Kommentar:Natur schafft Rendite

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Wir leben in einer paradoxen Welt: Einerseits gibt es viel Geld, das zinslos auf Konten liegt, andererseits fehlen für große Probleme die Mittel. Aber es gäbe eine Lösung.

Von Caspar Dohmen

Kann man Sparer aus ihrer Anlagenot befreien und gleichzeitig etwas für die Umwelt tun? Boyan Slat, ein niederländischer Student, zeigt, was möglich ist, wenn kreative Menschen auf ökologisch denkende Anleger treffen. Slat hatte sich im Griechenland-Urlaub über den Müll im Meer geärgert. Deshalb dachte sich der Student der Luft- und Raumfahrt eine Technik aus, mit der etwa 90 Prozent des Plastiks aus den Weltmeeren eingesammelt werden könnten - und sogar mit Gewinn, weil das Material recycelt werden kann. Dass ein solches Pilotprojekt nun umgesetzt werden kann, ist den 40 000 Menschen zu verdanken, die dafür zwei Millionen Dollar zur Verfügung gestellt haben.

Wir leben in einer paradoxen Welt: Auf der einen Seite gibt es unglaublich viel Geld, das zinslos auf Konten herumliegt, auf der anderen Seite werden gravierende Menschheitsprobleme nicht angepackt, weil die nötigen Mittel dafür fehlen.

Es ist ökonomisch sinnvoll, dort zu investieren, wo Knappheit herrscht

In dieser Situation ist es notwendig, sich mit der zentralen Frage der Ökonomie zu befassen, der Knappheit. Ökonomisch logisch ist es, in den limitierenden Faktor zu investieren, um mehr zu produzieren und eine reale Rendite erwirtschaften zu können. Natürlich ist die Erde begrenzt, trotzdem war die Natur in der praktischen Realität für die Menschen lange Zeit schier unerschöpflich vorhanden, beispielsweise Fische in den Flüssen, Seen und Weltmeeren. Deswegen investierten Menschen in immer neue Fischfangtechniken und größere Boote und Fangflotten.

Aber diese Rechnung geht längst nicht mehr auf, weil sich die Lage verändert hat. Diverse Fischarten sind ausgestorben, viele andere Bestände bedroht. Heute ist die Natur der limitierende Faktor, und sie wird immer knapper: Wälder werden abgeholzt, Böden ausgelaugt. Der ökonomischen Logik nach müsste es nun sinnvoll sein, in den knappen Faktor zu investieren, also in den Aufbau der Natur. Stattdessen geschieht jedoch das Gegenteil. Menschen investieren Kapital in neue Techniken und noch größere Anlagen, immer ihren kurzfristigen Gewinn im Auge. Und so schrumpfen die natürlichen Lebensgrundlagen immer mehr. Wie drastisch die Lage längst ist, zeigen Wissenschaftler mit dem Konzept der planetarischen Grenzen auf. Wenn eine solche Grenze überschritten wird, besteht die Gefahr irreversibler Veränderungen der Umwelt, weil sich die Natur nicht mehr erholen kann - zum Schaden der Menschheit. Laut Experten des Stockholm Resilience Centre befindet sich die Menschheit in vier Bereichen bereits in einem kritischen Zustand: beim Klimawandel, der Artenvielfalt, der Landnutzung und den globalen Phosphor- und Stickstoffkreisläufen. Die Folge sind öfter extreme Wetterereignisse, der Verlust von Böden und Wäldern und die Schwächung von Nahrungsketten.

Sowohl ökonomisch als auch ökologisch wäre es das Gebot der Stunde, in den Aufbau der Natur zu investieren. So könnten Sparer beispielsweise in die Entsalzung oder die sonstige Renaturierung beschädigter Böden investieren, die mittlerweile mehr als ein Viertel der eisfreien Landfläche ausmachen. Selbst in Europa ist mehr als ein Zehntel der Böden betroffen. Das gleiche gilt etwa für die Aufforstung von Wäldern. Mittels solcher Investitionen lassen sich realistisch jährlich Renditen von ein bis zwei Prozent erzielen. Das mag manchen wenig erscheinen, aber solche Renditen beruhen auf real geschaffenen Werten und sind längerfristig möglich. So würde gleichzeitig ein Beitrag für die Wiederherstellung der natürlichen Lebensgrundlagen geleistet und Sparern die Möglichkeit gegeben, für ihr Alter vorzusorgen.

Damit dies in großem Stil geschehen kann, braucht es jedoch entsprechende Finanzprodukte und einen Mentalitätswechsel beim Sparer. Kreativität und Fingerspitzengefühl sind gefragt. Denn man muss aufpassen, dass man den Teufel nicht mit dem Beelzebub austreibt, also beispielsweise im Falle von Investitionen in Böden oder Wälder die lokale Bevölkerung vertreibt. Um Landgrabbing, also die großflächige Aneignung von Land durch Investoren, auszuschließen, kann man Modelle wählen, bei denen das Eigentum bei den lokalen Gemeinschaften verbleibt und die Sparer für eine festgeschriebene Zeit eine Beteiligung am Ertrag der nachhaltig genutzten Böden und Wälder erhalten.

Hilfreich wäre auch ein Umdenken der Politik: Sie könnte passende Anlagevehikel durch neutrale Experten auswählen und als unbedenklich zertifizieren lassen. Gleichzeitig wäre es im Sinne der Sache, wenn naturerhaltende Anlagen steuerlich bevorzugt behandelt würden.

© SZ vom 12.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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