Krawalle in London:Stadt im Ausnahmezustand

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Die Proteste in London eskalieren: Wütende Gipfel-Gegner stürmen die Royal Bank of Scotland. Die Polizei versucht, die Menge aufzuhalten - vergeblich: Fensterscheiben gehen zu Bruch - mehrere Beamte und Demonstranten werden verletzt.

Die Londoner City gleicht einem Hochsicherheitstrakt: Tausende Polizisten sind in der britischen Hauptstadt im Einsatz, Hubschrauber kreisen über dem Stadtzentrum, Gebäude sind verbarrikadiert, Straßen gesperrt. Die Finanzszene fürchtet sich vor den Demonstranten, die gegen den G-20-Gipfel mobil machen - und sie fürchten sich nicht ohne Grund.

Demonstranten im Finanzzentrum Londons: 4000 aufgebrachte Menschen lassen ihrer Wut freien Lauf. (Foto: Foto: AFP)

Tausende aufgebrachte Menschen haben ihrem Unmut am Nachmittag freien Lauf gelassen. Sie schimpften lautstark auf die Staats- und Regierungschefs der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer, die für die weltweite Rezession verantwortlich seien und forderten Maßnahmen gegen Klimawandel und Armut.

Alarmstimmung im Bankenviertel

Mit Sprüchen wie "Bestraft die Plünderer" und "Wir brauchen sauberen Kapitalismus" zogen sie zunächst zur Notenbank. Zahlreiche Straßen und Eingänge zu Bahnhöfen wurden gesperrt. "Stürmt die Bank" und "Schande über euch", hieß es in Sprechchören. Die Protestierenden machten sowohl ihrem Unmut über das Finanzsystem als auch über Jobverluste Luft.

Besonders im Bankenviertel herrschte Alarmstimmung. Aus Angst vor möglichen Angriffen tauschten einige Banker ihre Anzüge gegen Jeans und Jacke. Andere provozierten hingegen die Demonstranten und winkten mit Zehn-Pfund-Noten aus ihren Bürofenstern.

Wut auf die Royal Bank of Scotland

Die Londoner Polizei war mit einem immensen Sicherheitsaufgebot vor Ort. 2500 Beamte waren im Einsatz, manche Quellen sprechen sogar von 10.000 Polizisten. London erlebt dieser Tage eine der größten Sicherheitsoperationen in der britischen Geschichte.

Doch es half nichts. Die G-20-Gegner drangen trotzdem in ein Gebäude der Royal Bank of Scotland ein, die im Zentrum ihres Ärgers steht. Die teils vermummten Demonstranten zerschlugen erst Fenster und bahnten sich dann ihren Weg in das Gebäude der Bank. Drucker und andere Gegenstände flogen aus dem Fenster.

Ein Sprecher der Bank erklärte, in dem Gebäude sei kein Mitarbeiter gewesen. Das Gebäude sei vorsichtshalber geschlossen worden. Die Royal Bank of Scotland ist besonders von der Krise betroffen, nachdem sie im vergangenen Jahr einen Rekordverlust in der britischen Finanzgeschichte verbucht hatte und der damalige Chef dennoch eine riesige Pension erhielt.

Im zweiten Teil: Demonstranten vor der britischen Notenbank - und böse Worte gegen Premierminister Gordon Brown.

Ein anderer Ort, ähnliche Szenen: Hunderte Demonstranten versuchten nach Angaben der Polizei, sich mit Gewalt ihren Weg zur britischen Notenbank zu bahnen. Die Polizei hielt mit Schlagstöcken dagegen. Rund 1200 Demonstranten waren vor der Bank of England eingekesselt. Rufe wurden laut: "Schafft das Geld ab!"

Mehrere Demonstranten und Polizisten wurden verletzt - zahlreiche Demonstranten festgenommen. Acht Protestierende nahm die Polizei laut einem Sprecher in der Nähe von Bishopsgate am Rande des Finanzviertels in Gewahrsam. Sie hätten Uniformen dabei gehabt, hieß es.

"Tag der Finanznarren"

Um einen als Sensenmann verkleideten Aktivisten scharten sich Demonstranten, die lautstark forderten, Premierminister Gordon Brown und die Investmentbanker auf den Scheiterhaufen zu bringen. "Sie haben unser Geld gestohlen", hieß es auf einem Plakat.

Aus der Menge wurden Bildnisse der "Vier Reiter der Apokalypse" emporgestreckt, die für Krieg, Klimachaos, Finanzverbrechen und Obdachlosigkeit stehen sollen. "Die Gier, die die Menschen antreibt, zerreißt uns", rief ein Demonstrant.

Der Musiker Billy Bragg verurteilte ausufernde Bonuszahlungen an Banker und rief zu Veränderungen auf. Die Veranstalter der Protestaktionen haben den 1. April vom "April Fools' Day" zum "Financial Fools' Day" (Tag der Finanznarren) erklärt.

Ein Ende der Proteste ist indes nicht in Sicht: Am Donnerstag, dem eigentlichen Gipfeltag, sind mehrere Demonstrationen um den Tagungsort in den Londoner Docklands geplant. Dann kommen die 20 Staats- und Regierungschef der wichtigsten Industrienationen zu Beratungen über die Weltwirtschaftskrise zusammen.

© sueddeutsche.de/Reuters/dpa/AFP/AP/tob/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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