Kommentar:Tut euch zusammen

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Freiwillige Selbstverpflichtung hilft nicht gegen schlechte Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie. Nur wenn Unternehmen, Gewerkschaften und NGOs gemeinsam Druck auf Länder wie Bangladesch ausüben, wird sich etwas ändern. Erste Erfolge zeichnen sich ab.

Von Caspar Dohmen

Eigentlich streiten sie sich gern. Wenn es um bessere Arbeitsbedingungen für Beschäftigte in Billiglohnländern geht, liegen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Unternehmensverbände oft im Clinch. Im Fall von Bangladesch haben sie sich nun überraschend zusammengeschlossen und bei der dortigen Regierung interveniert. Das sollte ein Vorbild werden.

Doch wie ist es dazu überhaupt gekommen? Seit Ende vergangenen Jahres war es in Bangladesch immer wieder zu Streiks in der Textilindustrie gekommen. Staat und Firmen reagierten mit Härte, wie schon häufig: Gewerkschaftsmitglieder und andere Beschäftigte wurden verhaftet und entlassen. Nur dieses Mal protestierten Unternehmen, Industrieverbände, NGOs und Gewerkschaften gemeinsam. In einem Brief an die Premierministerin Bangladeschs zeigten sie sich alarmiert über die Zustände. Unverhohlen drohten sie damit, dass das Land die von der EU gewährten Zollpräferenzen verlieren könnte, sollte es wichtige Arbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO verletzen. Dazu gehört etwa die Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen. Die Kampagne für saubere Kleidung, ein Zusammenschluss von NGOs, dem Deutschen Gewerkschaftsbund, dem Handelsverband Deutschland und dem Verband Textil + Mode, empfahl zudem zu überprüfen, ob die gesetzlichen Mindestlöhne künftig in kürzeren Abständen angepasst werden sollten.

Die Unternehmen haben das ökonomische Druckmittel, um etwas zu verändern

Seit den Neunzigerjahren wird über die schlechten Arbeitsbedingungen in Asien diskutiert: Damals deckten NGOs Missstände bei dem US-Sportartikelhersteller Nike in Indonesien auf. Zunächst schob der Konzern den Schwarzen Peter an die Zulieferer, verwies darauf, dass es sich um eigenständige Betriebe handle. Auf öffentlichen Druck änderten erst Nike und dann viele weitere Firmen ihre Haltung: sie verabschiedeten freiwillige Verhaltenskodizes, an denen sich ihre Geschäfte orientieren sollten. Darin geht es auch um die Rechte von Arbeitern. Aber damit wurden weder die Missstände in den Nähfabriken beseitigt, geschweige denn die anhaltende Erosion ihrer Rechte gestoppt.

Von den weltweit 2,9 Milliarden Arbeitnehmern sind nur 200 Millionen in freien Gewerkschaften organisiert, also nicht einmal sieben von hundert Beschäftigten. Wer sich gewerkschaftlich organisiert, muss mancherorts mit massiver staatlicher Repression rechnen. Der Internationale Gewerkschaftsbund hat 141 Staaten untersucht und festgestellt, dass es in sechs von zehn dieser Länder keine Tarifverhandlungen gibt. In sieben von zehn Ländern sind Streiks verboten und in fast jedem zweiten Land gibt es willkürliche Verhaftungen von Gewerkschaftern.

Auch Gewerkschaften selbst können Teil des Problems sein, beispielsweise, wenn sie korrupt sind. Verantwortlich handelnde Unternehmen in Industrieländern sollten jedoch erkennen, dass sie Imageschäden nur abwenden können, wenn sich die Arbeitsbedingungen in Entwicklungs- und Schwellenländern verbessern. Voraussetzung dafür ist eine wirksame Vertretung der Arbeitnehmer in den Fabriken, zugleich müssen aber auch die Gewerkschaften vor Ort gestärkt werden.

Lange Zeit sind die Unternehmensverbände ihrer Verantwortung bei den Produktionsketten nicht gerecht geworden. Im Fall von Bangladesch haben sie einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Möglich gemacht hat dies auch das Textilbündnis, bei dem Politik, Gewerkschaften, Unternehmen und Zivilgesellschaft regelmäßig an konkreten Schritten für eine Verbesserung arbeiten. Das schafft Vertrauen in die Akteure. Bedauerlich ist, dass dieses manchen Firmen zu weit geht: Mehr als 30 Unternehmen haben das Bündnis zuletzt verlassen, als es galt, den ersten verbindlichen Schritt zu machen. Eine entscheidende Rolle dürfte dabei falsches Konkurrenzdenken gespielt haben.

Umso wichtiger ist es, dass diejenigen, die dabeibleiben, echte Verbesserungen durchsetzen. Ihre Reaktion auf die inakzeptablen Verletzungen der Arbeitnehmerrechte in Bangladesch ist ein wichtiges Signal. Gegenüber Kritik von NGOs mag die dortige Regierung taub sein, aber Unternehmensverbände repräsentieren diejenigen, die vor Ort einkaufen - und haben damit das ökonomische Druckmittel in der Hand, um tatsächlich etwas zum Besseren zu verändern. Ohne Bündnisse zwischen Unternehmensverbänden und Zivilgesellschaft werden sich die Verhältnisse kaum ändern. Kleinliche Rivalitäten zwischen einzelnen Firmen dürfen nicht dazu führen, dass am Ende alles beim Alten bleibt.

© SZ vom 18.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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