Kommentar:Versteckte Ausgaben

Lesezeit: 3 min

Der Bund macht keine neuen Schulden - warum steigen die Schulden trotzdem? Weil Extra-Haushalte angestiegen sind. Dieses System muss geändert werden.

Von Guido Bohsem

Die wesentlichen Grundsätze der staatlichen Haushaltsplanung lassen sich auf eine Handvoll Begriffe reduzieren: Klarheit und Wahrheit, Wirtschaftlichkeit, Einheit und Vollständigkeit. In einem Etat soll alles aufgeführt sein, und zwar verständlich und ordnungsgemäß. Auf diesen und ein paar anderen Bedingungen ist das gesamte Konstrukt gebaut, mit dem der deutsche Staat seine Ausgaben plant, seine Einnahmen und seine Schulden verwaltet.

Geht es nach Vize-Kanzler Sigmar Gabriel (SPD), sollen diese Kernsätze aufgeweicht werden. Um sein Vorhaben zu verwirklichen, die Versicherungsbranche und andere Investoren am Bau von Straßen und Brücken zu beteiligen, muss er das Grundgesetz ändern, in dem diese Prinzipien festgehalten sind. Um den guten Zweck einer privaten Finanzierung der teuren Infrastruktur zu verwirklichen, müsste er eine Ausnahme schaffen, die diesen vier Grundsätzen widerspricht und die einen Schattenhaushalt zur Finanzierung der Infrastruktur ermöglicht.

Schon jetzt wird viel mehr an diesen Haushalts-Prinzipien gezogen und gezerrt, als manch einem klar ist. Das zeigt sich an der historischen Nachricht, die das Finanzministerium zur Jahreswende verkünden konnte: Schuldenfrei, eine schwarze Null zierte 2014 den Bundeshaushalt. Die Schuldenbremse funktionierte. Zum ersten Mal seit mehr als 40 Jahren nahm der Bund keine neuen Kredite auf. Er hatte Ende des Jahres sogar mehr Geld in der Kasse, als er brauchte. Es war, wenn nicht der wichtigste, so doch der symbolträchtigste politische Erfolg der großen Koalition und ihres Finanzministers Wolfgang Schäuble (CDU). Während der Rest Europas in Schulden versinkt, schafft die Bundesrepublik einen ausgeglichenen Haushalt, und zwar ein ganzes Jahr früher als geplant.

Doch war die Story von der schwarzen Null nicht die ganze Wahrheit. Ende März veröffentlichte das Statistische Bundesamt seine Erhebung zu den öffentlichen Haushalten. Daraus geht hervor, dass die Schulden des Bundes Ende 2014 bei 1286 Milliarden Euro lagen. Das waren etwa 5,1 Milliarden Euro mehr als im Vorjahr. Die Schulden des Bundes sind gestiegen, obwohl der Bund keine neuen Schulden gemacht hat. Wie kann das sein?

Das Bundesamt lieferte die Antwort gleich mit. Die Extrahaushalte des Bundes waren es, die dem Bund die Bilanz verhagelten. Extrahaushalte? Ja, die gibt es, und sie sind sogar erlaubt. Darunter finden sich die sogenannten Bad Banks, die in der Finanzkrise geschaffen wurden, um notleidende Finanzinstitute zu stützen. Es gibt den Erdölbevorratungsverband, der Benzin, Diesel, Gas und Kerosin für Notfälle hortet, und noch ein paar andere. Welcher von diesen Extrahaushalten genau den Anstieg der Schulden zu verantworten hat, darf das Amt nicht ausweisen: "Statistische Geheimhaltung".

Schattenhaushalte verschleiern die Schuldenlage des Staates. Deshalb sind sie abzulehnen

Es waren immer gute Gründe, die dazu führten, diese Extrahaushalte einzurichten. Eines der Sondervermögen dient beispielsweise dazu, das Investitionspaket zu finanzieren, mit dem die Rezession des Jahres 2009 bekämpft wurde. Diese Extrahaushalte sind völlig legal, doch leisten sie ihren Beitrag dazu, die ganze Wahrheit und Klarheit über den Zustand des Bundeshaushalts zu verschleiern.

Einen guten Grund gibt es auch diesmal, sogar gleich zwei davon. Mit dem Schattenhaushalt soll nicht nur an der Schuldenbremse vorbei die seit Jahren vernachlässigte Infrastruktur wieder in Schuss gebracht werden. Gleichzeitig dient die Aktion aber auch noch einem anderen Ziel. Mit ihr soll der Versicherungsbranche geholfen werden.

Denn den Versicherern geht es nicht gut. Der Niedrigzins der Europäischen Zentralbank macht ihnen zu schaffen. Er bringt sie in die Bredouille, weil sie auf Dauer nicht die Renditen erwirtschaften können, die sie ihren Versicherten versprochen haben. Eine neue Anlagenmöglichkeit wie der Infrastrukturfonds käme da recht, zumal der Staat nicht nur absichert, sondern auch eine garantierte Verzinsung versprechen dürfte.

Allein, ein guter Zweck heiligt noch lange nicht die Mittel. Von Klarheit und Wahrheit im Haushalt könnte man jedenfalls nicht mehr sprechen. Denn über die Mittel des Fonds würde eben nicht im parlamentarischen Verfahren und unter den Augen der Öffentlichkeit entschieden. Die Entscheidungen über die Mittel würden mehr oder weniger verdeckt gefällt. Es ist sinnvoll, für Anreize zu sorgen, damit die Wirtschaft und auch die Versicherungswirtschaft in Straßen und Wasserwege investieren. Die derzeit diskutierte Variante eines Infrastrukturfonds bringt allerdings große Nachteile mit sich. Gabriel sollte die Idee verwerfen.

© SZ vom 30.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: