Kommentar:Regeln fürs Monopoly

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Eine Mietwohnung ist kein Wirtschaftsgut wie jedes andere. Das geplante Milliardengeschäft in der Immobilienbranche ist daher Anlass zu großer Sorge - denn die Leidtragenden könnten am Ende die Mieter sein.

Von Caspar Busse

Zwei ehrgeizige Männer, zwei Milliardenübernahmen, ein Ziel: Carlos Brito, der Chef des weltgrößten Brauereikonzerns Anheuser-Busch Inbev, will den härtesten Konkurrenten SAB Miller für fast hundert Milliarden Euro kaufen und künftig den internationalen Biermarkt kontrollieren. Rolf Buch wiederum führt das größte deutsche Wohnungsunternehmen Vonovia und gab nur einen Tag später bekannt, dass er die Nummer zwei in Deutschland übernehmen möchte und dafür inklusive Schuldenübernahme 14 Milliarden Euro hinlegen will. Vonovia könnte damit künftig mit großem Abstand die Nummer eins in Deutschland werden - so wie AB Inbev auf dem Bierweltmarkt.

Eine Mietwohnung ist kein Wirtschaftsgut wie jedes andere

Doch die beiden Fälle sind grundlegend verschieden. Bier ist nicht gleich Wohnen. Eine Mietwohnung ist eben kein Wirtschaftsgut wie jedes andere. Bezahlbarer Wohnraum ist ein wichtiges Grundbedürfnis, quasi ein Grundrecht, das gilt auch für das vergleichsweise wohlhabende Deutschland, ein Land, in dem es im internationalen Vergleich überdurchschnittlich viele Mieter und rund 20 Millionen Mietwohnungen gibt.

Es ist deshalb richtig, dass es weitreichende Mieterschutzgesetze gibt, auch wenn sie manchen Mietern noch zu lax und vielen Vermietern zu streng sind. Schon heute müssen viele einen erheblichen Anteil ihres Einkommens für die Miete aufwenden, gerade in Ballungsräumen wie München, Frankfurt, Hamburg. Das trifft besonders Familien und Geringverdiener.

Vor diesem Hintergrund bietet das geplante Milliardengeschäft in der Immobilienbranche Anlass zu großer Sorge: Vonovia will Deutsche Wohnen kaufen, und zwar gegen deren Willen. Beide zusammen hätten dann künftig mehr als eine halbe Million Mietwohnungen im Bestand. Es ist ein Milliardenpoker mit ungewissem Ausgang. Die Leidtragenden könnten am Ende viele Zehntausende Mieter sein. Sie werden leicht zum Spielball der Spekulanten, wenn diese die Wohnungen nach kurzer Zeit mit Gewinn weiterverkaufen würden. Oder wenn sie die Wohnungen, mit zinsgünstigen Krediten finanziert, modernisieren und die Mieten deutlich heraufsetzen. Oder wenn die Marktmacht steigt und schon deshalb Mietsteigerungen wahrscheinlicher werden. In der Vergangenheit hatte sich Vonovia, damals noch unter dem Namen Deutsche Annington, schon einen unrühmlichen Namen gemacht.

Der deutsche Immobilienmarkt lockt schon seit Längerem Investoren, vor allem aus dem Ausland, auf der Suche nach dem schnellen Euro. Die Zinsen sind nahe null, die Aussichten für Mietwohnungen gut. Die Nachfrage, gerade in den großen Ballungsräumen, steigt, der Zuzug von Flüchtlingen wird die Wohnungsknappheit noch erhöhen. Die Preise sind (noch) relativ gering, in Deutschland gab und gibt es keine gefährliche Immobilienblase wie in anderen Volkswirtschaften. Die Konjunktur läuft, die meisten Mieter sind solvent. Eine Menge Gründe also für große Investoren, hier einzusteigen. Sie kaufen große Bestände von den kommunalen oder genossenschaftlichen Wohnungsgesellschaften, die sich (leider) aus dem Geschäft verabschieden.

Doch kurzfristiges Gewinnstreben darf nicht zulasten der (langfristig orientierten) Mieter gehen, die dem Milliarden-Monopoly ohnmächtig zuschauen. Davor müssen diese angemessen geschützt werden. Natürlich darf der Mietwohnungsmarkt nicht überreguliert werden. Neuer und vor allem erschwinglicher Wohnraum wird dringend benötigt. Es müssen auch künftig Anreize bestehen, dass private Investoren Geld in die Hand nehmen und bauen. Denn es wäre ein Irrglaube anzunehmen, dass die Wohnungskonzerne, die jetzt entstehen, massiv in den Neubau investieren. Sie wollen lieber den schnellen Profit.

© SZ vom 16.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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