Kommentar:Schlechte Botschafter

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(Foto: Bernd Schifferdecker)

Spitzenmanager geben derzeit ein Bild des Jammers ab. Die Dieselkrise ist ein prominentes Beispiel dafür. Die Bosse sind schlechte Botschafter der Marktwirtschaft.

Von Karl-Heinz Büschemann

Manchmal sind Mächtige zum Erbarmen machtlos. Im Moment machen Konzernchefs, Herren über Hunderttausende Menschen, eine ganz traurige Figur. Die Bosse der Autoindustrie zum Beispiel, denen zur Erklärung der Dieselkrise nichts Erklärendes einfällt, schweigen. Die Dieselkrise, die in Wahrheit eine Krise der Autoindustrie ist, hat das Ansehen der Industriemanager so beschädigt, wie vor zehn Jahren die Finanzkrise das Image der Banker aushöhlte. Wieder geben Spitzenmanager ein Bild des Jammers ab. Sie sind schlechte Botschafter der Marktwirtschaft.

Diese Zeiten sind kompliziert, sie machen Wirtschaftsmanager zu Politikern, ob sie es wollen oder nicht. Nur haben sie es offenbar noch nicht verstanden, dass sie mehr im Auge haben müssen als das eigene Unternehmen. Wie anders ist zu erklären, dass Siemens-Chef Joe Kaeser fast hilflos darauf reagiert, dass er nach der Lieferung von ein paar Turbinen nach Russland von Moskau hereingelegt worden ist und dasteht wie einer, der gegen ein Embargo verstoßen hat. Die BASF wird von der Türkei in die Nähe von Terrorismus gerückt. In den USA zwingt ein nationalistisch-verbohrter Präsident gestandene Unternehmenschefs zu demütigen Kotau-Besuchen, und zu Hause wird die Autoindustrie verprügelt, als sei die eine Bande skrupelloser Umweltverpester, der nichts Besseres einfällt, als Städte mit ihren rückständigen Autos zu verpesten. Wer in dieser Situation noch glaubt, Manager könnten sich weiter darauf beschränken, ihre Cashflows und Aktienkurse im Auge zu behalten, der irrt.

Die Manager-Kaste muss aufwachen. Sie muss den Mund aufmachen und erklären, was passiert, gerade wenn die Vorkommnisse unglaublich sind. Sie muss erläutern, warum etwas geschah und was auf dem Spiel steht. Wirtschaft ist nicht allein Sache von Top-Managern. Wirtschaft ist Sache aller. Das Beispiel der Autoindustrie und die Reaktion der Öffentlichkeit auf deren Krise belegen das.

Die Gesellschaft hat sich verändert. Die Bürger verlangen Rechenschaft

Es geht nicht an, dass die Manager bei VW oder Daimler sich einfach in Schweigen hüllen, wenn die Gesellschaft über ihre Betrügereien Auskunft haben will. Es geht nicht an, dass sich hoch bezahlte Chefs hinter Paragrafen und Spitzenjuristen verstecken, die ihnen den Mund verbieten, weil ein unbedarfter Satz millionenschwere Schadenersatzforderungen zur Folge haben könnte. Die Gesellschaft hat sich verändert. Die Bürger verlangen Rechenschaft, wenn sie sich betrogen fühlen. Sonst wehren sie sich mit Klagen. Von einem Spitzenmanager, der mehrere Millionen Euro im Jahr verdient, kann man erwarten, dass er Manns genug ist, der Öffentlichkeit zu erklären, was in seinem Unternehmen gerade falsch gelaufen ist und wer dafür verantwortlich ist.

Offenheit gegenüber der Gesellschaft ist keine generöse Geste mehr, sie gehört längst zur Jobbeschreibung einer Kaste, die es aber lange für ausreichend hielt, stillschweigend Geschäfte zu machen und die Politik den Politikern zu überlassen. Es ist zwar richtig, dass für die Politik die Regierung zuständig ist, aber die Unternehmen und ihre Verbände müssen begreifen, dass es längst nicht mehr reicht, im Hinterzimmer mit der Kanzlerin an Lösungen zu basteln, die für die nächsten Monate Ruhe versprechen.

In Zukunft wird die Gesellschaft dem Treiben der Wirtschaft nur noch folgen, wenn deren Vertreter ihr Verhalten offen erklären. Die Gesellschaft hält unangenehme Wahrheiten aus, wenn sie ehrlich angesprochen werden. Bei den Unternehmen ist Ehrlichkeit immer noch ein offenbar gefährlicher Luxus, der die Geschäfte gefährden könnte. Das Schweigen wird in Zukunft immer weniger funktionieren.

© SZ vom 29.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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