Konsumforscher warnen:Werbeanrufe entwickeln sich zur Landplage

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Die Zahl der Werbeanrufe in deutschen Haushalten hat sich 2006 dramatisch erhöht. Verbraucherschützer drängen auf schärfere Gesetze.

Paul Katzenberger

Nach einer Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) betrug die Zahl der telefonischen Werbekontakte in den ersten drei Quartalen 2006 etwa 224 Millionen und damit 31,3 Prozent mehr als im entsprechenden Vorjahreszeitraum.

Lästiger Anruf: Kaltakquise per Telefon ist in 95 Prozent aller Fälle unerwünscht. (Foto: Foto: AP)

Den größten Marktanteil im telefonischen Marketing haben demnach Lotterien und Gewinnspiele, gefolgt von der Telekommunikations-, der Buch- sowie der Medienbranche.

Die Zahlen rechnete die GfK anhand einer Stichprobe von 4500 deutschen Haushalten auf die Gesamtbevölkerung hoch, wie ein Sprecher am Mittwoch in Nürnberg erläuterte.

Umfrage der Verbraucherschützer

In einer Umfrage der Verbraucherzentrale gaben 95 Prozent der Befragten an, sie fühlten sich durch unerwünschte Telefonwerbung belästigt.

Allein in Nordrhein-Westfalen beschwerten sich pro Jahr mehr als 12.000 Verbraucher über ungebetene Anrufe von Unternehmen, die ihnen Produkte und Dienstleistungen "andrehen wollen", erklärte der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) in Berlin. Er fordert "empfindliche Bußgelder" für unerbetene Telefonwerbung.

Nach dem seit Juli 2004 geltenden Wettbewerbsrecht ist Telefonmarketing nur mit dem Einverständnis des Angerufenen erlaubt. Die bis Juli 2007 umzusetzende EU-Richtlinie gegen unlautere Geschäftspraktiken fordert unter anderem einen wirksamen Schutz gegen unerwünschte Werbung am Telefon.

"Bußgelder zu niedrig"

Die bislang verhängten Bußgelder seien viel zu niedrig, sagte die vzbv-Rechtsexpertin Vilma Niclas zu sueddeutsche.de: "Selbst große Unternehmen, die bereits zu Bußgeldern verurteilt wurden, lassen sich dadurch nicht stoppen. Das spricht dafür, dass sich diese Praxis trotz der Strafen lohnt."

Aus telefonischer Kaltakquise entstandene Verträge sollten künftig nicht bindend sein und die Gewinne abgeschöpft werden können, erklärte der vzbv weiter: "Wenn das anrufende Unternehmen einfach behauptet, am Telefon sei ein mündlicher Vertrag abgeschlossen worden und deswegen eine Rechnung rausschickt, dann kann es die Gewinne daraus nicht einfach einstreichen können", argumentiert Niclas.

Bei vielen Bagatellfällen würden die Verbraucher einfach nachgeben, da sie keine Scherereien haben wollten: "Wem eine Rechnung über zehn Euro ins Haus flattert, der zahlt halt oft einfach, weil der Aufwand, sich dagegen zu wehren, so groß ist", sagt die Verbraucherschützerin.

"Unterdrückung von Rufnummern verbieten"

Außerdem fordert der vzbv, die Unterdrückung von Rufnummern bei Werbeanrufen zu verbieten. Eine solche Maßnahme würde helfen, gegen die anrufenden Unternehmen vorzugehen. Diese ließen sich dann leichter ermitteln, so Niclas.

Eine Sprecher des Bundesjustizministeriums bestätigte, dass wegen der unerbetenen Telefonwerbung ein Treffen mit dem vzbv stattgefunden habe.Zu den Ergebnissen könne er aber noch keine Angaben machen.

Die Grünen-Fraktion will nach Angaben einer Sprecherin noch in dieser Woche einen Antrag für ein Verbot der Telefonwerbung in den Bundestag einbringen.

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