Kommentar:Vertuschen ist keine Option

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Für Siemens war der Korruptionsskandal bitter und teuer. Auch bei Airbus ist die Lage ernst - aber Korruption muss bekämpft werden. Die Frage lautet: Ist Airbus-Chef Tom Enders der Richtige dafür?

Von Caspar Busse

Fast elf Jahre ist es her, dass Polizisten und Justizbeamte vor der Siemens-Zentrale in München standen und den verdutzten Mitarbeitern einen Durchsuchungsbeschluss zeigten. Damals nahm einer der größten Korruptionsskandale der deutschen Wirtschaftsgeschichte seinen Anfang, die Aufklärung und Aufarbeitung dauerte viele Jahre und kostete sehr viel Geld. Siemens ist dabei nur ein Beispiel, wenn auch das prominenteste. Die Baufirma Bilfinger, die Auto- und Lastwagenbauer Daimler und MAN, das Stahlunternehmen Thyssen-krupp, aktuell der Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus - sie alle wurden seitdem oder werden noch von vehementen Bestechungsvorwürfen erschüttert.

"Das Unternehmen stand viel näher am Abgrund, als viele es sich vorstellen können", sagte zehn Jahre später der derzeitige Siemens-Chef Joe Kaeser. Und er fügte hinzu: "Wir haben es auf dem harten Weg gelernt, aber wir sind aus dieser Krise gestärkt hervorgegangen." Kaum jemand zweifelt heute an, dass der Korruptionsskandal eine tiefe Zäsur für Siemens bedeutete - und dass der Münchner Konzern seine Lehren gezogen hat und nun deutlich besser dasteht.

Airbus-Chef Tom Enders kennt den Fall Siemens und will sich nun in seinem Konzern als Aufräumer in Sachen Korruption und Bestechung beweisen. Im vergangenen Jahr zeigte sich Airbus in Großbritannien selbst bei den Behörden an, als entsprechende Verdachtsfälle auftauchten. Enders hat auch eine große amerikanische Rechtsanwaltskanzlei mit internen Ermittlungen beauftragt. Und er hat jetzt in einem Schreiben die Mitarbeiter auf harte Zeiten eingestellt und schreckt auch vor alter Kriegsrhetorik nicht zurück. "Keep calm and carry on!", rät Enders der Belegschaft, also: "Bleiben sie ruhig und machen sie weiter." Den Spruch hatte ursprünglich die britische Regierung im Zweiten Weltkrieg genutzt, um die Moral der Leute im Kampf gegen die Deutschen zu stärken.

Es ist in der Tat eine ernste Lage, in der sich Airbus befindet. Schon wird über mögliche Strafen von bis zu einer Milliarde Euro spekuliert. Dass beim internationalen Verkauf von Flugzeugen, Kampfjets, Militärprodukten aller Art möglicherweise nicht alles sauber war, ist plausibel, zudem oft Politiker und Machthaber aller Art involviert sind. Der wichtigste Konkurrent, der amerikanische Boeing-Konzern, wartet nur darauf, dass die Europäer, die zuletzt so erfolgreich im Verkauf von Passagiermaschinen waren, einen schweren Fehler machen. Sollten sich die Ermittlungen gegen Airbus auch auf die USA ausdehnen, könnte das verhängnisvoll werden. Denn am Ende könnte Airbus von der Auftragsvergabe in vielen Bereichen ausgeschlossen werden.

Dass nun (wenn auch spät) aufgeklärt wird und alles möglichst schnell und umfassend auf den Tisch kommt, ist absolut richtig. Korruption schädigt alle Beteiligten und ist wie ein Krebsgeschwür, das sich immer weiter ausbreitet. Unsaubere Praktiken dürfen bei Airbus keinen Platz haben, Vertuschen ist keine Option.

Im Hintergrund schwelt noch immer die Konkurrenz zwischen Franzosen und Deutschen

Aber ist Enders, der 1991 bei der Airbus-Vorgängerfirma Dasa angefangen hat, der Richtige als Aufklärer?

Für ihn spricht, dass er das Thema offensiv und energisch angeht. Enders war bisher nicht als Mann der faulen Kompromisse bekannt. Er macht keine Zugeständnisse um der Ruhe willen. Zudem liegt gegen ihn bislang nichts vor. Die Staatsanwaltschaft München führt Enders nicht als Beschuldigten, eine Anklage gegen den Konzern ist auch nicht wahrscheinlich. Die harten Auseinanderstzungen mit Österreich um den Verkauf von Eurofightern könnten sich nach der Wahl dort schnell beruhigen, sollte es in Wien zu einem Machtwechsel kommen.

Ein Problem für Enders aber ist, dass er schon so lange in Führungspositionen bei Airbus tätig ist. Immer wieder wird die Frage hochkommen: Hat er etwas gewusst? Oder muss er für Unregelmäßigkeiten die Verantwortung übernehmen? Dazu kommt, dass bei Airbus noch einige eine Rechnung mit Enders offen haben und seinen Kurs offenbar bekämpfen. Im Hintergrund schwelt auch fast 18 Jahre nach Gründung des Konzerns noch immer die Konkurrenz zwischen Franzosen und Deutschen.

Es geht um viel. Airbus ist ein europäisches Vorzeigeunternehmen. Aber wenn es gut läuft und die Vorwürfe schnell aufgeklärt werden, könnte Airbus am Ende besser dastehen - so wie Siemens.

© SZ vom 11.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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