Kultiges Bier:Aus finstrem Tann in die Partyzone

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Wie es das Tannenzäpfle-Bier der Rothaus-Brauerei im Schwarzwald geschafft hat, auch ohne Werbung groß in Mode zu kommen.

Claus Hulverscheidt

Über den Zeitungsartikel mit den Subventionen kann Gerhard Stratthaus bis heute herzhaft lachen. "Da wurde doch tatsächlich spekuliert, wir müssten unsere Brauerei in Rothaus verkaufen, um die staatlichen Zuschüsse an das Unternehmen einzusparen", sagt der baden-württembergische Finanzminister. "Zuschüsse! Wenn hier jemand Zuschüsse erhält, dann ist es der Landeshaushalt - und zwar von der Brauerei."

Es ist tatsächlich eine Art Juwel, das die Stuttgarter Landesregierung da ihr Eigen nennt, und Stratthaus, in Personalunion Minister und Aufsichtsratsvorsitzender der Badischen Staatsbrauerei Rothaus AG, ist gewissermaßen der Vermögensverwalter.

Schweigsame Wirtschaftsliberale

Der 65-jährige CDU-Mann hält sich selbst für einen Wirtschaftsliberalen, aber wenn man darauf zu sprechen kommt, wann denn die Brauerei privatisiert werde, wird er ebenso schweigsam wie der Ministerpräsident und selbst ernannte Ordnungspolitiker Günther Oettinger.

"Die Frau Homburger von der FDP fing bei den letzten Koalitionsverhandlungen wieder mit dem Thema an", erzählt Stratthaus grinsend. "Der habe ich mal die Zahlen vorgelegt - seither ist Ruhe."

Stratthaus sitzt im Kleinbus, der ihn samt Mini-Delegation von Stuttgart ins zweieinhalb Stunden entfernte Rothaus bringt. Längst hat der Bus die Autobahn Richtung Schaffhausen hinter sich gelassen und kurvt auf immer engeren Straßen bergauf, bergab über Land, gräbt sich regelrecht in den Schwarzwald hinein.

"Tannenzäpfle"-Zeit

Kaum vorstellbar, dass hier, mitten im Nirgendwo, das Bier gebraut wird, das unter Deutschlands Szenegängern derzeit Kultstatus besitzt. Wenn in deutschen Wohnzimmern Samstagnacht das Licht aus- und in den Diskotheken der Großstädte die Schweinwerfer angehen, ist "Tannenzäpfle"-Zeit.

Zehntausendfach geht dann die braune Drittelliterflasche mit dem eigentümlichen Aufkleber über die Theke. Ein Design-Student, der in seiner Abschlussarbeit ein stilisiertes blondes Mädel mit Dirndl und blauem Kopftuch neben ein paar Tannenzapfen auf ein Bierflaschenetikett malte, würde wohl durchfallen. Und hieße das Mädel sinnigerweise auch noch "Biergit", läge der Rauswurf wohl nahe.

Partygänger in Berlin, Hamburg und Frankfurt aber lieben "Biergit", und nicht zuletzt deshalb hat Rothaus mit den derart verunstalteten Flaschen im vergangenen Jahr 88 Millionen Euro umgesetzt.

Das ist wenig, gemessen an Branchengrößen wie Warsteiner und Bitburger. Von den 88 Millionen Euro blieben aber 30 Millionen Euro als Gewinn übrig, und ein erheblicher Teil davon wanderte in Form von Dividende und Steuerzahlungen in Stratthaus' Landeskasse.

"Bundesfernsehbiere"

Das ist eine Umsatzrendite, von der die "Bundesfernsehbiere", wie Rothaus-Chef Thomas Schäuble sie abschätzig nennt, ebenso nur träumen können wie Daimler, Siemens und Co.

Dass man sich Rothaus-Land nähert, zeigt die zunehmende Zahl von Blechschildern am Straßenrand. "Das ist ja ein dicker Hund", entfährt es Stratthaus, denn eigentlich darf ein Unternehmen nur am Standort mit Blechschildern werben.

Wer aber wollte sich hier beschweren, rund um einen Ort, der in Wahrheit aus kaum mehr als einer Kreuzung besteht. Und eben aus jener Brauerei, die mit ihrem Anstrich in Altrosa an einen Gutshof aus dem vorletzten Jahrhundert erinnert.

Bis zur Schweizer Grenze sind es keine 20 Kilometer. Dazwischen ist nichts als Wald. Schwarzwald.

Das Wetter schöntrinken

Vor allem im Winter, aber auch an einem regnerischen Herbsttag kann einem das trübe Licht hier aufs Gemüt schlagen. Dann wünscht sich Thomas Schäuble manchmal zurück nach Stuttgart, wo der Bruder des noch berühmteren Wolfgang einst an Stratthaus' Seite als Landesinnenminister diente.

Zudem ist Schäuble eigentlich Weintrinker. Doch an diesem Abend hat er aus der Not eine Tugend gemacht und trinkt einfach abwechselnd ein Glas Wein und ein Rothaus-Pils - wie sein Bier heißt, wenn es vom Fass und nicht in der Drittelliterflasche kommt. Dadurch wird das Wetter draußen zwar nicht besser, es stört aber nicht mehr so.

Schäuble leitet die Brauerei seit drei Jahren, und seither haben Umsatz und Gewinn weiter kräftig zugelegt. Vom Bierherstellen selbst versteht der Ex-Minister nicht viel, das überlässt er dem von ihm verehrten Braumeister Max Sachs.

Eine Million Flaschen am Tag

Die Zahlen aber hat Schäuble im Griff: Etwa eine Million Flaschen produzieren die 230 Mitarbeiter am Tag. Die gesamte Anlage ist hochmodern, die Produktivität mit 4400 Hektolitern pro Jahr und Mitarbeiter deutlich höher als im Branchenschnitt.

Und weil Rothaus keine Rabatte gibt, keinen einzigen Euro Schulden hat und vor allem auf Werbung beinahe komplett verzichtet, gilt dies eben auch für den Gewinn.

Mittlerweile stößt Rothaus aber an seine Grenzen. In trockenen Sommern reicht das Wasser der sieben eigenen Quellen nicht mehr. Die Frage lautet deshalb: Gibt man sich mit dem Erreichten zufrieden oder wächst man weiter?

Eigentlich ein ziemlich unattraktiver Standort

Zum Beispiel durch den Aufbau eines zweiten Standorts. Oder den Gang an die Börse. "Würden wir das machen, würden wir ganz schnell von einem der Großen übernommen. Dann wäre der eigentlich ja ziemlich unattraktive Standort Rothaus bald Geschichte", sagt Schäuble.

Das wäre nicht nur für viele Menschen in der strukturschwachen Region katastrophal. "Tannenzäpfle" würde auch, da ist der Chef überzeugt, seinen Kultstatus verlieren.

"Bleib bei dem, was du kannst", ist ein Lieblingssatz Schäubles, und deshalb werden er und Stratthaus wohl auch bei der nächsten Hauptversammlung ihrer AG wieder einem Beamten aus Stratthaus' Ministerium gegenübersitzen, der den Großaktionär aus dem fernen Stuttgart vertritt. Das klingt albern. Ist es auch. Doch Ordnung muss sein, "und nach einer halben Stunde ist schließlich alles vorbei", sagt der Finanzminister.

Ohne Hilfe des Staates

Überhaupt: Was heißt schon privat? "Privat heißt, dass sich ein Unternehmen ohne Hilfe des Staats am Markt behaupten muss. Wer die Aktionäre sind, ist dabei zweitrangig", doziert Stratthaus zu später Stunde.

Schäuble verweist nicht ohne Schadenfreude darauf, dass er immerhin eine Aktiengesellschaft führe, während Bayerns Staatsbrauereien unter direkter Regie der Landesregierung stehen. "Wir sind", sagt Schäuble, "eine unabhängige Regionalbrauerei mit bundesweiter Ausstrahlung." Das erinnert dann doch an die CSU.

© SZ vom 19.10.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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