Kommentar:Was für ein Fehler

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Gabriel hat Edeka per Ministererlaubnis ermöglicht, Tengelmann zu kaufen - und hat deswegen jetzt jede Menge Ärger. Zu Recht. Er hat nicht das Gemeinwohl nach vorne gestellt, sondern Jobs erster und zweiter Klasse definiert.

Von Caspar Busse

Es sind nicht gerade angenehme Tage für Sigmar Gabriel. In der vergangenen Woche hatten die Richter des Oberlandesgerichts Düsseldorf seine Ministererlaubnis für die Übernahme von Kaiser's-Tengelmann durch Edeka gestoppt. Der schwerwiegende Vorwurf: Der Bundeswirtschaftsminister sei bei seiner Entscheidung befangen gewesen. Er hatte sich mit den Chefs von Edeka und Tengelmann getroffen, Aktennotizen dazu gibt es aber nicht. Seitdem steht Gabriel im Zentrum der Kritik und attackiert seinerseits die Richter.

Gabriel sind bei seiner Entscheidung ganz offensichtlich handwerkliche Fehler unterlaufen. In einem Ministerium, in dem alles penibel festgehalten und protokolliert wird, müsste es auch Informationen darüber geben, wenn sich der Minister mit den Konzernchefs von Edeka und Tengelmann zu Gesprächen trifft, noch dazu in einer solch heiklen Angelegenheit. Dabei ist es unerheblich, ob solche Aktiennotizen rechtlich erforderlich sind. Gabriel muss alles tun, um schon den Anschein einer Parteilichkeit zu vermeiden, er darf zu den Beteiligten keine besondere Nähe haben. Jetzt aber ist er in arger Erklärungsnot. Das schadet nun ihm, aber auch allen Beteiligten und dem gesamten Verfahren.

Das wiegt schwer, weil es hier nicht um irgendeine Entscheidung geht, sondern um eine sogenannte Ministererlaubnis. Diese sieht das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung ausdrücklich vor. Die Politik kann sich damit über ein ablehnendes Votum der Bundeskartellamtes und über Bedenken aller Fachleute hinwegsetzen und einen geplanten Zusammenschluss von Unternehmen doch durchwinken (was aber nur sehr selten passiert). Voraussetzung ist, dass "gesamtwirtschaftliche Vorteile des Zusammenschlusses die Wettbewerbsbeschränkung" aufwiegen oder ein "überragendes Interesse der Allgemeinheit" besteht.

Die Ministererlaubnis ist nicht das Problem, sie wurde nur falsch interpretiert

Natürlich sind solche Erwägungen des Gemeinwohls ziemlich schwammig und zudem gerichtlich auch nicht überprüfbar. Und doch ist das Instrument der Ministererlaubnis sinnvoll. Denn zum einen muss es im Grundsatz möglich sein, Entscheidungen, die sich am reinen Wettbewerbsrecht orientieren, aus anderen, meist politischen Erwägungen zu revidieren. Zum anderen garantiert die Möglichkeit der späteren Ministerentscheidung den Kartellbehörden die dringend notwendige Unabhängigkeit. Die Politik darf sich nicht in laufende Verfahren einmischen, was in anderen Ländern durchaus üblich ist. Sie kann nur gegebenenfalls und auf ausdrücklichen Antrag der beteiligten Parteien nach der Entscheidung eingreifen. Jetzt, aufgrund des Streits um den Fall Edeka-Tengelmann, die Ministererlaubnis grundsätzlich infrage zu stellen, ist also falsch.

Das Problem im vorliegenden Fall ist nicht nur das vom Oberlandesgericht gerügte Vorgehen Gabriels. Es liegt offenbar auch ein grundsätzliches Missverständnis des Bundeswirtschaftsministers vor. Der SPD-Politiker wollte mit seiner Entscheidung 16 000 Jobs bei Tengelmann retten. "Die Ministererlaubnis sollte ihre Arbeitsplätze, aber auch den Schutz durch Tarifverträge erhalten", betonte Gabriel erneut in der Bild. Es gehe um Menschen, "die oft nicht viel verdienen und für die es am Arbeitsmarkt nicht so leicht ist". Das mag stimmen, der Einsatz für solche Beschäftigten kann ehrenwert sein. Aber sind das auch Erwägungen des Gemeinwohls?

Wohl kaum. Es geht dabei eben nicht um das Wohl einzelner, sondern um das Wohl der Allgemeinheit, wie es auch im Gesetz steht. Natürlich werden die Jobs bei Kaiser's-Tengelmann möglicherweise für eine gewisse Zeit gesichert durch die Auflagen, die Gabriel gemacht hat. Es ist aber möglich oder sogar wahrscheinlich, dass Edeka, ohnehin schon der klare Marktführer im Lebensmitteleinzelhandel, Arbeitsplätze an anderer Stelle streicht. Oder dass kleinere Konkurrenten, die gegen die Übermacht von Edeka nicht mehr bestehen können, ihr Angebot reduzieren oder schließen müssen.

Es darf keine Jobs erster und zweiter Klasse geben. Solche, für die sich der Minister einsetzt - und andere, deren Besitzer sehen können, wo sie bleiben. Schon gar nicht dürfen solche Erwägungen bei der Erteilung einer Ministererlaubnis eine Rolle spielen. Wettbewerb ist für unsere Wirtschaftsordnung entscheidend. Ludwig Erhard, einer der Vorgänger von Gabriel, zog den Vergleich zum Fußball: Wie dort der Schiedsrichter neutral sein muss, dürfe auch der Staat nicht in der Wirtschaft mitspielen. Gabriel setzte sich über den Rat aller Experten hinweg, um angeblich gefährdete Jobs zu retten. Es war ein Fehler. In jeder Hinsicht.

© SZ vom 19.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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