Kommentar:Warum nicht Bulgarien?

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(Foto: SZ-Zeichnung: Bernd Schifferdecker)

Bulgarien will den Euro. Spätestens im Sommer möchte eines der ärmsten und korruptesten EU-Länder den Antrag für die Aufnahme in die Währungsunion stellen. Zuerst aber muss die Währungsunion krisenfest gemacht werden.

Von Alexander Mühlauer

Bulgarien will den Euro. Spätestens im Sommer möchte eines der ärmsten und korruptesten EU-Länder den Antrag für die Aufnahme in die Währungsunion stellen. Die Ankündigung aus Sofia weckt nicht nur bei stabilitätsbesessenen Deutschen schlechte Erinnerungen an den Euro-Beitritt Griechenlands. Athen täuschte die Gemeinschaft einst mit gefälschten Zahlen. Doch das störte die damaligen Staats- und Regierungschefs nicht wirklich; sie ließen sich lieber von dem gefährlichen, aber nachvollziehbaren Narrativ blenden, dass die Wiege der europäischen Demokratie unbedingt Teil dieses Einigungsprojekts sein müsse. Es bleibt zu hoffen, dass Europa nach teuren Krisenjahren die Lehren daraus gezogen hat und Bulgarien erst dann in den Euro aufnimmt, wenn es alle Voraussetzungen dafür erfüllt. Und zwar nicht nur rechtlich und politisch - sondern vor allem ökonomisch.

In Warschau und Budapest dient die EU vor allem als Feindbild. Sofia denkt anders

Bulgarien verdient eine faire Chance, schließlich haben sich alle EU-Staaten - außer Großbritannien und Dänemark - verpflichtet, den Euro einzuführen. Der "Euro für alle", den EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in seiner Rede zur Lage der Union gefordert hat, ist also nichts weiter als eine Erinnerung an das, was vertraglich vereinbart ist. Rein juristisch betrachtet spricht also nichts gegen einen Euro-Beitritt Bulgariens. Auch politisch wäre dieser Schritt zu begrüßen. Während nationalkonservative Regierungen in Polen und Ungarn vom Euro nichts wissen wollen und die EU für ihre Zwecke als Feindbild instrumentalisieren, könnte Bulgarien an der östlichen Außengrenze der Union beweisen, dass es auch dort so etwas wie Europa-Begeisterung gibt. Unternehmen dürften sich jedenfalls genau überlegen, wo sie künftig in Osteuropa investieren. Sie haben die Wahl zwischen einem Land wie Polen, das die Rechtsstaatlichkeit zu Grabe trägt, oder Bulgarien, das unbedingt der Euro-Zone beitreten will.

Ob es dazu kommt, hängt im Wesentlichen von wirtschaftlichen Fakten ab. Und die sehen nicht gerade schlecht aus. Im Gegenteil: Der bulgarische Staatshaushalt ist ausgeglichen und die Schuldenquote mit unter 30 Prozent der Wirtschaftsleistung eine der niedrigsten in der EU. Auch die Inflationsrate und die langfristigen Zinsen entsprechen den Voraussetzungen für einen Euro-Beitritt. Bulgarien erfüllt damit die sogenannten Konvergenzkriterien. Nur eines hat das Land noch zu beweisen: Bevor ein Staat Mitglied der Währungsunion wird, muss er mindestens zwei Jahre lang dem Wechselkursabkommen mit der Euro-Zone angehören. In dieser Zeit darf der Wert der Landeswährung Lew um höchstens 15 Prozent zum Euro-Kurs abweichen. Gelingt auch das, stellt sich die Frage, was eigentlich noch gegen eine Euro-Mitgliedschaft etwa Mitte 2020 spricht?

Zweifel sind angebracht. Ein gutes Jahrzehnt nach dem EU-Beitritt ist Bulgarien noch immer das von Korruption geplagte Armenhaus der Union. Die Wirtschaftsleistung pro Kopf liegt bei lediglich 7000 Euro. Zum Vergleich: Deutschland erreicht einen Wert von 42 000 Euro, das reichste EU-Land Luxemburg sogar 103 000 Euro. Diese deutlichen Abstände widersprechen dem Ziel der Konvergenz. Andererseits sind sie auch ein Argument für einen Beitritt Bulgariens zur Währungsunion. Denn ist ein Land erst einmal Euro-Mitglied, kommen auch mehr Investoren aus dem Ausland. Das wiederum steigert die Wirtschaftskraft.

Eines sollten die Euro-Länder allerdings nicht vergessen: Bevor sie Bulgarien aufnehmen, müssen sie die Währungsunion endlich krisenfest machen. Die Vorschläge aus Paris und Brüssel liegen auf dem Tisch - nun braucht es eine konstruktive Antwort aus Berlin. Nur so bleibt der Euro für alle attraktiv.

© SZ vom 13.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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