Kommentar:Zwei Zahlen und ihre Folgen

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Die Bundespolitik dreht sich in diesen Monaten vor allem um zwei Zahlen, die mehr miteinander zu tun haben, als gemeinhin angenommen wird. Einerseits geht es um das Milliardendefizit im nächsten Haushalt, andererseits um die Zahl der Arbeitslosen in diesem Land.

Robert Jacobi

(SZ vom 06.06.03) - Der Finanzminister kann seinen Haushalt nur sanieren, wenn sich der Trend auf dem Arbeitsmarkt endlich umkehrt oder die Arbeitsämter ihren Sparkurs derart verschärfen, dass Behördenchef Florian Gerster endgültig zur meistgehassten Figur in diesem Land wird.

Weitere Einschnitte bei der Arbeitsförderung vor allem im Osten sind politisch aber gar nicht gewollt. Stattdessen legt die Regierung neue Programme auf, um die Reformkritiker zu beruhigen. Und das, obwohl ein einziger Blick in die Statistik bestätigt, dass die meisten Förderprogramme nutzlos sind.

Keinesfalls beruhigend

Der leichte Rückgang der Arbeitslosenzahl im Mai ist keinesfalls ein beruhigendes Signal. Es handelt sich nicht um nachhaltige Ergebnisse eines beginnenden Wirtschaftsaufschwungs, sondern um kurzlebige Sondereffekte.

Weil die Arbeitsämter mit ihren Klienten härter umgehen, melden sich viele einfach ganz ab und verschwinden aus der Statistik. Oder sie machen sich auf Drängen der Arbeitsämter als Kleinbetrieb selbstständig, werden aber in vielen Fällen wegen der schlechten Wirtschaftslage früher oder später in die Statistik zurückkehren.

Nicht ohne Milliardenzuschuss

So lange die Zahl der Arbeitslosen über vier Millionen liegt, werden die Arbeitsämter nicht ohne einen Milliardenzuschuss des Bundes auskommen. Weil Beitragzahler fehlen, wachsen zudem die Löcher in den Rentenkassen, die der Bund füllen muss. Auch bleiben die Ausgaben für die Arbeitlosenhilfe enorm hoch.

Die Zusammenlegung mit der Sozialhilfe verursacht für den Bund sogar neue Kosten. Eine Milliarde nach der anderen türmt sich also über dem Finanzminister auf, der mit seinen Sparpaketen nicht einmal einen verfassungsgemäßen Haushalt sicherstellen kann.

An diesem Freitag treffen sich die beiden Fachminister zu einem Etatgespräch. Eichel will den Haushalt von Wolfgang Clement um mehrere Milliarden Euro kürzen.

Gegensätzliche Interessen

Der Finanzminister wird am Defizit gemessen, der Wirtschaftsminister an der Arbeitslosenzahl. Ihre kurzfristigen Interessen widersprechen sich, weil Kürzungen in der Arbeitsmarktpolitik die Statistik belasten.

Langfristig aber drohen beide zu scheitern. Nur ein wirklich tief greifender Umbau von Sozialstaat und Steuersystem könnte ihre Kennzahlen wirklich drehen. Wenn dies nicht geschieht, wird auch ein Aufschwung nicht helfen.

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