Kraftwerke:Schmutz, lass nach!

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Europas klimaschädlichste Kraftwerke stehen in Deutschland. Um das Klimaziel bis Ende des Jahrzehnts noch zu erreichen, hat Wirtschaftsminister Gabriel kürzlich eine Strafabgabe ins Spiel gebracht.

Von Jan Willmroth, München

Eigentlich war es ein Tag für Rekorde. Als am Dienstag Orkantief Niklas über Deutschland fegte, Bäume umriss und den Bahnverkehr in einigen Landesteilen fast völlig zum Erliegen brachte, standen allerdings nicht nur Züge still. Auch etliche Windkraftanlagen im Norden der Republik mussten abgeschaltet werden, weil bei Orkanböen so enorme Menge an Windstrom erzeugt werden, dass sie keinen Platz im Stromnetz finden. Vor allem für die Höchstspannungsleitungen gen Süden wurde der Orkan zur Belastungsprobe.

Auf einen anderen Energieträger ist hingegen bei jedem Wetter Verlass: die Braunkohle. Sie erlebt eine Renaissance, seit acht Kernkraftwerke abgeschaltet wurden, eine Folge der Havarie des japanischen Kraftwerks in Fukushima 2011. Durch den vollständigen Atomausstieg bis 2022 müssen fossile Kraftwerke die wetterabhängige Ökostromerzeugung ausgleichen. Die Braunkohlekraftwerke laufen rund um die Uhr, trotz des sinkenden Stromverbrauchs und des Ausbaus der Erneuerbaren. Allerding verursacht kein anderer Brennstoff im deutschen Strommix (siehe Grafik) mehr Kohlendioxidemissionen als die Braunkohle.

Die deutschen Kohlemeiler zählen zu den schmutzigsten in Europa. Wie eine von der britischen Klimaschutzorganisation Sandbag veröffentlichte Analyse europäischer Emissionsdaten ergab, stehen sechs der zehn Kraftwerke mit dem höchsten Kohlendioxidausstoß auf deutschem Boden; unter den schmutzigsten fünf sind vier deutsche. Drei davon - Neurath, Niederaußem und Weisweiler - betreibt der Essener RWE-Konzern; Platz vier belegt der schwedische Energiekonzern Vattenfall mit seinem Kraftwerk Jänschwalde. Spitzenreiter ist die polnische PGE mit ihrem Kraftwerk in Bełchatów.

Auf die deutsche Braunkohle entfallen allein etwa 13 Prozent der CO₂-Emissionen im europäischen Stromsektor - 2010 waren es noch elf Prozent. Insgesamt sind die Emissionen aus Kraftwerken rückläufig, sie fielen europaweit seit 2010 um 13 Prozent, während die Braunkohleemissionen in Deutschland in diesem Zeitraum leicht stiegen.

Unter dem Strich stieß aber auch Deutschland im vergangenen Jahr weniger klimaschädliche Gase aus. Dank des milden Winters seien die Kohlendioxid-Emissionen im Vergleich zu 2013 um 41 Millionen Tonnen oder 4,3 Prozent gesunken, gab das Umweltbundesamt in dieser Woche bekannt. Auch die Emissionen aus Braunkohlekraftwerken sanken dank der milden Temperaturen leicht. Bis 2020 soll der deutsche CO₂-Ausstoß nach den Zielen der Bundesregierung um 40 Prozent gegenüber 1990 sinken. Aktuell liegt der Rückgang bei 27 Prozent.

Um das Klimaziel bis Ende des Jahrzehnts noch zu erreichen, hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel kürzlich eine Strafabgabe für Kohlekraftwerke ins Spiel gebracht. Betreiber von mehr als 20 Jahre alten Kraftwerken sollen eine Abgabe zahlen, um die Emissionen der rund 500 fossilen Kraftwerke in den nächsten fünf Jahren um zusätzliche 22 Millionen Tonnen CO₂ zurückzufahren. Anfang der Woche hatte RWE gewarnt, die Pläne gefährdeten in der Braunkohle-Industrie 30 000 Arbeitsplätze.

© SZ vom 02.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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