Korruptionsaffäre bei Siemens:"Sehr gefremdelt"

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Ex-Staatsanwalt Daniel Noa sollte den Korruptionsskandal bei Siemens rasch aufklären - blieb aber nur die Probezeit. Nun wird ein "international erfahrener Compliance-Experte" gesucht.

Hans Leyendecker

Nach nur sechs Monaten im Amt scheidet der Chef der Anti-Korruptions-Abteilung von Siemens, Daniel Noa, 55, Ende Juni wieder aus. Der gelernte Staatsanwalt soll nach Konzernangaben durch einen "international erfahrenen Compliance-Experten" ersetzt werden. Der neue Vorstandschef Peter Löscher will den Nachfolger mit auswählen.

Daniel Noa (Foto: Foto: Martin Storz / Graffiti)

Noa war erst Anfang dieses Jahres als Chef der Anti-Korruptions-Abteilung in die Dienste des Münchner Konzerns getreten - er sollte auch helfen, den Korruptionsskandal aufzuklären, bei dem Siemens selbst fragwürdige Zahlungen in Höhe von mindestens 420 Millionen Euro eingeräumt hatte. In den vergangenen Jahren war die Compliance-Abteilung von Siemens, die für Ethik und Anstand sorgen sollte, durch sehr zögerliches Verhalten aufgefallen.

Begrenzte Englisch-Kenntnisse

Noa soll nach seinem Ausscheiden als angestellter Berater bis Ende nächsten Jahres dem Konzern zur Verfügung stehen. Bis ein Nachfolger feststeht, der in Abstimmung mit dem neuen Konzernchef Löscher bestellt werden soll, wird der Chefsyndikus des Konzerns, Paul Hobeck, das Amt übernehmen.

Noa hatte rund zwanzig Jahre als Strafverfolger im Bereich der Wirtschaftskriminalität gearbeitet. Mitte der neunziger Jahre war er Leiter der Stabsstelle Recht der Treuhandanstalt in Berlin gewesen. Die Abwicklungsbehörde der DDR-Wirtschaft ging damals Hinweisen auf Korruption und Betrug in den neuen Bundesländern nach.

Headhunter wurden auf Noa aufmerksam. Sie sprachen mit ihm vor rund neun Jahren über einen möglichen Wechsel zu Siemens, aber das Projekt hatte sich dann zerschlagen.

Bis zu seinem Wechsel nach München hatte er als Abteilungsleiter für Verkehrsdelikte bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart gearbeitet und war zuständig für den Raum Stuttgart bis Waiblingen. Die Abteilung Verkehrsdelikte gilt innerhalb der Staatsanwaltschaften eher als Abstellgleis.

Noa war in den großen Krisentagen bei Siemens Ende vorigen Jahres gefragt worden, ob er wechseln wolle: "Vielleicht haben da manche den Kopf geschüttelt, ich habe es aber gerne gemacht, man muss vielseitig sein", hatte er erklärt.

Sein Name war von dem Noch-Siemens-Personalvorstand Jürgen Radomski und dem ehemaligen Compliance-Chef Albrecht Schäfer ins Spiel gebracht worden. Der damalige Siemens-Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer hatte dann mit dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU) vereinbart, dass Noa vom Staatsdienst freigestellt werde und ein Rückkehrrecht habe.

In der Business-Welt von Siemens kannte er sich nicht aus und hat, wie ein Top-Manager sagt, "sehr gefremdelt". Auch sind seine Englisch-Kenntnisse begrenzt, was in einem Konzern wie Siemens, der amerikanische Anwälte im Haus hat - aber auch sonst - ein Handicap ist.

Noa, der am Ende seiner Probezeit den Compliance-Posten aufgibt, redet nicht über die Gründe seines Weggangs. Das Schweigen ist offenkundig Teil der Vereinbarung, die er mit dem Siemens-Vorstand getroffen hat.

Vertraute von ihm sagen allerdings, Noa sei unglücklich darüber gewesen, dass er seine Strukturpläne nicht habe durchsetzen können. So habe er es als Fehler kritisiert, dass seine Abteilung der Rechtsabteilung des Konzerns zugeschlagen worden sei. Es habe auch mit dem Chefsyndikus Hobeck Reibereien gegeben. Noa wird von einem Vertrauten mit dem Satz zitiert, es sei "schon unsinnig, dass jemand, der kontrollieren soll, eine Probezeit hat".

GSG-9-Leute sollten helfen

In seiner kurzen Amtszeit hat er dennoch einiges auf den Weg gebracht: Er entwickelte ein ehrgeiziges Compliance-Programm, das er vor Wochen auf einer internationalen Konferenz von Siemens im Führungscenter Feldafing präsentierte. Dazu gehörte eine Art Strafverfolgungsapparat mit Spezialisten für Revision, Forensic Accounting und IT-Experten. Sogar GSG-9-Mitarbeiter sollten bei Siemens mitarbeiten.

Der Abschied des Oberstaatsanwalts fällt mit einer anderen Personalie in der Compliance-Welt zusammen: Am 1. Juli nimmt der Frankfurter Oberstaatsanwalt Wolfgang Schaupensteiner die Arbeit als Chef der Compliance-Abteilung bei der Deutschen Bahn auf.

Bei der Neugestaltung der Compliance-Abteilung wird sich Siemens ein Stück am amerikanischen Mischkonzern General Electric (GE) orientieren. Compliance hat bei dem US-Konzern, der als Hauptkonkurrent von Siemens gilt, eine lange Tradition. Bereits vor 63 Jahren wurde bei GE ein "Green Binder" eingeführt, der strenge Regeln für Ethik und Anstand im Geschäft enthielt. Diese Regeln sind bei GE immer weiter verfeinert worden. Siemens-Aufsichtsrat Gerhard Cromme und auch Löscher, der vor Jahren im GE-Vorstand gearbeitet hat, haben das GE-System als "Benchmark" für Siemens gelobt.

© SZ vom 29.06.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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