Konkurrenzkampf:Da waren's nur noch zwei

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Erfolgreich ist Embraer mit seinen großen Regionaljets – E-Jets genannt, die 70 bis 120 Sitze bieten. (Foto: Mark Elias/Bloomberg)

Der amerikanische Flugzeugbauer Boeing übernimmt seinen brasilianischen Rivalen Embraer - und hat damit nur nur noch einen Konkurrenten bei großen Zivilflugzeugen: Airbus. Die Verhandlungen haben sich Monate lang gezogen.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Im Herbst 2017 hatte Airbus-Chef Tom Enders die Flugzeugbranche in Aufregung versetzt. Still und heimlich hatte Airbus mit der kanadischen Regierung und dem angeschlagenen Mischkonzern Bombardier über den Einstieg bei dem ambitionierten, aber defizitären C Series-Projekt verhandelt. Am Ende hatten sich die Beteiligten darauf geeinigt, dass Airbus die Mehrheit an dem Programm übernimmt und somit seinem Portfolio ein modernes Flugzeug mit 110 bis 150 Sitzen hinzufügen konnte.

Welche Entwicklungen der Schritt in der Branche ausgelöst oder zumindest beschleunigt hat, machten der Airbus-Rivale Boeing und der brasilianische Flugzeugbauer Embraer am Donnerstag deutlich: Boeing wird 80 Prozent der Embraer-Zivilflugzeugsparte übernehmen und kann damit bald eine noch breitere Produktpalette bieten als Airbus, nämlich Maschinen mit 70 bis 450 Sitzen.

Vor allem aber ist der Schritt der wahrscheinliche Endpunkt einer über viele Jahrzehnte voranschreitenden Konsolidierung in der Branche. Von den vier westlichen Herstellern großer Passagierjets - Boeing, Airbus, Embraer und Bombardier - bleiben nur noch zwei. Noch bis in die 60er Jahre hinein hatten in Europa Frankreich, Deutschland und Großbritannien versucht, mit ihren eigenen Zivilflugzeugprogrammen erfolgreich zu sein. Dann erkannten sie, dass sie gemeinsam größere Chancen gegen die amerikanischen Konkurrenten Boeing, Douglas oder Lockheed haben würden und schlossen sich zum Airbus-Konsortium zusammen. Kleinere Anbieter wie Fokker (einst Teil von Daimler-Benz Aerospace) oder Dornier verschwanden vom Markt, auch British Aerospace baut schon lange keine Regionalflugzeuge mehr. Der Turboprop-Hersteller ATR gehört Airbus und dem italienischen Konzern Leonardo zu gleichen Teilen.

Embraer wurde 1969 vom brasilianischen Staat gegründet. Nach Fast-Pleite und Privatisierung wurde das Unternehmen immer erfolgreicher und ist derzeit, basierend auf den E-Jets genannten großen Regionalflugzeugen, der drittgrößte Passagierjet-Hersteller nach Boeing und Airbus. Die E-Jets haben zwischen 70 und 120 Sitzen, gerade erst hat Embraer die zweite Generation der Baureihe, genannt E2, auf den Markt gebracht. In der Branche genießt Embraer zudem großes Ansehen wegen der vielen gut ausgebildeten Ingenieure, die für Boeing noch von großem Nutzen werden könnten.

Boeing zahlt gemäß der bislang noch nicht verbindlichen Einigung mit Embraer für den 80 Prozent-Anteil an der Zivilflugsparte 3,8 Milliarden Dollar. In den kommenden Wochen wollen beide Unternehmen weitere finanzielle und operationelle Details verhandeln. Fest steht aber, dass das Hauptquartier des geplanten Gemeinschaftsunternehmens in Brasilien bleiben und von einem eigenen Vorstandschef geleitet werden soll. Dieser soll direkt Boeing-Konzernchef Dennis Muilenburg unterstellt werden. Als Kandidat für den Posten gilt der ebenso ehrgeizige wie kompetente Ire John Slattery, der jetzt das Zivilfluggeschäft von Embraer leitet. Sobald das Geschäft abgeschlossen ist, womit Boeing und Embraer wegen der langwierigen Genehmigungsprozesse erst für Ende 2019 rechnen, können die beiden Partner Flugzeuge in Verkaufskampagnen gemeinsam anbieten. Damit vollziehen sie genau den Schritt nach, den Airbus mit der C Series von Bombardier schon gemacht hat. Seit 1. Juli hält der europäische Konzern 50,01 Prozent der Anteile an dem Programm und ist dem Vernehmen nach dabei, schon bei der wichtigen Branchenmesse in Farnborough übernächste Woche mit Großaufträgen zu punkten. Der erste Test findet bei der amerikanischen Airline JetBlue statt. Sie will eine Flotte von 60 E-Jets ersetzen - entweder mit C Series-Maschinen oder mit den neuen E2-Modellen. Auch weitere Airlines planen größere Aufträge. Die Zeit für Embraer und Boeing drängt also, zumal die beiden erst gemeinsam agieren können, wenn alle Genehmigungen vorliegen.

Für Embraer liegt der Reiz des Verkaufs aber an den enormen Wachstumsperspektiven. Die Brasilianer haben sich das Ziel gesetzt, bei künftigen Boeing-Projekten wie dem "New Mid-Market Airplane", das 2025 fertig sein soll, und einem Nachfolger des Bestsellers 737 mitzumachen. Vielleicht springt sogar ein eigenes größeres Kurz- und Mittelstreckenflugzeug heraus.

Die Verhandlungen zwischen Boeing und Embraer haben sich über Monate hingezogen. Komplex waren sie vor allem, weil das brasilianische Unternehmen auch eine Verteidigungssparte hat, die die Regierung nicht unter der Kontrolle eines ausländischen Unternehmens sehen will. Die Präsidentschaftswahlen finden im Oktober statt, mit völlig ungewissem Ausgang. Wer auch immer neuer Präsident Brasiliens wird, wird bei der Transaktion das letzte Wort haben. Doch auch für das Verteidigungsgeschäft zeichnet sich eine Lösung ab: Boeing soll künftig bei der Vermarktung der Flugzeuge helfen.

© SZ vom 06.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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