Kommentar:Im falschen Bett

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Dortmund legt sich mit Airbnb ins selbe Bett und lässt die Vermiet-Plattform die Bettensteuer kassieren. Die Ruhr-Metropole verlässt damit die Phalanx der Städte, die versuchen, den Wildwuchs von Airbnb zu zähmen.

Von Michael Kuntz

Nun machen also die Stadt Dortmund und Airbnb gemeinsame Sache. Die Internet-Plattform wird von Januar an die bei jeder touristischen Übernachtung fällige 7,5 Prozent Bettensteuer einsammeln und freundlicherweise an die Stadtkasse überweisen. Na wenn schon, möchte man sagen. Doch der scheinbar so simple Vorgang könnte in Wahrheit ein erster Schritt sein, die Konfrontation zwischen deutschen Kommunen und dem Buchungsportal für die zeitweise Untervermietung von Wohnraum wenn schon nicht zu beenden, dann doch zumindest aufzuweichen. Nicht von ungefähr feiert Airbnb die Kooperation mit Dortmund als einen lediglich ersten Schritt. Man führe mit weiteren deutschen Städten Gespräche.

Die heftig umstrittene Bettensteuer in deutschen Kommunen dient nun zumindest in Dortmund als ordnungspolitisches Hintertürchen für eines jener Unternehmen, die als gerade trendige globale Wirtschaftsform den kalifornischen Kapitalismus miterfunden haben: In dem spielen lokale Vorschriften keine Rolle, denn es geht um die eine alles überwölbende geniale Idee der online buchbaren privaten Übernachtung oder Untermiete, die ja nicht disruptiv wäre, wenn sie sich an das vorhandene Regelwerk halten würde.

Es mangelt an effektiven Kriterien für die gelegentliche Vermietung von Wohnraum

Anfangs hieß das 2008 in San Francisco gegründete Unternehmen Airbedandbreakfast, ein Jahr später dann nur noch Airbnb. Die Idee von der Luftmatratze mit Frühstück, die Übernachtung bei Freunden, die einem ihre Tipps für den Kiez verraten, das klingt nicht nur kitschig, es hat kaum noch etwas mit der Wirklichkeit zu tun. Zu Gast bei Einheimischen, die sich nur etwas dazuverdienen wollen, in einer Welt voll netter Leute, in der Menschen sich überall zu Hause fühlen. Doch nette Leute sind nicht immer gute Menschen.

Es ist offenbar inzwischen eher die Ausnahme als die Regel, dass Gastgeber ein Zimmer in ihrem Zuhause anbieten. Immer häufiger werden Wohnungen wohl allein deshalb nicht dauerhaft vergeben, um sie lukrativ für wenige Tage an Gäste zu vermieten. Datenrecherchen unter Beteiligung der SZ zeigten erst in diesem Sommer, dass ein erheblicher Teil der bei Airbnb angebotenen Wohnungen von Profis vermietet werden - auch heute noch. Entsprechende Ermittlungen hatte es beispielsweise in New York bereits vor etlichen Jahren gegeben. Die Großstädte reagieren darauf unterschiedlich.

So hat Berlin die private Vermietung von nicht genehmigten Ferienwohnungen verboten. Der Senat hat seine Bürger ermuntert, Fälle zu melden, in denen nicht nur gelegentlich untervermietet wird und so dem normalen Mietmarkt Flächen entzogen werden. Dagegen laufen zahlreiche Prozesse, bald muss das Bundesverfassungsgericht entscheiden.

Die vielen Ferienwohnungen haben in Venedig dazu geführt, dass die Stadt in den vergangenen Jahren von mehr Einwohnern verlassen wurde als während der Pest-Epidemie von 1630. Wien untersagt die Weitervermietung im sozialen Wohnungsbau, weil dieser ja mit Steuergeld gefördert worden ist.

Diese Fälle zeigen vor allem eines: Es fehlt an klaren Richtlinien auf europäischer Ebene, wo doch so vieles penibel geregelt ist. Und es mangelt noch an effektiven Kriterien zur Unterscheidung von professionellen Vermietern und jenen Amateuren, die ihre Wohnung oder Teile davon ab und an untervermieten.

Den Erfolg von Airbnb bekommen nicht nur Menschen auf der Suche nach einer bezahlbaren dauerhaften Bleibe in ihrer Stadt zu spüren, die Plattform macht auch Reiseveranstaltern, Hotels und Pensionen Konkurrenz. Die führen nicht nur längst die Bettensteuer ab, sondern müssen für Übernachtung und Verpflegung die Mehrwertsteuer auf ihre Rechnung setzen. Der Airbnb-Vermieter sollte in seiner Steuererklärung Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung angeben - das wird schon mal vergessen.

Wenn Dortmund und Airbnb nun ins selbe Bett steigen, dann ist dies ein Ausbrechen aus der Phalanx jener Kommunen, die dringend versuchen, Airbnb zu zähmen - statt mit den kalifornischen Kapitalisten "pragmatisch" zu kooperieren, um ein paar Steuerfahnder einsparen zu können. Das ist ungefähr so, als würde man die Aufgaben der Verkehrspolizei mal eben gleich den Herstellern besonders schneller Autos übertragen.

Föderalismus auf kommunaler Ebene ist schön und gut, erfordert aber auch ein Gespür für politische Wirkungen. Gerade Dortmund mit seinen gravierenden wirtschaftlichen Problemen sollte daher nicht vorschnell die Solidarität mit den anderen Großstädten aufgeben, deren Lebensraum von Plattformen wie Airbnb gerade ebenfalls gravierend verändert wird.

© SZ vom 02.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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