Konkurrenz:Vorbei mit harmlos

Lesezeit: 3 min

Ein Waze-Nutzer in Kalifornien. Google will den Navigationsdienst nutzen, um Fahrer und Mitfahrer zusammenzubringen und so Uber Konkurrenz zu machen. (Foto: Paul Sakuma/AP)

Einst war der Mitfahrdienst Uber ein nettes kleines Investitionsobjekt für Google. Heute schenken sich beide nichts: Der eine wirbt dem anderen gern die Mitarbeiter ab.

Von J. Kuhn und K. Werner, New York

Es gab einmal eine Zeit, in der galt Uber im Silicon Valley als freundlicher Zwerg, den jemand unter seine Fittiche nehmen sollte. Google hat das übernommen - und als einer der ersten Unterstützer 258 Millionen Dollar in das Fahrdienst-Startup investiert. Doch spätestens jetzt ist die nur wenige Jahre alte Rollenverteilung des großzügigen Förderers und dankbaren Förderlings vorbei. "Google nimmt es mit Uber auf", schreibt das Wall Street Journal. Ist die nächste Fehde zweier milliardenschwerer Tech-Firmen um ein wichtiges Zukunftsfeld ausgebrochen?

Heute ist Uber mit fast 70 Milliarden Dollar bewertet, trotz der Millionen-Investitionen hält Google gerade mal einen Anteil von geschätzten sechs bis sieben Prozent an dem rasant wachsenden Start-up aus San Francisco. Und die einst so freundschaftlich verbundenen Unternehmen werden immer mehr zu Konkurrenten. Google baut laut Medienberichten ein Pilotprojekt aus, das Uber Kunden abjagen könnte.

Schon seit Mai können 25 000 Mitarbeiter einiger Firmen in und um San Francisco eine Mitfahr-Funktion der App Waze verwenden. Waze ist der Smartphone-Navigationsdienst eines israelischen Start-ups, das Google 2013 gekauft hat. Der Gedanke hinter Uber und der Google-App Waze ist ähnlich, aber nicht identisch: Uber vermittelt Fahrer von Privatautos per Smartphone an Nutzer, die für eine Fahrt Geld bezahlen, Uber ist also eine Taxi-Alternative. Waze dagegen verbindet Menschen miteinander, die ohnehin in die gleiche Richtung möchten - zum Beispiel, weil ihre Arbeitsplätze nicht weit entfernt sind. Weil Waze ohnehin über registrierte Nutzer funktioniert, die durch Smartphone-Signale Echtzeit-Staumessungen ermöglichen, dürfte eine ausreichende Masse an Fahrern und Passagieren zumindest in Metropolen kein Problem sein.

Kaum ein Konzern wirbt bei Google so aggressiv Mitarbeiter ab wie Uber

Theoretisch zumindest. Andererseits hat es sich in den vergangenen Monaten als schwierig erwiesen, Fahrer zu bekommen, Uber rangelt mit Wettbewerbern um die Chaffeure. Pro Meile (1,6 Kilometer) erhält der Waze-Fahrer 54 Cent, Google verzichtet auf einen Anteil. Der Betrag ist üppig für Benzin und Verschleiß berechnet, bedeutet aber keinen ordentlichen Stundenlohn - anders als bei Uber, wo viele Fahrer mit den Gebühren ihren Lebensunterhalt verdienen. Außerdem sind die Fahrten bei Waze auf zwei pro Tag begrenzt, und Passagiere sollen schon mehrere Stunden vorher buchen. Die Funktion ähnelt also eher einer digital vermittelten Fahrgemeinschaft. Überfüllte Autobahnen sind im Silicon Valley Alltag - wie in vielen urbanen Gegenden der USA. Es gibt sogenannte Carpool-Lanes, Extra-Spuren für Fahrzeuge mit mindestens zwei Passagieren. Doch sie sind oft leer, der Amerikaner pendelt selbst im umweltbewussten Kalifornien bislang meist alleine. Dabei könnten die von Google vermittelten Fahrgemeinschaften helfen.

Ungelöst ist bei dem Projekt, das Google "Waze Carpool" nennt, allerdings die Vertrauensfrage. Niemand weiß, ob der Mensch, bei dem er ins Auto steigt, auch ordentlich lenkt. Google setzt dem Vernehmen nach auf Bewertungen und verzichtet auf die Hintergrundprüfungen von Fahrern, die für kommerzielle Fahrgemeinschafts-Dienste verpflichtend sind.

Auch in anderen Geschäftsfeldern überlappen sich Uber und Google. Das Start-up hat zum Beispiel angedeutet, einen eigenen Kartendienst zu entwickeln, statt auf Google Maps zurückzugreifen. Noch stärker ist die Konkurrenz bei selbstfahrenden Autos. Google tüftelt seit einigen Jahren an der Technik, auch Uber arbeitet daran. Das jüngere Unternehmen schickt in Pittsburgh bereits Taxis ohne Fahrer auf die Straße, allerdings sitzen zwei Uber-Mitarbeiter im Cockpit. Anfang des Monats hat Uber außerdem Ottomotto, den Hersteller von selbstfahrenden Lkw, gekauft, den wiederum Mitarbeiter der Google-Muttergesellschaft Alphabet gegründet hatten.

Kaum ein Konzern wirbt Google so aggressiv Mitarbeiter ab wie Uber. Brian McClendon und Manik Gupta wechselten von Google Maps zu Uber. Und Ubers halbes Team für die Kommunikation mit Medien und Politikern stammt von Google. Gerade wurde im Gegenzug bekannt, dass David Drummond von der Google-Mutterfirma Alphabet seinen Sitz im Aufsichtsrat des Fahrdienst-Anbieters vor einigen Wochen aufgegeben hat. Grund dafür waren Interessenkonflikte. Drummond ist bei Alphabet für die Unternehmensentwicklung zuständig und damit auch für die Pläne mit selbstfahrenden Autos. Laut dem Recherchedienst The Information hat Uber Drummond daran gehindert, an Meetings teilzunehmen, damit er keine wichtigen Details über Ubers Strategie erfährt. Der 53-Jährige sitzt seit 2013 im Verwaltungsrat von Uber, nachdem Google großzügig in den harmlosen Zwerg investierte.

Alphabet bleibe ein "begeisterter Investor" von Uber, teilte Drummond mit. Aber die alte Rollenverteilung ist vorbei.

© SZ vom 01.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: