Kommentar:Große Idee, kleines Ergebnis

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Es wäre schön, aber die Welt ist nicht danach: Nur zehn Länder Europas wollen die Finanztransaktionssteuer einführen.

Von Andrea Rexer

Die österreichische Diplomatie hat eine glorreiche Vergangenheit: Man denke nur an die Heiratspolitik im 15. und 16. Jahrhundert, auf das Erfolgsprinzip "tu felix Austria nube" ist man bis heute stolz. Genauso wie auf den Wiener Kongress, der im Jahr 1814 Europa neu ordnete. Nun haben sich die Österreicher vorgenommen, der Finanzwelt Europas neue Regeln zu geben. Mit einer Entschlossenheit, die kein anderes Land an den Tag legt, kämpfen die Österreicher für eine Finanztransaktionssteuer, die den Spekulanten Einhalt gebieten soll. Doch der Erfolg, den die Wiener Diplomatie in diesen Tagen melden kann, nimmt sich - allen Jubelmeldungen zum Trotz - klein aus. Auf Basis der Kompromissvorschläge Wiens haben sich zehn europäische Länder darauf geeinigt, noch im Dezember über die Eckpunkte einer Finanztransaktionssteuer abzustimmen. Und schon wird gefeiert, dass die Steuer noch nie so nah gewesen sei wie jetzt.

Wer Spekulanten Einhalt gebieten will, muss sich für mehr Eigenkapital einsetzen

Wirklich? Bei genauer Betrachtung ist der Jubel fehl am Platz. Denn was bringt die große Idee, wenn lediglich ein kleiner Teil der Welt sie ernsthaft umsetzen will? Von der Idee her wäre eine Finanztransaktionssteuer allemal begrüßenswert - auch aus finanziellen Gründen. Denn würde auf bestimmte Arten von Geldgeschäften ein Minibetrag an Steuern entfallen, so käme in Summe ein erheblicher Betrag für die Staatshaushalte zusammen. Schließlich gibt es große Herausforderungen zu meistern: Das Wirtschaftswachstum soll angekurbelt, Arbeitsplätze sollen geschaffen werden. Die Rente für die jungen Generationen muss gesichert, die steigenden Gesundheitsausgaben bewältigt und nicht zuletzt die Integration der Zuwanderer solide finanziert werden. Eine Steuer, die von jenen am oberen Ende der Vermögensverteilungsskala getragen würde - nämlich jenen, die sich Finanzgeschäfte leisten können -, ist auch im Sinne der gerechten Lastenverteilung willkommen.

Nur: Die Idee lebt davon, dass sie in möglichst vielen Ländern umgesetzt wird. Natürlich ist eine globale Allianz utopisch. Und auch nicht notwendig. Aber zumindest eines der großen Finanzhandelszentren müsste dabei sein, um Wirkung zu entfalten. Jedoch liegt in den teilnehmenden Ländern nicht einer der großen Finanzumschlagsplätze der Welt: nicht New York, nicht Singapur, nicht einmal London. Und damit kann die Steuer kaum Wirkung entfachen. Denn so ist der Lenkungseffekt maximal ein geografischer: Spekulanten wählen andere Standorte, um ihre Geschäfte zu tätigen. Eingedämmt oder in ihrer Art verändert werden die Transaktionen auf die Weise nicht, wie es die Vordenker der Steuer gern erreichen wollen.

Es hätte jedoch einen leichteren Weg gegeben, das Geschäftsgebaren der Finanzakteure zu beeinflussen: über noch höhere Eigenkapitalquoten. Zwar haben die Banken heute tatsächlich dickere Puffer als früher. Aber ob es ausreicht, die nächste Krise aus eigener Kraft zu meistern, ist mehr als fraglich. Das zeigte allein schon in den vergangenen Monaten die Angst um die italienischen Banken und die Deutsche Bank. Und was ist mit all jenen Instituten, die Finanzgeschäfte betreiben, aber keine Banken sind und als Schattenbanken bezeichnet werden? Bisher sind sie außen vor geblieben.

In der Krise wurde die Chance verpasst, ohne Ausnahmen und Sonderregelungen wirklich harte Regelungen für alle Finanzakteure durchzusetzen. Und zwar weltweit. Bis heute können sie nicht nur, sie müssen sich sogar ihre Bilanzen schönrechnen: Das prominenteste Beispiel sind die europäischen Staatsanleihen, die nicht in die Berechnung der offiziellen Eigenkapitalquote einfließen.

Sinnvoller, als um eine Transaktionssteuer für wenige Länder zu kämpfen, wäre es, sich für höhere und konsequentere Eigenkapitalquoten starkzumachen. Wer Spekulation Einhalt gebieten will, hat im Eigenkapital das stärkste Instrument. Es ist besonders wirkungsvoll, da auf diese Weise die Banken an jedem Verlust direkt teilhaben - das belohnt vorsichtiges Handeln. Auch machen hohe Puffer staatliche Rettungen unwahrscheinlicher. Derzeit arbeiten die Regulatoren an den Details der vereinbarten Regelungen zum Eigenkapital. Die Lobby ist auf gutem Wege, über eine Vielzahl von Ausnahmen die vereinbarten Bestimmungen nach allen Regeln der Kunst aufzuweichen. Sich dafür einzusetzen, klingt für Politiker wenig attraktiv, aber in der Sache würden sie damit mehr erreichen.

Wollten die Diplomaten in Wien an ihre einstigen Erfolge anknüpfen, so wäre ein Wiener Kongress zum Eigenkapital vielversprechender als eine minimalisierte Steuer.

© SZ vom 13.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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