie GIM-Forscherin Sigrid Schmid betont. Sie brauchen eine "ideelle Aufladung", übergreifende Werte, die für eine bestimmte Gruppe Personen attraktiv sind. Dies können aber, so Schmid, durchaus Werte sein, die nur ein Teil der Gesellschaft als besonders relevant aufgreift.

Eine solche Interpretation einer Marke durch eine Konsumentengruppe hat nach Ansicht von Svenja Prins Bionade zur Kultmarke gemacht: "Die Entdeckung durch die Clubszene hat die Limonade aus der Manufaktur in den Kultolymp erhoben: Nicht kommerzialisiert und limitiert konnte sie den innovationshungrigen Clubbern den Kontrapunkt bieten." Allerdings bleibe abzuwarten, ob Bionade nach Eintritt in den Massenmarkt den Kultstatus werde beibehalten können.

Gute Kultchancen hat eine Marke auch dann, wenn sie ohne forcierte Tonalität eine produktimmanente Idee transportiert, die nur von einer kleinen, trendrelevanten Zielgruppe wahrgenommen wird. Wie etwa bei der Modemarke Herr von Eden, wo die Mitarbeiter - alle mit ganz unterschiedlichem Background, Musiker, Designer, Maler, Tätowierer - "einfach nur das tun, was Spaß macht", wie Labelmanager Alvaro Pina betont.

Beim Positionieren einer Kultmarke sind also Einfallsreichtum, Gespür für Authentizität und glaubwürdige Botschaften gefragt. Fast nie ist Kultstatus das Resultat eines exakt formulierten Marketingmixes. Zumal kaum planbar ist, ob trendrelevante Zielgruppen darauf ansprechen. Ein absolutes No-Go gibt es jedenfalls bei der Jagd nach Kult: dass Marketingleute ihr eigenes Label Kultmarke nennen.

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